Münchner Airport:"Wir werden wieder volle Flughäfen sehen"

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Oben - 12. April 2019: Im vergangenen Jahr herrschte zu Beginn der Osterferien in Bayern am Münchner Flughafen großer Andrang. Unten - 03. April 2020: Derselbe Ort in diesem Jahr, wieder zu Beginn der Osterferien: Wegen der Reisebeschränkungen wirkt der Flughafen wie ausgestorben. (Foto: Matthias Balk; Sina Schuldt)

Auf das Jubeljahr 2019 folgt die Krise. Doch Münchens Flughafen könnte besser geschützt sein als andere, glaubt der neue Airport-Chef Jost Lammers.

Von Jens Flottau und Andreas Schubert

Der Airbräu brüstet sich gerne mit dem Prädikat "größter überdachter Biergarten Europas". Wie es sich gehört für ein Lokal an einem Flughafen, der sich rühmt, der einzige Fünf-Sterne-Airport, also der beste Europas zu sein. Doch jetzt sitzt kein Mensch an den Bierbänken, alles ist dicht, geschlossen wegen Corona. Auch in den Hallen des Münchner Flughafens sind kaum Menschen zu sehen. Der Satellit des Terminals 2 ist schon seit Ende März geschlossen, nun auch der komplette Terminal 1. Statt mehr als 1000 Flügen täglich werden nur noch 30 Passagier- und 20 Frachtflüge abgefertigt. Von 10 000 Mitarbeitern der Flughafengesellschaft FMG befinden sich 7000 in Kurzarbeit. Und weil eh kaum geflogen wird, sperrt der Airport seine südliche Landebahn am 4. Mai für drei Wochen, um sie zu sanieren.

Während die FMG 2019 über das erfolgreichste Jahr ihrer Geschichte jubelte, hat der neue Geschäftsführer Jost Lammers nun das bisher schwierigste Jahr zu bewältigen. Der Manager, der am 1. Januar von Budapest nach München wechselte, übt sich aber in Zuversicht, dass der Airport nach der Krise wieder zu alter Stärke zurückfindet.

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Das wird nicht einfach sein, nicht zuletzt, weil die Lufthansa, die wichtigste Partnerin des Münchner Flughafens, ebenfalls am Boden und ihre Zukunft ungewiss ist. Die Airline betreibt zusammen mit der FMG den Terminal 2 und hatte vergangenes Jahr, gemessen an der Sitzplatzkapazität, in München einen Marktanteil von rund 68 Prozent. Um den Betrieb irgendwann wieder hochfahren zu können und zumindest in Europa wieder einen grenzüberschreitenden Luftverkehr zu ermöglichen, drängt Lammers nun darauf, dass die europäischen Staaten sich schnellstmöglich auf einheitliche Regeln für den Luftverkehr einigen, was zum Beispiel Hygiene- und Abstandsregeln sowohl in der Luft als auch am Boden betrifft.

Derzeit handhabt das jedes Land anders. Eine Prognose, wann sich der Flugverkehr wieder normalisieren wird, will der FMG-Chef nicht abgeben. Seiner Ansicht nach wird es aber immer das Bedürfnis nach Mobilität geben. Geschäftsleute und Privatreisende werden wieder in die Flieger steigen - allerdings kann derzeit niemand sagen, in welchem Umfang dies geschehen wird. Doch schon rein von Berufswegen meint Lammers: "Wir werden wieder volle Flughäfen sehen."

Lammers glaubt, dass München durch die enge Partnerschaft mit Lufthansa besser geschützt ist als andere Flughäfen. Lufthansa sei durch die Investitionen ins Terminal 2 besonders stark an den Standort gebunden. Er rechnet damit, dass die Airline-Branche sich weiter konsolidiert, weil schwächere Anbieter aufgeben müssen. Davon könnte München indirekt profitieren.

