SZ-Klimakolumne:Abschied vom Klima-Märchenland

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Ölpumpe in der russischen Teilrepublik Tatarstan: Die fossilen Energien rückten auf der COP28 ins Zentrum. (Foto: ALEXANDER MANZYUK/REUTERS)

Erstmals ruft eine Klimakonferenz zur Abkehr von fossilen Energien auf. Die Einigung enthält zwar viele Schlupflöcher, entscheidend ist aber etwas anderes.

Von Christoph von Eichhorn

Wie soll man die Ergebnisse der Klimakonferenz in Dubai bewerten? In den vergangenen Tagen verging kaum eine Stunde, in der mich dazu keine E-Mail von Forschern, Thinktanks, Firmen erreichte. So richtig einig sind sich die Expertinnen und Experten nicht: Die einen sprechen von einem wichtigen Signal, dass nun zur Abkehr von den fossilen Energien aufgerufen wird. "Darauf lässt sich in Zukunft aufbauen", meint etwa Jan Steckel vom Klimaforschungs-Institut der Mercator-Stiftung. Zugleich beklagen viele, es sei unklar, wie das Ziel der Klimaneutralität erreicht werden soll. Die betreffende Passage sei schwach und lasse viele Schlupflöcher. "Nicht historisch, nur das Nötigste", findet Niklas Höhne, Leiter der Organisation New Climate Institute.

Manchmal hilft ein Blick zurück, um die Gegenwart klarer zu sehen. Vor 28 Jahren fand die erste UN-Klimakonferenz statt. Doch erst seit zwei Jahren geht es auf diesen Foren ernsthaft um fossile Energien - obwohl stets klar war, dass ihre Verbrennung die Hauptursache für die globale Erwärmung ist. Eine Änderung zeichnete sich erst auf der COP26 in Glasgow ab, als eine Abschlusserklärung zur Verringerung der Kohlenutzung aufrief. Selbst der Pariser Klimavertrag von 2015 erwähnt die "fossil fuels" auf 60 Seiten kein einziges Mal. Das alles ist ungefähr so, als würden Mediziner ein Vierteljahrhundert lang regelmäßig Konferenzen zu Lungenkrebs abhalten - ohne jemals das Rauchen als Ursache zu benennen.

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So gesehen hat die Klimadiplomatie dieses potemkinsche Dorf gerade erst verlassen. "Jetzt ist der weiße Elefant auf den Tisch gekommen, man spricht über Kohle, Öl und Gas", sagt Klimaökonom Ottmar Edenhofer im SZ-Interview. Das sei "ein Riesenfortschritt".

Noch etwas ist ins Rollen gekommen auf dieser COP, der Fonds für "Schäden und Verluste" aus der Klimakrise steht. Reiche Länder sollen in diesen Fonds einzahlen, damit arme Länder wenigstens einige Schäden ersetzt bekommen, die der Klimawandel bei ihnen anrichtet. Welchen Unterschied das machen kann, erfahren Sie in dieser Reportage von Michael Bauchmüller. Er war in Dubai mit einem Verhandler aus Guinea unterwegs. Das Land steht auf dem "Human Development Index" der UN auf Platz 182 von 191, seine Einwohner kämpfen infolge der Erderwärmung ums Überleben.

Falls Sie noch weiter als ein Vierteljahrhundert in die Vergangenheit schauen wollen, empfehle ich Ihnen dieses Interview mit Michael Mann, er erforscht die Klimageschichte des Planeten. Spoiler: Ein ähnlich hoher CO₂-Gehalt in der Atmosphäre wie jetzt herrschte auf der Erde schon einmal - vor drei Millionen Jahren. Damals sah es hier etwas anders aus als heute.

(Dieser Text stammt aus dem wöchentlichen Newsletter Klimafreitag, den Sie hier kostenfrei bestellen können.)

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