Industrie:Firmensammler hat Interesse an Thyssenkrupps Stahlsparte

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Hochofen von Thyssenkrupp in Duisburg: Der Konzern sucht Partner oder Käufer - und ist nun offenbar fündig geworden. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Konzern verhandelt mit dem Milliardär und Metro-Großaktionär Daniel Křetínský über einen Einstieg. Neben Geld würde der Tscheche noch etwas anderes sehr Wichtiges in die Partnerschaft einbringen.

Von Björn Finke, Düsseldorf

Der Tscheche ist einer der reichsten Europäer, er sammelt Firmenbeteiligungen wie andere Menschen Briefmarken - auch in Deutschland: So ist Daniel Křetínský Großaktionär des Handelskonzerns Metro, und er hat Vattenfall seine ostdeutsche Braunkohlesparte abgekauft. Mit der Bundesregierung stritt der 48-Jährige hier über das Enddatum der Kohleförderung. Bald könnten Křetínský und sein EPH-Konzern bei Deutschlands wichtigstem Stahlkonzern ebenfalls mitmischen. Denn Thyssenkrupp sucht Käufer oder zumindest Investoren für die Tochter Thyssenkrupp Steel. Aus einem größeren Feld möglicher Interessenten ist Křetínský vorerst als einziger übrig geblieben, wie es in Thyssenkrupps Umfeld heißt.

Der Tscheche würde die Sparte mit ihren gut 26 000 Beschäftigten allerdings nicht komplett übernehmen, sondern nur einen 50-Prozent-Anteil erhalten. Der Rest bliebe zunächst beim Mutterunternehmen, dem Essener Mischkonzern Thyssenkrupp. Die Verhandlungen könnten bis Jahresende abgeschlossen sein, ist zu hören - sie könnten aber auch scheitern. Zuerst hat das Handelsblatt über die Pläne berichtet.

Křetínský galt schon länger als Interessent, doch das traf genauso auf andere zu, etwa auf Stahlkonzerne aus Brasilien, Indien und den Vereinigten Arabischen Emiraten oder auf Finanzinvestoren. Deren Anbandelungsversuche sind allerdings versandet. Zu Křetínský hingegen äußerte sich Thyssenkrupps Stahlsparten-Chef Bernhard Osburg bereits vor drei Wochen wohlwollend: Ein möglicher Einstieg des Tschechen habe "eine Logik, die man nicht wegwischen kann", sagte er. Tekin Nasikkol, der Konzernbetriebsratsvorsitzende von Thyssenkrupp, sagte zur gleichen Zeit, er habe nichts "gegen Milliardäre, die bereit sind, für den Stahl zu investieren", aber er wolle erst einmal Křetínskýs Konzept für die Sparte sehen.

Inzwischen sind die Arbeitnehmervertreter jedoch sauer darüber, dass die Gespräche des Managements über einen Einstieg so konkrete Formen angenommen haben, ohne dass sie informiert worden seien: "Das ist eine Riesenbelastung für die kommenden Verhandlungen", sagte Detlef Wetzel der Tageszeitung WAZ. Der frühere Vorsitzende der IG Metall ist Vizechef des Aufsichtsrats bei der Stahlsparte.

Hohe Investitionen sind nötig

Die Stahlwerke sind der Ursprung des Konzerns, in Duisburg betreibt Thyssenkrupp das größte Stahlwerk Europas. Trotzdem wird immer wieder über eine Trennung von der Sparte diskutiert. Schon zur Jahrtausendwende wollte der damalige Vorstandschef Gerhard Cromme den Bereich an die Börse bringen, was aber nicht gelang. Später scheiterten Fusionen mit den Rivalen Tata und Liberty Steel. Dass sich die Konzernmutter so ausdauernd an einer Abspaltung versucht, hat vor allem zwei Gründe. So ist das Stahlgeschäft sehr konjunkturabhängig, bringt im Boom also hohe Gewinne ein, häuft jedoch im Abschwung schnell Verluste an. Zugleich sind hohe Investitionen nötig. Hier gibt es Nachholbedarf, denn während der Gespräche mit Tata zwischen 2016 und 2019 hatte Thyssenkrupp gespart.

Der Klimaschutz erhöht den Bedarf an Investitionen zusätzlich - und zwar kräftig: Bisher steht allein das Duisburger Stahlwerk für 2,5 Prozent aller deutschen CO₂-Emissionen. Der Konzern muss daher in den kommenden Jahren viele Milliarden Euro investieren, um die Stahlproduktion klimafreundlich zu machen. Schon im März vergab das Unternehmen den Auftrag, einen der vier Hochöfen im Duisburger Werk durch eine sogenannte Direktreduktionsanlage zu ersetzen. Die produziert Eisen nicht mit Koks und Kohle, sondern mit klimafreundlich hergestelltem Wasserstoff. Bund und Land unterstützen Bau und Betrieb des grünen Wunderofens mit zwei Milliarden Euro. Die Politik wird deshalb sehr genau prüfen, was der Einstieg eines Partners für den Standort und die hoch subventionierte Anlage bedeutet.

Der Tscheche kann Ökostrom liefern

Die Umstellung von Hochöfen auf Direktreduktionsanlagen wird zur Folge haben, dass das Stahlwerk künftig sehr, sehr viel grünen Strom benötigt. Und das wiederum ist der Grund dafür, dass Stahlchef Osburg bei einer Partnerschaft mit Křetínský eine "Logik" erkennen will. Denn zu Křetínskýs Firmengruppe gehören Kraftwerke, und der Tscheche will insbesondere die Produktion von Ökostrom massiv ausbauen. In Zukunft könnte die Stahlsparte also grünen Strom verlässlich und billig vom Co-Eigentümer beziehen.

Ein Knackpunkt wird der Kaufpreis sein. Auf Thyssenkrupps Stahlsparte lasten fast drei Milliarden Euro an Pensionsverpflichtungen, für die ein neuer Eigner oder Investor geradestehen muss. Diese Bürde ist die Konzernmutter dann los. Ob darüber hinaus noch ein nennenswerter Geldbetrag fließen wird, ist offen.

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