Altlast im Chemiedreieck:Das ewige Gift

Lesezeit: 2 Min.

Nach einer alarmieren PFOA-Studie wurde Spenderblut aus dem Landkreis Altötting nicht mehr für Blutkonserven genutzt, sondern nur noch zur Herstellung von Medikamenten. (Foto: Matthias Köpf)

Der Landkreis Altötting braucht eine eigene Deponie für das viele Erdreich, das dauerhaft mit der gefährlichen Chemikalie PFOA verseucht ist. Die Ergebnisse einer neuerlichen Blutuntersuchung an Hunderten Bürgern sollen Anfang 2023 vorliegen.

Von Matthias Köpf, Altötting

Fatalismus ist angesichts des gewaltigen Problems mit diesem Gift nicht angebracht, da sind sich inzwischen fast alle einig im Landkreis Altötting. "Wenn man das jetzt fatalistisch anschauen würde, dann wird's nie gelöst sein", sagt Robert Müller trotzdem. Denn per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen, kurz PFAS, finden sich mittlerweile fast überall auf der Erde, selbst in Tibet fallen kleine Mengen aus dieser Tausende Substanzen umfassenden Stoffgruppe mit dem Regen vom Himmel und in der Antarktis mit dem Schnee. Werte wie zwischen Altötting, Burghausen und Garching an der Alz gibt es weltweit allerdings nicht sehr oft.

Denn hier im Chemiepark Gendorf, mitten im bayerischen Chemiedreieck, wurde bis 2003 einer dieser Stoffe hergestellt und bis 2008 für verschiedenste Beschichtungen und Imprägnierungen verarbeitet. In all den Jahren hat sich diese Perfluoroktansäure (PFOA) hier festgesetzt, im Boden, im Grundwasser und im Blut Tausender Menschen. Und Robert Müller muss als Abteilungsleiter im Landratsamt dafür sorgen, dass die Menschen nicht noch mehr davon aufnehmen. Derzeit plant er eine Deponie, in der verseuchte Erde aus weiten Teilen des Landkreises abgelagert werden kann.

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Im Prinzip ist das PFOA-Problem in der Region lange bekannt, spätestens seit 2006 Greenpeace-Aktivisten belastetes Wasser aus der Alz aufs Gendorfer Werksgelände zurückgeleitet hatten. Seither gab es verschiedene Studien, an ersten Trinkwasserbrunnen wurden Filter installiert. Andere mussten 2016 geschlossen werden, weil die Behörden den Unbedenklichkeitswert für PFOA im Trinkwasser gesenkt hatten. Der große Aufschrei folgte aber erst 2017. Da machte eine Studie die Runde, wonach sich in Blutspenden aus dem kleinen Emmerting PFOA-Konzentrationen gefunden hatten, die teils 20-mal höher waren als der Unbedenklichkeitswert. Das gespendete Blut aus der Region wurde fortan nicht mehr für Transfusionen genutzt, sondern nur noch zur Herstellung von Medikamenten.

Lange gab es gar für PFOA gar keine verbindlichen Obergrenzen, inzwischen gibt es immer neue und immer strengere. Seit 2020 sind Herstellung und Verarbeitung EU-weit verboten. Der Stoff steht unter anderem im Verdacht, Krebs zu erregen und die Schilddrüse zu schädigen. Abgebaut wird er im Körper praktisch nicht, sondern bestenfalls langsam ausgeschieden. Derzeit ist von einer Halbwertszeit von drei bis vier Jahren die Rede. Ob das auch für die Altöttinger zutrifft, wird sich wohl Anfang 2023 abzeichnen.

2016 mussten Trinkwasserbrunnen wie jener der kleinen Gemeinde Kastl plötzlich geschlossen werden. (Foto: Matthias Köpf)

Dann sollen laut Müller die Ergebnisse neuer Bluttests vom Sommer vorliegen und mit denen ähnlicher Tests an 906 Probanden im Jahr 2018 verglichen werden. Laut dem Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit wiesen damals 761 Probanden Werte auf, die Gesundheitsschäden zur Folge haben könnten, aber nicht müssten. Auf jeden Fall sei eine weitere Aufnahme von PFOA zu verhindern, was die Behörden durch die Filter in der Trinkwasserversorgung aber bereits verwirklicht sahen.

Im Grundwasser dagegen dürften die Werte noch über Jahre steigen. Dies hat eine Studie ergeben, die der PFOA-Produzent Dyneon und dessen Mutterkonzern 3M finanziert haben. Auch im Boden wird die Substanz überdauern. 190 Quadratkilometer gelten als belastet, ein Drittel des Landkreises. Das Landratsamt hatte dieses Gebiet zuletzt in vier Belastungszonen eingeteilt und verfügt, dass Bodenaushub von größeren Bauprojekten in der jeweiligen Zone bleiben muss. Inzwischen verlangt die Regierung dafür aber eine dichte Deponie. Robert Müller hofft, dass eine Kapazität von 600 000 Kubikmetern für etliche Jahre reichen wird. Für die drängelnden Kommunen und Unternehmen, die sich Planungssicherheit wünschen, gibt es dann immerhin ein festes Verfahren. Bisher wurde mit Einzelentscheidungen agiert wie beim Burghauser Güterverkehrszentrum. Der Aushub für den Umschlagbahnhof wurde zu einem Lärmschutzwall aufgehäuft, der auf lange Sicht aber wohl wieder abgetragen und deponiert werden muss.

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