Anfrage im Landtag:Nach Flughafen-Vorladungen: Kleine diplomatische Krise mit Senegal

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121 Senegalesen erhielten eine Vorladung an den Münchner Flughafen - "um die Personalien festzustellen", wie es hieß. Die Betroffenen hatten Angst, gleich in ein Flugzeug gesetzt zu werden. (Foto: Fritz Beck)
  • 121 Senegalesen, die in Bayern wohnen, haben eine Vorladung zu einer "Sammelanhörung" auf dem Münchner Flughafen bekommen.
  • Die Anhörung platzte jedoch. Deutsche Behörden und Politiker aus Senegal schieben sich daran gegenseitig die Schuld zu.
  • Die Bayerischen Grünen wollen nun mit einer Anfrage im Landtag klären, wer für die Aktion verantwortlich zeichnet.

Von Dietrich Mittler, München

Wenn die Grünen-Politikerin Barbara Lochbihler an diesem Montag in Paris aus dem Flugzeug steigt, wird ihr das zurückliegende Wochenende in den Knochen stecken. Und das weniger wegen der anstrengenden Jahresversammlung "Parlamentarians for Global Action" in der senegalesischen Hauptstadt Dakar, bei der der Fokus auf dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag lag.

Lochbihler, die außen- und menschenrechtspolitische Sprecherin der Grünen im Europäischen Parlament, musste vielmehr aufgebrachten Senegalesen Rede und Antwort stehen. Abgeordnete der dortigen Nationalversammlung drängten mit Fragen auf sie ein: Was denn da los sei in Bayern? Und wie man dazu komme, dort lebende Senegalesen so einfach im Hauruck-Verfahren an den Flughafen zu beordern, ohne ihnen zu sagen, was man überhaupt von ihnen will?

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Immer wieder, so berichtete Lochbihler telefonisch aus Dakar, habe sie folgende Frage gehört: "Was ist das für eine Art des Umgangs bei euch?" Die Allgäuer EU-Parlamentarierin - obwohl selbst erklärte Gegnerin einer rigiden Asylpolitik - wäre in Dakar vermutlich noch härter angegangen worden, hätte sich da bereits herumgesprochen, dass nun "offenbar Senegalesen ohne Vorwarnung oder vorherige Ankündigung aus den Gemeinschaftsunterkünften in das Rückkehrzentrum in Bamberg verlagert werden", wie Lochbihlers Parteifreundin Christine Kamm am Samstag per E-Mail mitteilte. "Bis jetzt sind es 55 Senegalesen", schrieb die Landtagsabgeordnete. Und was diesen Menschen nun im Kopf herumgeht, ist klar: Ist das der nächste Schritt hin zur drohenden Abschiebung?

Auch dieser Vorfall wird in Senegal für Ärger sorgen - so wie es bereits die Vorladung zum Münchner Flughafen getan hat. Dort sollte über Tage hinweg in einem umzäunten Zweckbau der Regierung von Oberbayern eine Sammelanhörung stattfinden. In senegalesischen Medien führte das zu erheblichen Eruptionen: "Mehr als 3000 Senegalesen aufgefordert, am Flughafen München einzutreffen, um das Land zu verlassen", lautete eine der Schlagzeilen.

Nachrichten wie diese spiegelten die Verzweiflung jener wider, die eine Vorladung bekommen hatten. Einige hatten ihre Befürchtungen den Redaktionen in der Heimat mitgeteilt. Dort braute sich das Gerücht zusammen, dass es zwischen Senegal und der Bundesrepublik Deutschland ein Rücknahme-Abkommen gebe. Die Regierung Senegals handele "gegen ihre eigenen Staatsbürger", hieß es. Die Regierung geriet damit unter Druck. Die Exil-Gemeinde stellt eine politische Kraft dar, da sie viel Geld in die Heimat schickt.

