SZ-Klimakolumne:Das Ringen um die Renaturierung

Lesezeit: 2 Min.

Eine junge Lärche. Durch das jüngst beschlossene EU-Renaturierungsgesetz sollen Ökosysteme künftig besser geschützt werden. (Foto: Matthias Bein/dpa)

Ein Großteil der natürlichen Lebensräume in der EU befindet sich in einem schlechten Zustand. Kann das EU-Renaturierungsgesetz Abhilfe schaffen?

Von Nadja Schlüter

Als ich 2011 nach München gezogen bin, war sie gerade abgeschlossen: die Renaturierung der Isar. Ich kenne den Fluss also gar nicht anders als mit Kiesbänken, Natursteinterrassen und sehr viel Grün drumrum. Aber damals wurde eben auch noch oft darüber gesprochen, wie gebändigt die Isar vorher war und wie viel schöner alles jetzt sei. Darum habe ich den Begriff "Renaturierung" lange Zeit vor allem mit diesem Münchner Projekt verbunden.

Jetzt hat sich das geändert: "Renaturierung" ist zu einem Buzzword in der Europapolitik geworden. An diesem Mittwoch hat das Europarlament in Straßburg für ein Gesetz zur Wiederherstellung der Natur gestimmt. Der Zustimmung ging ein heftiger Streit voraus, selten war das Parlament so entzweit (SZ Plus).

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Aber von vorne: Im Juni 2022 hatte die EU-Kommission das Gesetz vorgeschlagen. Das Gesetz sieht vor, dass bis 2030 ein Fünftel der Land- und Meeresflächen in Europa renaturiert werden, zum Beispiel, indem Moore wieder vernässt, alte Wälder erhalten oder Meeresböden mit Seegras bepflanzt werden. So soll der Kollaps von Ökosystemen verhindert werden. Der steht an vielen Orten kurz bevor: 80 Prozent der natürlichen Lebensräume in der EU befinden sich in einem schlechten Zustand - was auch schlecht fürs Klima ist. Denn nur eine intakte Natur hilft beim Klimaschutz - darum sollte mit dem EU-Renaturierungsgesetz auch ein besonderer Schwerpunkt auf Moore und Wälder als natürliche CO₂-Speicher gelegt werden.

Die Europäische Volkspartei (EVP), zu der auch CDU und CSU gehören, hat allerdings einen harten Kampf gegen das Gesetz geführt. Ihr Haupt-Argument: Das Gesetz gefährde landwirtschaftliche Flächen und damit die Ernährungssicherheit. Warum viele Ökologen das anders sehen, hat mein Kollege Benjamin von Brackel zusammengefasst (SZ Plus).

Die EVP hatte erreicht, dass das Gesetz im Umweltausschuss des EU-Parlaments durchgefallen ist. Die Abstimmung im Parlament war darum von vielen mit Sorge erwartet worden. Nun hat es für eine knappe Zustimmung gereicht. Mein Kollege und EU-Korrespondent Jan Diesteldorf findet, dass die EVP sich für ihre Machtprobe das falsche Gesetz ausgesucht hat, denn: "Die Natur wartet nicht auf zerstrittene Abgeordnete." (SZ Plus)

Final beschlossen ist das Gesetz noch nicht. Denn wie es eben so ist im komplizierten EU-Apparat, wird als Nächstes zwischen Parlament und Rat verhandelt. Wahrscheinlich wird es noch zu einigen Änderungen kommen. Das hat sich am Mittwoch schon abgezeichnet: Bei der Abstimmung über diverse Änderungsanträge bekam zum Beispiel ein Passus zur Renaturierung von Mooren keine Mehrheit.

Umweltverbände und Klimaaktivisten feiern den Beschluss trotzdem als Erfolg. Zurecht. Denn es ist das erste große Gesetz dieser Art für Europa. Wenn es gut läuft, wird es in Zukunft viele Orte geben, an denen wir davon schwärmen können, wie gut die Renaturierung ihnen getan hat. So wie es die Münchnerinnen und Münchner an ihrer Isar tun.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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