Koalitionsgespräche:Weihnachtsgeschenke vor der nächsten Wahl

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Bei den Koalitionsgesprächen gibt es erste Fortschritte: Union und FDP wollen Familien schon Anfang 2010 entlasten - schließlich wird im Mai in Nordrhein-Westfalen gewählt.

Der Ort ist mit Bedacht gewählt. Die Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen ist nicht nur Gastgeberin für die Koalitionsverhandlungen in Berlin, sie lenkt für Union und FDP den Blick auch dorthin, wo sich schon bald sehr viel für das neue Berliner Bündnis entscheidet: auf die Landtagswahlen an Rhein und Ruhr am 9. Mai 2010. Wenn die CDU/FDP-Regierung in Düsseldorf an diesem Tag um ihre Bestätigung kämpft, dann ist dies auch der erste Härtetest für Schwarz-Gelb in Berlin. Deshalb muss der Koalitionsvertrag zweierlei leisten: Er muss die Grundlage für langfristige Strukturreformen legen, dem Bündnis also eine Existenzberechtigung über diese Legislaturperiode hinaus sichern. Und er muss ganz kurzfristig eine erkennbare Wirkung erzielen. Schon bald nach Amtsantritt der Koalition soll alle Welt spüren, dass sich Schwarz-Gelb lohnt für die Menschen.

Prompt sind, kaum haben die Verhandlungen begonnen, Familien und mittelständische Unternehmen ins Blickfeld geraten. Noch ist nichts endgültig entschieden. Aber schon am zweiten Tag der Detailgespräche in der Arbeitsgruppe Finanzen wird immer wahrscheinlicher, dass sich Union und FDP entweder auf eine schnelle Senkung des Eingangssteuertarifs oder auf eine schrittweise Anhebung des Kinderfreibetrags verständigen werden. Letzteres muss mit einer Erhöhung des Kindergeldes für all jene einhergehen, die wegen eines zu geringen Einkommens von der Anhebung des Freibetrags nicht profitieren würden.

Nachdem am Dienstag manche schon von einer sofortigen Angleichung des Kinderfreibetrags (derzeit 6024 Euro) auf das Niveau von Erwachsenen (8004 Euro) sprachen, sah es einen Tag später eher nach einer schrittweisen Veränderung aus. Würde man alles schon zum 1.Januar 2010 anheben, würde das den Staat etwa zehn Milliarden Euro kosten. Eine Zwischenstufe mit 7000 Euro plus entsprechend höherem Kindergeld käme auf knapp fünf Milliarden Euro.

So unsicher das Ergebnis noch ist, so sicher scheint zu sein, dass sich einer schon politisch jeder Perspektive beraubt hat. Michael Fuchs, Sprecher der CDU-Mittelstandsvereinigung im Bundestag, hatte am Dienstag mit Blick auf höhere Kinderfreibeträge schon fröhlich von einem "Weihnachtsgeschenk" der neuen Koalition gesprochen. Was, so ist es aus der Union zu hören, alle Mitstreiter hochgradig verärgert hat. Ein hoher Unionsvertreter zur SZ: "Wir bemühen uns um ein gutes Startsignal - und er desavouiert es. Das gibt es doch gar nicht."

Wer hat was zu sagen?

Auch in anderen Arbeitsgruppen wird sehr konkret verhandelt: Zügig voran kommt angeblich die Arbeitsgruppe Familie, Integration, Kultur. Hier gibt es zwar Streit um das von der CSU geforderte Betreuungsgeld für nicht berufstätige Mütter und um die FDP-Forderung nach einem Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Dennoch rechnen Mitglieder mit einer Einigung noch in dieser Woche.

"Keine großen Probleme" heißt es oft, wenn von Außen- und Verteidigungspolitik die Rede ist. Doch ganz so glatt dürften die Verhandlungen in dieser Arbeitsgruppe, die sich an diesem Donnerstag zum ersten Mal trifft, nicht ablaufen. Auch hier geht es darum, wer in den nächsten Jahren was zu sagen hat - vor allem in der EU-Politik.

Keinesfalls wollen die Liberalen zulassen, dass wichtige Kompetenzen des künftigen Außenministers, der ja Guido Westerwelle heißen soll, beschnitten werden. Versuche der Union, die Europapolitik künftig im Kanzleramt zu bündeln, wollen sie abwehren. Bislang ist es so, dass sich Finanzministerium, Innen- und Außenministerium die Aufgaben teilen. Auch die Liberalen finden, dass die EU-Politik besser koordiniert werden muss - aber natürlich im Auswärtigen Amt. Letztlich, ist zu hören, würden solche "Strukturfragen" von den Bossen entschieden. Deren Kompromiss lässt sich erahnen: Alles bleibt, wie es ist.

Ein ganz schwieriges Feld bleibt die Innere Sicherheit. Unvereinbar scheinen derzeit noch viele Positionen, etwa bei der Online-Durchsuchung von Computern. "Da stoßen sich die Dinge hart im Raum", sagte ein Unterhändler. Dagegen sei bei der Verbesserung des Arbeitnehmerdatenschutzes und bei der Bekämpfung von Kinderpornographie im Internet eine Einigung möglich.

Wenn auch die Personalfragen angeblich ganz am Schluss entschieden werden, so wird doch weiter heftig spekuliert. Sicher scheint zu sein, dass Familienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ins Gesundheitsressort wechselt. Die FDP hofft mittlerweile auf das Bildungsministerium und bringt dafür ihre Vize-Parteichefin Cornelia Pieper ins Gespräch.

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