"Ein entsprechendes Abkommen gibt es mit dem Senegal nicht", wird indes aus Berliner Regierungskreisen kolportiert. Aber wie erklären sich dann die Vorladungen zum Flughafen, die nach Angaben des bayerischen Innenministeriums an 121 Senegalesen verschickt wurden?

Wie aus Stellungnahmen bayerischer Behörden hervorgeht, sollten die Geladenen von deutschen Beamten und Angehörigen der senegalesischen Botschaft zu ihrer Identität befragt werden. Sodann sollten sie Pässe oder Ersatzpapiere erhalten - letztlich, um so ihre Abschiebung einleiten zu können. Oft stehen Bayerns Behörden vor dem Problem, dass abgelehnte Asylbewerber aus sogenannten sicheren Herkunftsländern vorgeben, keine Papiere zu haben.

Letztlich aber fand die Sammelanhörung abgelehnter Asylbewerber dann gar nicht statt. Die senegalesische Botschaft in Berlin stellte sich quer - offenbar auf Weisung von oben. Nach außen hin verlautbarten Mitarbeiter der Botschaft, dass sie von keiner offiziellen Stelle über diese geplante Aktion am Münchner Airport informiert worden seien, weder von deutscher Seite noch von senegalesischer. Daher könne auch "die Vertretung am Flughafen keine der senegalesischen Botschaft" sein, hieß es.

Ganz anders klingt es aus dem Bundesinnenministerium: "Die senegalesischen Behörden wurden auf diplomatischem Wege eingeladen. Eine Verbalnote aus Senegal, mit der die Annahme der Einladung erklärt wurde, lag vor." Die Botschaft Senegals sei "mit der Maßnahme einverstanden" gewesen. Nach Darstellung des Bundesinnenministeriums sollte eine Expertendelegation aus Senegal die Identität der vorgeladenen Landsleute prüfen. Die aber traf hier gar nicht ein, und damit sei die geplante Sammelanhörung geplatzt.

Die EU-Abgeordnete Lochbihler hat für diese mysteriöse Angelegenheit eine Erklärung: In Senegal stünden im kommenden Jahr Wahlen an. "Es gibt ein Netzwerk aus Parlamentariern dort, die sich der Senegalesen im Ausland annehmen", sagt sie, "und die ziehen jetzt das Thema so richtig hoch."

Doch das ist nach Ansicht von Stephan Dünnwald, einem der Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats, nur die eine Seite der Medaille. Auch die deutsche Seite tue alles, um letztlich zu verschleiern, wer diese unerfreuliche Aktion zu verantworten habe und welche Zwecke sie verfolge. "Niemand lässt es raus, die Deutschen sind nicht daran interessiert, die Senegalesen auch nicht", sagt er.

Auch eine Anfrage an das bayerische Innenministerium trägt kaum dazu bei, die Verantwortlichkeiten zu klären: "Wir bitten diese Frage an das hierfür zuständige Bundesministerium des Inneren zu stellen", heißt es dort. Das Bundesinnenministerium wiederum verneint, die Federführung gehabt zu haben. Sammelanhörungen würden von der Bundespolizei "in enger Zusammenarbeit mit den Ländern organisiert". Eine Aussage, die Dünnwald stutzen lässt: "Über die Abteilung B ist die Bundespolizei direkt dem Bundesinnenminister Thomas de Maizière unterstellt", sagt er. Folglich sei die Rolle des Bundesministeriums in dieser Angelegenheit größer, als es nun selbst vorgibt.

Der Grünen-Abgeordneten Christine Kamm reicht es nun: "Wir werden über eine schriftliche Anfrage klären lassen, wer wirklich diese Aktion am Flughafen veranlasst hat." Kamm hat noch die Worte eines jungen Senegalesen im Ohr: "Ich bin wie viele andere Senegalesen über das Mittelmeer gekommen. Meinen Sie, das war ein Spaß? Nein, das grenzt an Selbstmord."

© SZ vom 12.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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