Als Präsident des Europäischen Flughafenverbands ACI weiß Lammers, dass die Situation an anderen Standorten dieselbe ist, wenn nicht schlechter. "Flugzeuge sind überall am Boden, Terminals sind überall leer", sagt er. Immerhin werde in München noch ein Rumpfprogramm mit inländischem Verkehr geflogen. Was das Non-Aviation-Geschäft betrifft, also die Geschäftszweige der FMG, die nicht direkt mit der Fliegerei zu tun haben, so geht es diesem Bereich laut Lammers auch nicht viel besser. "Wenn keine Passagiere da sind, werden keine Mietwagen benötigt, da wird nicht eingekauft und gegessen", sagt er. "Das können Sie eins zu eins ableiten vom Wegbruch des Aviation-Geschäfts."

Derweil lebt die FMG vom Eingemachten. "Über die letzten Jahre wurden Reserven und Rücklagen geschaffen, die uns jetzt auch in der Krise helfen", sagt Lammers. "Wir glauben daran, wieder an wirtschaftliche Leistungen der Vergangenheit anknüpfen zu können." Die Frage, ob er Kündigungen von Mitarbeitern ausschließen kann, lässt Lammers im Vagen. Für ein Jahr bestehe Sicherheit. Die Logik der Kurzarbeit, die bei der FMG je nach Geschäftsbereich unterschiedlich geregelt ist, sei es, Arbeitsplätze zu sichern. Auf die Frage, ob es irgendwann Staatshilfen für den Flughafen geben müsse, verweist der Chef der FMG, deren Eigner der Freistaat Bayern, der Bund und die Stadt München sind, auf die aktuelle Liquidität seines Unternehmens. Sollte es eng werden, dürfte es aber unwahrscheinlich sein, dass die Teilhaber der FMG den Airport pleitegehen lassen. Die Bayerische Staatsregierung beschwört ihn regelmäßig als extrem wichtig für die Gesamtwirtschaft Bayerns.

An den bisher beschlossenen und bereits begonnenen Ausbaumaßnahmen des Flughafens werde man denn auch festhalten, betont Lammers. Derzeit baut die FMG ihr Forschungs- und Innovationszentrum "Lab Campus", der Terminal 1 wird umgestaltet, der Flughafen gräbt auf eigene Kosten einen Tunnel für die S-Bahn, um den sogenannten Erdinger Ringschluss voranzutreiben, und auch die Zufahrten zum Airport werden ausgebaut. Auch an den mittelfristigen Plänen, den derzeit geschlossenen Satelliten des Terminal 2 zu erweitern und so eine Kapazität für zehn Millionen zusätzliche Passagiere pro Jahr zu schaffen, habe sich nichts geändert. Zurückstellen werde man indes den Bau eines neuen Hotels und der neuen Firmenzentrale.

Alles soll also wieder gut werden, wenn möglich schon in naher Zukunft. Stellt man aktuell sein Auto in einem der leeren Parkhäuser ab, treibt sich ein bisschen am Airport herum, sieht die Absperrungen der Gastronomiebereiche oder die verwaisten Check-in-Schalter, mag man nicht so recht dran glauben, dass in diesem Geisterflughafen dereinst wieder Hochbetrieb herrschen wird. In jenem Flughafen, den dessen früherer Chef Michael Kerkloh bei seinem Abschied als "schönsten im ganzen Lande" bezeichnet hatte.

Erst recht unwirklich erscheint die Erinnerung an den 28. Juli 2018, als am ersten Tag der Sommerferien wegen einer Sicherheitspanne der Flugbetrieb stundenlang eingestellt wurde, sich Tausende Reisende dicht an dicht im Terminal 2 aneinander drängten und teilweise sogar dort auf Klappbetten übernachten mussten. Auch das war eine Krise für den Flughafen und die Airlines - wenn auch eine vergleichsweise kurze und eine, die unter anderen Vorzeichen stattfand. Jost Lammers jedenfalls hätte sich seinen Start in München anders vorgestellt. Seine ersten 100 Tage, sagt er, fühlten sich an wie 300.

© SZ vom 30.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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