G-7-Gipfel:Die Spielverderber

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Wollen einen Neustart in den Beziehungen ihrer Länder: Griechenlands Premier Tsipras (links) und der russische Präsident Putin (Foto: dpa)
  • Die Agenda auf dem G7-Gipfel wird ein Mann prägen, der eigentlich gar nicht dabei ist: Wladimir Putin.
  • Mit der jüngsten Eskalation in der Ukraine hat der Kreml das Treffen in Bayern wohl im Auge.
  • Auch der griechische Premier Alexis Tsipras provoziert mit seinen jüngsten Avancen Richtung Russland die Weltöffentlichkeit.
  • Amerikas Rückzug aus der Weltpolitik ist inzwischen schmerzhaft spürbar.

Von Stefan Kornelius, München

Die großen Gipfeltreffen der Politik sind so unberechenbar wie derzeit das Wetter in den Bergen. Da bauen sich urplötzlich Gewittertürme auf, aus denen sich gewaltige Unwetter entladen können. In den wenigen Stunden vor seinem Beginn scheint der G-7-Gipfel politische Turbulenzen geradezu zu provozieren.

Während die Bundesregierung stoisch Normalität beschwört, sorgen zwei virtuelle Gäste für atmosphärische Aufladungen, die den Gipfel zu beherrschen drohen: Russlands Präsident Wladimir Putin und - ein wenig im Gefolge - der griechische Premierminister Alexis Tsipras.

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Die neuen Kämpfe im Osten der Ukraine und das griechische Schuldendrama werden nach Einschätzung von Gipfel-Planern zumindest die öffentliche Wahrnehmung der Gespräche bestimmen. Das ist der deutschen Kanzlerin alles andere als recht. Über Monate hinweg hat sie sich abgemüht, einen bunten Strauß von Gipfelthemen zu kultivieren, natürlich auch mit dem Ziel, das große Staatsmänner- und Frauentreffen harmonisch und erfolgreich wirken zu lassen.

Merkels Lieblingsagenda findet nur noch gnädige Erwähnung

Den Gefallen tut ihr aber nicht einmal ihr treuester Verbündeter, US-Präsident Barack Obama. Dessen Gipfel-Sherpas kennen nur ein Thema: die Ukraine und den Umgang mit Russland. Merkels Lieblingsagenda - die Ausbildungsförderung von Frauen und der Kampf gegen multiresistente Keime - finden in der amerikanischen Gipfelvorschau gerade noch gnädig Erwähnung. Eindeutig dominiert aber die Agenda jener Mann, der nun schon zum zweiten Mal nicht mehr dabei sein kann im Klub der wichtigsten Industrienationen: Putin.

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Tatsächlich scheint der Kreml mit der jüngsten Eskalation in der Ukraine auch das Treffen im deutschen Süden im Auge zu haben, oder, wie ein Berater der G 7 sagt: "Er ist zwar nicht dabei, aber er will die Agenda bestimmen." Wie weit Putin dabei gehen wird, ist unklar.

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko sieht eine "beispiellos große Gefahr eines russischen Einmarsches". Die Mahnungen der Beobachter von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) klingen immer bedrohlicher. Sowohl US- wie auch europäische Emissäre wirken in Moskau auf die Führung ein und demonstrieren ihre Entschlossenheit. Die USA lassen drohend wissen, man beobachte jede Truppenbewegung.

Putin, der nächste Woche zu einer Reise nach Italien aufbricht, könnte mit den jüngsten militärischen Drohgebärden entweder direkt auf den Gipfel oder auch nur auf Poroschenko zielen wollen, der gerade zum Jahrestag seiner Amtsübernahme dem Parlament einen Bericht zur Lage der Nation erstatten musste. Die Botschaft ist dabei seit fast einem Jahr die selbe: Russland bestimmt, ob der Konflikt in der Ukraine abflaut oder intensiver wird. Elmau bietet eine exzellente Gelegenheit zur Wiederholung, weil erstmals seit Beginn der Krise US-Präsident Obama unmittelbar in der Nachbarschaft und im Kreis seiner Verbündeten auf die Herausforderung reagieren muss.

Die Spielregeln verändern sich schlagartig

Das Weiße Haus hat entsprechend vorgebaut. Sicherheitsberater Ben Rhodes: "Wenn wir zusätzliche russische Aggressionen wahrnehmen, dann haben wir zusätzliche Werkzeuge in unserem Arsenal, die wir einsetzen können." Washington geht es aber zunächst weniger um neue Sanktionen als um Geschlossenheit der Europäer und Japaner bei den bestehenden Strafmaßnahmen. Putins Reise nach Italien kommende Woche bereitet da Sorgen, weil er dort Premier Matteo Renzi trifft, der schon lange als schwaches Glied in der Sanktionskette der Europäer gilt.

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Und jetzt der Auftritt des griechischen Premiers Tsipras, der ebenfalls mit den neuen Spielregeln der Weltpolitik zu hantieren weiß: Die Verschiebung bei der Rückzahlung der gerade fälligen Schuldentranche an den Weltwährungsfonds hat die Euro-Länder geschockt und auf den Märkten Nervosität ausgelöst. Als Tsipras dann aber auch noch am Freitag Putin anrief und damit seine Nähe zu Moskau dokumentierte, war die Botschaft eindeutig: Hallo Elmau, hier bin ich; ich kann auch anders.

Amerikas Rückzug aus der Weltpolitik ist inzwischen schmerzhaft zu spüren

Spätestens jetzt zeigt sich, dass Obamas freundliche Zurückhaltung gegenüber seinen europäischen Freunden ihren Preis hat. Wenn der Präsident einmal seinen Fuß auf den Kontinent setzt, verändern sich die Spielregeln schlagartig. Sicherheitsberater Rhodes will in seinem Gipfel-Briefing zwar gar nicht mehr aufhören, die Europäer und den Grad der Zusammenarbeit zu loben. Tatsache ist aber, dass der Präsident reisefaul ist und Amerikas Rückzug aus der Weltpolitik inzwischen schmerzhaft spürbar ist.

Der deutschen Gipfelgastgeberin wird der amerikanische Präsident zwar ein wenig schmeicheln: Barack Obama kommt eigens ein paar Stunden früher, um mit Angela Merkel einen Abstecher nach Krün zu machen, wo die beiden bayerische Folklore anschauen werden. Aber auch hier gibt es einen Wermutstropfen: Obamas Vorgänger George W. Bush beehrte Merkel nach dem bisher letzten deutschen G-8-Treffen in Heiligendamm noch einen extra Tag lang. Statt Schweinsbraten wurde damals ein ganzes Wildschwein gegrillt, allerdings klagte Bushs Gattin in ihren Memoiren auch über Vergiftungserscheinungen. In Elmau, so scheint es, wirkt bisher nur das vergiftete politische Klima in Europa.

© SZ vom 06.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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