Stahlkonzern:Thyssenkrupp: Haben Subventionen "in der Tasche"

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Thyssenkrupp-Chef Miguel López am Mittwoch bei der Bilanzvorstellung: Der Manager fordert bessere Ergebnisse. (Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Konzernchef sieht das Urteil des Verfassungsgerichts entspannt, der Förderbescheid der Bundesregierung für die Stahlsparte liege bereits vor. Genau dieser Geschäftsbereich bereitet gerade wieder Probleme - und hat eine ungewisse Zukunft.

Von Björn Finke, Essen

Wohl dem, der früh seinen Scheck erhält: Schon Ende Juli überreichte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck Thyssenkrupp eine Förderzusage über zwei Milliarden Euro Subventionen von Bund und Land. Der Geldsegen unterstützt den Bau einer klimafreundlichen Anlage in Europas größtem Stahlwerk in Duisburg. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von voriger Woche weiß die Bundesregierung aber nicht mehr, wie sie Klimaschutz-Subventionen für Industrie und Energiewirtschaft finanzieren soll. Doch die Mittel für Thyssenkrupps Stahlsparte können nicht gekürzt werden, da der Bescheid bereits vorliegt. "Das ist in der Tasche", sagte Thyssenkrupps Vorstandschef Miguel López am Mittwoch in Essen.

Der Deutsch-Spanier präsentierte dort die Jahreszahlen des MDax-Konzerns. Und er warnte, dass der Richterspruch durchaus Folgen für andere Stahlhersteller haben könnte, die noch auf ihren Förderbescheid warten. Das Urteil aus Karlsruhe bedeutet, dass im Klima- und Transformationsfonds (KTF) der Bundesregierung auf einmal 60 Milliarden Euro fehlen. Der Fonds unterstützt unter anderem den grünen Umbau der Wirtschaft. Das Geld war ursprünglich für Maßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise bestimmt, wurde aber nicht abgerufen. Die Ampelregierung schichtete es in den KTF um - was die Richter nun untersagten.

Thyssenkrupps Stahlsparte ist indirekt jedoch sehr wohl betroffen von der Unsicherheit. Denn das Unternehmen will Roheisen künftig nicht mehr mit Koks und Kohle, sondern mit klimafreundlich erzeugtem Wasserstoff herstellen. Dafür benötigt das Stahlwerk in Duisburg Riesenmengen an grünem Wasserstoff und Ökostrom. Die KTF-Mittel sollen auch beim Knüpfen eines Wasserstoff-Pipelinenetzes helfen oder beim Bau klimafreundlicher Kraftwerke - Verzögerungen hier wären schlecht für Thyssenkrupp.

Stahlsparten-Chef Bernhard Osburg forderte daher bereits Anfang der Woche einen Transformationsgipfel unter Führung von Bundeskanzler Olaf Scholz: "Es braucht Planungssicherheit", sagte er. Die Ampelkoalition müsse sich entscheiden, ob sie den KTF aus anderen Quellen füllen oder "sich von ihren Klimazielen verabschieden" wolle.

Zwei Milliarden Euro Verlust

Die Stahlsparte bereitet Thyssenkrupp gerade ohnehin Probleme. Der Essener Mischkonzern, der auch als Werkstoffhändler, Autozulieferer, Maschinenbauer und Werftenbetreiber tätig ist, verringerte den Wert der Stahltochter in der Bilanz um 2,1 Milliarden Euro. Diese Abschreibung ist eine Reaktion darauf, dass das Unternehmen kurz- und langfristig niedrigere Gewinne im Stahlbereich erwartet: wegen der schlechten Konjunktur, steigender Kosten, härterer Konkurrenz und höherer Zinsen. Deshalb verzeichnete die Firma mit weltweit fast 100 000 Beschäftigten unter dem Strich gut zwei Milliarden Euro Verlust für das abgelaufene Geschäftsjahr. Das endete im September. Das bereinigte Betriebsergebnis sank um zwei Drittel auf gut 700 Millionen Euro, der Umsatz fiel um ein Zehntel.

Besonders stark schrumpfte das Betriebsergebnis im Werkstoffhandel und der Stahlsparte. Finanzvorstand Klaus Keysberg klagte über die schwache Stahlnachfrage, etwa aus der Autoindustrie, gestiegene Energie- und Rohstoffpreise und die heftige Konkurrenz durch chinesische Stahlhütten. Vorstandschef López, der den Konzern seit Juni führt, ergänzte, die Asiaten würden weniger in Klimaschutz investieren und hätten daher zunächst Vorteile.

Erfreulichstes Finanzergebnis war, dass dem Konzern im abgelaufenen Geschäftsjahr wieder mehr Geld zufloss, der sogenannte Free Cashflow war wieder positiv, die Liquidität stieg also und sank nicht mehr. López nannte dies "einen Schritt in die richtige Richtung, aber es reicht bei Weitem noch nicht aus". Der frühere Siemens-Manager monierte, die Leistungsfähigkeit Thyssenkrupps sei "schon seit Jahren" unbefriedigend: "Wir verdienen zu wenig Geld." Das strapaziere die Eigentümer - die Aktionäre - und schwäche die Investitionskraft. "Es gibt die deutliche Erwartung an uns, das endlich in den Griff zu kriegen", sagte er.

López hat Thyssenkrupp deshalb bereits ein "Performance-Programm" verordnet, um profitabler zu werden und zu Wettbewerbern aufzuholen. Der Fokus liege hier nicht auf Einsparungen, sondern darauf, gewinnträchtiges Wachstum zu schaffen, betonte der 58-Jährige.

Die Gespräche zur Zukunft des Stahls ziehen sich hin

Zudem sucht das Unternehmen Käufer oder Partner für die Werftensparte "Marine Systems", den Weltmarktführer für nicht atomgetriebene U-Boote, sowie für das Stahlgeschäft. Beim Stahl verhandelt López mit dem tschechischen Milliardär Daniel Křetínský. Der ist unter anderem Großaktionär des Handelskonzerns Metro, außerdem hat er Vattenfall dessen ostdeutsche Braunkohlesparte abgekauft. Křetínskýs Energieholding EPH besitzt Kraftwerke in mehreren Ländern und will massiv in Ökostrom investieren. Thyssenkrupps Stahlwerk wird künftig sehr viel Ökostrom und grünen Wasserstoff benötigen - daher könnte eine "Energiepartnerschaft" mit EPH der Stahltochter "signifikante Wettbewerbsvorteile" bescheren, schwärmte López. Geplant sei ein Joint-Venture, also eine Gemeinschaftsfirma.

Dies soll so aussehen, dass Křetínský 50 Prozent der Anteile an der Stahlsparte übernimmt. Deren Wert in Thyssenkrupps Bilanz beträgt nach der Abschreibung nur noch 3,6 Milliarden Euro. Allerdings belasten auch Pensionsverpflichtungen über 2,6 Milliarden Euro dieses Geschäft - nach deren Abzug bleibt eine Milliarde Euro als Wert übrig. Die schlechte Stahlkonjunktur und die Unsicherheit, ob und wie die Bundesregierung den grünen Umbau der Industrie weiter fördern kann, dürften die Verhandlungen mit Křetínský nicht einfacher machen. Früher hieß es, López strebe eine Einigung bis Oktober oder November an. Jetzt sagte der Manager lediglich, die Gespräche würden "noch Zeit in Anspruch nehmen".

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