Energie:So wollen die EU-Staaten die Strompreise zähmen

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Drei Windräder mit 166 Metern Nabenhöhe können am Autobahnkreuz München-Süd entstehen (Foto: Andreas Franke/Imago)

Die Mitgliedstaaten einigen sich nach langen Verhandlungen auf einen Kompromiss für die Reform des Strommarkts. Zu erst musste dafür ein Streit mit Frankreich gelöst werden.

Von Jan Diesteldorf, Brüssel

Stromkunden in der EU sollen künftig besser vor überschießenden Preisen geschützt werden. Die EU-Energieminister erzielten bei ihrem Treffen in Luxemburg am Dienstagabend einen Durchbruch bei der Reform des europäischen Strommarkts. Die zielt darauf ab, die Strompreise von den Preisen fossiler Energieträger zu entkoppeln und den Ausbau der erneuerbaren Energien zu beschleunigen. Während der Energiekrise im vergangenen Jahr hatten vor allem die hohen Gaspreise zu überschießenden Preisen an Europas Strombörsen geführt. Bis zuletzt hatte ein Streit zwischen Frankreich und Deutschland eine Einigung in der Sache verhindert.

"Europa hat heute Handlungsfähigkeit bewiesen", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach der Einigung. Damit verbessere sich der "Zugang von Verbraucherinnen und Verbrauchern sowie Industrie zu günstigen Strompreisen in ganz Europa".

Die Reform ist ein wirtschaftspolitisch ambitioniertes Vorhaben. Im Energiebereich ist der europäische Binnenmarkt nicht vollendet, Strom fließt nicht nahtlos über die Binnengrenzen der EU und der Energiemix der Mitgliedstaaten ist sehr unterschiedlich. Die Kommission hatte sich deshalb dazu entschieden, die Regeln zu vereinheitlichen und einen Mechanismus zu schaffen, der die Preise im Zaum hält.

Zum Kern der Verordnung gehören sogenannte zweiseitige Differenzverträge oder Contracts for Difference, kurz CFDs. Dabei vereinbaren Behörden und Stromerzeuger für eine bestimmte Zeit, beispielsweise 20 Jahre, einen Preiskorridor. Ist der Preis am Markt geringer als die untere Grenze, gleicht der Staat die Differenz aus. Übersteigt der Preis die Obergrenze, zahlen die Kraftwerksbetreiber an den Staat, der das Geld dann umverteilen kann. Übergewinne würden so automatisch abgeschöpft. Das soll den EU-Staaten zusätzliche Mittel für den Ausbau der erneuerbaren Energien verschaffen.

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Der von der spanischen Ratspräsidentschaft formulierte Kompromiss sieht nun vor, dass CFDs für langfristige Verträge mit öffentlicher Finanzierung zur Regel werden sollen - bedingungslos aber nur für Investitionen in neue Windkraftwerke, Photovoltaikanlagen, Geothermie, Wasserkraft ohne Stausee und Kernenergie.

Eine Reihe von Ländern, darunter Deutschland, hatte bis zuletzt die Sorge, Frankreich könne seinen staatlich verwalteten Atomkraftwerken einen künstlich niedrigen Preis verordnen, die Milliardengewinne abschöpfen und mit einer Art dauerhafter Strompreisbremse flächendeckend Industrie und Verbraucher subventionieren. Das hätte die strengen EU-Vorgaben für staatliche Subventionen ausgehebelt und den Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten verzerrt, so die Befürchtung. Strittig war, ob die CFDs unbegrenzt für Laufzeitverlängerungen von bereits bestehenden Kraftwerken genutzt werden können, obwohl das im Vergleich zum Neubau nur geringe Investitionen erfordert. Das wurde gestrichen. Der Ratskompromiss enthält nun Klauseln, die bei der Unterstützung bestehender Anlagen mit CFDs die Wahrung des fairen Wettbewerbs vorschreiben. Die Kommission soll das überwachen.

Bevor die Verordnung Gesetzeskraft erlangt, müssen sich der Rat der Mitgliedstaaten und das EU-Parlament nun noch auf eine gemeinsame Position verständigen.

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