Energiewende:Thyssenkrupp-Tochter wächst mit Wasserstoff

Lesezeit: 2 min

Bei der Bilanzvorlage präsentieren Nucera-Chef Werner Ponikwar und sein Finanzvorstand Arno Pfannschmidt das Modell eines Elektrolyseurs. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Die Dortmunder Firma Nucera stellt Anlagen her, die den grünen Energieträger produzieren. Die Umsätze steigen rasant, dennoch erwartet der Chef nun einen Verlust.

Von Björn Finke, Dortmund

Auf dem Tisch steht das längliche Modell einer Anlage mit Rohren, Gittern und allerlei Aufbauten. Viele Teile sind in Lila gehalten, was recht ungewöhnlich für Industriemaschinen ist. Aber Lila ist die Firmenfarbe von Thyssenkrupp Nucera. Und das Modell stellt den Elektrolyseur dar, mit dem das Dortmunder Tochterunternehmen des Mischkonzerns Thyssenkrupp viel Geld verdienen und die Energiewende unterstützen will.

Im Juli brachte Thyssenkrupp die Tochter an die Börse, hält jedoch weiterhin die Mehrheit der Anteile. Am Montag präsentierte Nucera-Chef Werner Ponikwar in Dortmund die erste Jahresbilanz nach dem Schritt aufs Parkett, das Geschäftsjahr geht bis Ende September. Und am Rand des Vortragsraums stand das Modell des Elektrolyseurs, den Nucera baut. Diese Geräte sind im Original 40 Meter lang und fünf Meter breit. Sie spalten Wasser mithilfe von Elektrizität in Wasser- und Sauerstoff. Wird Ökostrom genutzt, ist der Wasserstoff klimafreundlich und wird grün genannt. Solch grüner Wasserstoff ist eine Säule der Energiewende. Er soll Erdgas, Kohle und Ölprodukte in Chemiefabriken oder Stahlhütten, in Kraftwerken oder Schiffsantrieben ersetzen.

Elektrolyseure sind also ein Zukunftsmarkt, und Nucera soll darin "eine zentrale Rolle" spielen, wie Vorstandschef Ponikwar sagt. Im vergangenen Jahr stieg der Umsatz mit Wasserstoff-Elektrolyseuren um mehr als das Sechsfache auf 323 Millionen Euro. Daneben stellt das Unternehmen Elektrolyseure zur Chlor-Produktion her, in diesem älteren Geschäftsbereich stagnierten die Erlöse. Daher legte der Gesamtumsatz um gut zwei Drittel auf 653 Millionen Euro zu. Unter dem Strich blieben 23 Millionen Euro als Gewinn hängen, mehr als dreimal so viel wie im Vorjahr. Die Zahl der Beschäftigten nahm in den zwölf Monaten um ein Drittel zu, inzwischen sind es 750 weltweit.

Im laufenden Geschäftsjahr bis September 2024 soll der Umsatz Ponikwar zufolge noch einmal im mittleren zweistelligen Prozentbereich wachsen. Das ergibt sich aus den bereits gewonnenen Aufträgen für Wasserstoff-Elektrolyseure, die Nucera abarbeiten muss. Auch die Zahl der Jobs soll wieder um mehrere Hundert steigen. Der Manager will zudem die Produktion stärker automatisieren und die Fertigungskapazitäten ausbauen. Derzeit kann Nucera pro Jahr Elektrolyseure mit einer Gesamtleistung von gut 1,5 Gigawatt herstellen. Bis Herbst 2026 soll die Kapazität fünf Gigawatt jährlich betragen.

Auch in Deutschland zieht die Nachfrage nun an

Die Investitionen in diese Vergrößerung werden dazu führen, dass Nucera im laufenden Geschäftsjahr einen Verlust vor Zinsen und Steuern im mittleren zweistelligen Millionenbereich ausweisen wird, so die Prognose des Vorstands. Die Aktionäre störte dieser angekündigte Verlust nicht. Sie kauften Nucera-Papiere, weswegen der Kurs am Montag um fast vier Prozent stieg - allerdings immer noch unter dem Ausgabepreis beim Börsengang von 20 Euro liegt.

Nuceras Elektrolyseure sollen unter anderem bei einem der größten Wasserstoffprojekte in Europa zum Einsatz kommen: In Schweden wird ein klimafreundliches Stahlwerk gebaut, das Eisen nicht mit Koks und Kohle, sondern mit grünem Wasserstoff gewinnt. Daneben hat das Unternehmen erste Anlagen ausgeliefert, die in Neom Wasserstoff produzieren sollen, der neuen Stadt, die in Saudi-Arabien hochgezogen wird. Dies ist das weltweit umfangreichste grüne Wasserstoffvorhaben.

Vorstandschef Ponikwar schätzt, dass in den kommenden 20 Monaten viele neue Aufträge an Land gezogen werden: Nucera verhandele gerade über Order im Volumen von gut acht Milliarden Euro, und von denen sollten bis Herbst 2025 zwei Drittel unterschriftsreif sein, verspricht der 54-Jährige. Im Heimatmarkt Deutschland verfolgt Nucera bisher wenige Projekte, die Nachfrage sei gering. "Aber das ändert sich gerade", sagt der Vorstandsvorsitzende.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusMeinungUnternehmen
:Deutschlands Manager, das heimliche Standortproblem

Vorstandschefs schimpfen gerne über die Politik. Über ihr eigenes Versagen sprechen sie eher ungern. Dabei ist die Mittelmäßigkeit in vielen Chefetagen längst ein Risiko für den Standort Deutschland.

Essay von Meike Schreiber

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: