Rüstungsindustrie:Wieso Thyssenkrupp seine Werften verkauft

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Dieses U-Boot für die israelische Armee wurde in der Kieler Werft von Thyssenkrupps Marinesparte gebaut. Der Konzern will das Geschäft verkaufen. (Foto: imago stock&people)

Ein US-Investor will den größten Hersteller von U-Booten übernehmen - ein heikles Geschäft. Und es könnte der Startschuss sein für eine Neuordnung der wichtigen Branche.

Von Björn Finke, Düsseldorf

Die deutsche Werftengruppe ist Weltmarktführer für nicht-atomgetriebene U-Boote - und könnte bald mehrheitlich einem US-Finanzinvestor gehören: Der Essener Stahl- und Technologiekonzern Thyssenkrupp verkündete am Dienstag, dass sich Carlyle, eine große amerikanische Investmentgesellschaft, nun die Bücher der Werftentochter Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) genauer anschaue. Beide Seiten sprechen schon länger über einen Einstieg, jetzt beginne "eine vertiefende Prüfung und Bewertung", die sogenannte Due Diligence, heißt es in der Mitteilung. Ziel sei ein Teilverkauf, Thyssenkrupp möchte also Anteile behalten. Zudem soll die Bundesregierung einen Minderheitsanteil übernehmen. Auch hier laufen die Verhandlungen weiter.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Bloomberg wollen die Amerikaner die Mehrheit erwerben; die Gruppe mit 7800 Beschäftigten - davon 3100 in Deutschlands größter Werft in Kiel - könnte mit 1,5 Milliarden Euro bewertet werden. Der zuständige Thyssenkrupp-Vorstand Volkmar Dinstuhl betonte jedoch, der Einstieg Carlyles sei nur "eine von mehreren Optionen".

Neben U-Booten fertigt TKMS Fregatten, Korvetten, Elektroniksysteme für die Marine sowie Anlagen zur Bergung alter Munition. Das Unternehmen hat Aufträge für zwölf Milliarden Euro in den Büchern - und die stammen noch aus der Zeit vor der sicherheitspolitischen Zeitenwende, also vor dem Überfall der Ukraine durch Russland. Regierungen haben seitdem gelobt, mehr in ihre Armeen und die Marine zu investieren. Davon möchte TKMS profitieren. Werftenchef Oliver Burkhard schätzt, dass sich die Nachfrage in den kommenden zehn Jahren verdoppeln oder verdreifachen wird. Um das zu bewältigen, werden sich manche Werften in Europa zusammenschließen müssen, sagen Beobachter.

Der Einstieg eines Finanzinvestors bei TKMS könnte der erste Schritt solch einer Konzentrationswelle sein. Schließlich wollen diese Investoren ihre Beteiligungen nach einigen Jahren mit Gewinn versilbern - über einen Börsengang oder den Verkauf an andere Unternehmen. Miguel López, der Vorstandsvorsitzende der Konzernmutter Thyssenkrupp, sagte dazu bei der Hauptversammlung im Februar, TKMS abzuspalten sei "ein unverzichtbarer Schritt zu einer möglichen nationalen und europäischen Konsolidierung" der Werftenbranche.

Der Konzern hat einfach kein Geld

Die Aussichten für die Tochter sind blendend: Dass Thyssenkrupp die Sparte trotzdem verkaufen will, ist purer Geldnot geschuldet. Die Werftengruppe, die früher Howaldtswerke-Deutsche Werft (HDW) hieß, benötigt hohe Investitionen. Außerdem muss Thyssenkrupp Kunden gegenüber milliardenschwere Finanzgarantien abgeben, damit sich die Abnehmer sicher sein können, dass die Werften die U-Boote und Fregatten wirklich fertig bauen können. Wegen dieser Belastungen sucht López einen Käufer - wie schon seine Vorgängerin Martina Merz, die im vorigen Frühjahr abtrat.

Diese Finanzgarantien sind zugleich der Grund dafür, dass die Bundesregierung als Minderheitseigner benötigt wird. Ohne den Bund als Partner würde es einem unabhängigen Anbieter TKMS schwerfallen, diese Garantien aufzubringen. Zudem könnte die Bundesregierung über ihren Anteil darauf hinwirken, dass bei einer Fusion mit Werften im Ausland Deutschland die Führung behält und die hiesigen Standorte kein strategisch wichtiges Fertigungs-Know-how verlieren. Dass der Bund wirklich einsteigt, ist allerdings nicht komplett ausgemacht - genauso wenig wie die Mehrheitsübernahme durch Carlyle. Doch immerhin habe die Bundesregierung "uns erst kürzlich zugesichert, einen Staatseinstieg zu prüfen", wie Thyssenkrupp-Chef López sagt. Dies sei "ein bedeutender Zwischenschritt auf dem Weg zur Verselbstständigung des Geschäfts". Diese Prüfung der Vor- und Nachteile übernimmt die staatliche Förderbank KfW; Ende März soll ein Zwischenbericht vorliegen.

Ein Sprecher der IG Metall forderte am Dienstag, dass der Bund eine Sperrminorität der Anteile halten müsse, um unliebsame Entscheidungen verhindern zu können. Die Gewerkschaft wolle jetzt rasch Gespräche mit Carlyle beginnen; Standorte, Arbeitsplätze und Mitbestimmungsrechte müssten gesichert bleiben.

Für einen Börsengang gibt es ein Vorbild

Carlyle gehören in Deutschland unter anderem schon der Bahntechnik-Zulieferer Schaltbau und die ehemalige Siemens-Getriebetochter Flender. Sollte so ein Finanzinvestor zum Zuge kommen, könnte er später auch versuchen, sein Geld über einen Börsengang hereinzuholen anstatt über einen Verkauf an andere Werftengruppen. Dafür gibt es ein Vorbild: den Rüstungselektronikspezialisten Hensoldt. Das Unternehmen aus Taufkirchen bei München war ursprünglich die Radarsparte des Luft- und Raumfahrtkonzerns Airbus. 2017 übernahm der amerikanische Finanzinvestor KKR die Firma und brachte sie 2020 an die Börse. Inzwischen sind die Aktien im Index MDax gelistet, wie die Papiere von Thyssenkrupp.

Thyssenkrupp-Chef López, ein früherer Siemens-Manager, will nicht nur TKMS abspalten, sondern genauso die kriselnde Stahlsparte. Die benötigt ebenfalls hohe Investitionen, etwa für den klimafreundlichen Umbau der Produktion. Doch Geld ist bei Thyssenkrupp chronisch knapp: Katastrophale Fehlinvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und den USA führten vor gut zehn Jahren zu Milliardenverlusten, von denen sich die Firma nie wieder richtig erholt hat. Und neben den Werften und dem Stahl brauchen auch die anderen Bereiche des Unternehmens Geld, um ihr Wachstum zu finanzieren. So ist Thyssenkrupp als Automobilzulieferer, Maschinenbauer und Werkstoffhändler unterwegs und hat eine börsennotierte Tochter, die Elektrolyseure zur Wasserstoffgewinnung fertigt.

Bei der Stahlsparte verhandelt López seit Monaten mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský über einen Einstieg, aber die Gespräche stocken, unter anderem wegen der miesen Konjunktur. Vielleicht kommt der Vorstandsvorsitzende bei den Werften schneller ans Ziel.

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