SZ-Klimakolumne:Abschied von den Fridays

Lesezeit: 2 min

Klimazukunft als Kernkompetenz: Fridays For Future (Foto: Bianca De March/dpa)

Über eine persönliche Entfremdung von der Klimabewegung - obwohl diese weiterhin so wichtig ist.

Kommentar von Vera Schroeder

Bei uns zu Hause gibt es eine Ecke hinterm Schrank, da lagern meine Demoplakate. "Klimaschützen ist kein Verbrechen" steht da drauf, oder "Alle Moore nass!" Seit 2019 gehe ich regelmäßig auf die globalen Fridays-for-Future-Demos und verbinde gute Gefühle mit diesen Umzügen. Ich stehe da nicht als Journalistin, die gerade arbeitet, sondern als Mutter, die den engagierten Jüngeren Solidarität und Unterstützung signalisieren will. Wobei es auch als Wissenschaftsjournalistin nicht schwer ist, den Sinn der FFF-Bewegung anzuerkennen. Deren Hauptziel besteht schließlich darin, alle daran zu erinnern, sich an das von der Staatengemeinschaft beschlossene Weltklimaabkommen zu halten. Dahinter wiederum stecken knallharte wissenschaftliche Erkenntnisse.

Es wäre herrlich, wenn wir keine Klimabewegung mehr bräuchten, weil alle kapiert hätten, worum es geht. Und nur noch um die Wege gestritten würde, wie man die Netto-Null möglichst schnell erreichen kann. Der Polarforscher Markus Rex macht dazu im Interview ein paar Vorschläge. Aber in der Realität wird Klimaschutz immer noch andauernd umgangen. Diese Woche zeigten neue Zahlen, dass das CO₂-Budget für das Erreichen des 1,5-Grad-Ziels noch schneller aufgebraucht ist, als bisher gedacht. Das liegt, so ordnet es dieser Kommentar ein, vor allem auch daran, dass in den vergangenen Jahren so wenig passiert ist. Gleichzeitig verkündet Bundesfinanzminister Christian Lindner, dass man "die Träume von einem Ausstieg aus dem Kohlestrom 2030" lieber beenden sollte.

Der SZ-Newsletter zur Klimakrise
:Klimafreitag - das wöchentliche Update

Einmal pro Woche - immer freitags - schreiben SZ-Autorinnen und Autoren über Klimakrise, Umweltschutz und Nachhaltigkeit.

Es gibt also einiges, für das es sich weiter zu demonstrieren lohnt. Bei der nächsten Fridays-Demo werde ich trotzdem nicht dabei sein. Es ist mir schon klar, dass ein dezentrales Netzwerk wie Fridays for Future vielstimmig ist und antisemitische Instagram-Kacheln auf einem internationalen Account weit weg von dem Engagement von zum Beispiel Menschen wie Luisa Neubauer sein können. Aber Klimademos hatten für mich immer auch ganz viel mit Sicherheit und Gefühlen zu tun. Sie sind im besten Fall ein Ort, an dem man Ängste und Sorgen, die man in Bezug auf die Klimakrise teilt, gemeinsam kanalisiert und in produktive Hoffnung umwandelt. Dafür brauche ich Menschen, denen ich politisch vertraue.

Die Haltungsschlachten und tendenziösen Mitläuferreflexe im Halbwissen, die man in Storys, Reels und Likes zum Nahen Osten bei einigen Fridays in den vergangenen Wochen immer wieder finden konnte, haben das entzaubert, was die Bewegung für mich ausgemacht hat: die Klarheit und Unbestechlichkeit der Jugend. Polarisierender Kachelaktivismus zu einem Thema, das mit Klimaschutz nur noch entfernt zusammenhängt, ist natürlich ebenfalls ein Recht der Jugend, solange es im Rahmen der Gesetze stattfindet. Aber mich entfremdet es.

Auf einem Plakat in meiner Sammlung steht der Spruch "Wir sind hier, wir sind viele, haltet Euch an Klimaziele". Der hintere Teil bleibt gültig. Ich bin gespannt, wie es mit den vorderen beiden Satzteilen weitergeht.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Klimakrise
:Der SZ-Klimamonitor

Wie wir Menschen die Erde zerstören - und wie wir sie noch retten können. Die wichtigsten Daten und Hintergründe zur größten Krise der Welt.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: