Telekommunikation:Wieso Vodafones Chef gehen muss

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Vodafone-Zentrale in Düsseldorf: Der Konzern schneidet in seinem wichtigsten Markt Deutschland schwächer als Rivalen ab. (Foto: Federico Gambarini/dpa)

Das kriselnde Unternehmen verliert Marktanteile an Rivalen wie die Deutsche Telekom. Philippe Rogge hat gegengesteuert, aber große Erfolge lassen auf sich warten. Nun soll es ein anderer richten.

Von Björn Finke, Düsseldorf

Vodafone Deutschland tauscht nach nicht einmal zwei Jahren den Chef aus: Der Belgier Philippe Rogge, 54, verlässt das Düsseldorfer Unternehmen Ende des Monats und wird vom bisherigen Privatkundenvorstand Marcel de Groot, 56, ersetzt. Dies teilte die Tochter der britischen Vodafone-Gruppe am Freitag überraschend mit. Die Telekommunikationsfirma nennt keinen Grund dafür. Im Konzern heißt es, Rogge habe bei dem kriselnden Unternehmen zwar den Abwärtstrend gestoppt, doch das Wachstum falle bisher nur schwach aus, große Erfolge ließen auf sich warten. Der Neue solle Vodafone jetzt wieder in die Offensive bringen.

De Groot lässt sich in der Mitteilung im schönsten Managersprech damit zitieren, dass er "auf Angriff schalten" wolle. Der Niederländer arbeitet seit 2008 bei Vodafone und leitet seit zwei Jahren das deutsche Verbrauchergeschäft. Er gibt als Ziel aus, neu zu erschaffen, "was schon immer in uns steckt: ein starker, schneller, mutiger und erfolgreicher" Telekommunikationskonzern. Unter anderem solle es Innovationen für die Kunden geben.

Die Deutschlandtochter ist die wichtigste Sparte von Vodafone und steht für fast ein Drittel des Konzernumsatzes. Sie zählt 15 000 Beschäftigte - ein Drittel davon in Düsseldorf -, mehr als 30 Millionen Handy-, zehn Millionen Internet- und zwölf Millionen TV-Kabelkunden. Als der frühere Microsoft-Manager Rogge im Sommer 2022 anfing, steckte das Deutschlandgeschäft aber in der Krise.

Der Sohn von Jacques Rogge, dem verstorbenen Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees, folgte damals dem Österreicher Johannes Ametsreiter nach. Der hatte auf vollmundige Werbeversprechen gesetzt, doch nicht genug in den Netzausbau investiert. Als nach Ausbruch der Pandemie viele Menschen von zu Hause aus arbeiteten und an Videokonferenzen teilnahmen, waren Vodafones TV-Kabel mit dem Internetverkehr überfordert.

Philippe Rogge im Vodafone-Hochhaus in Düsseldorf: Er hat ins Netz investiert. (Foto: IMAGO/Funke Foto Services)

Die Nutzer waren sauer, Vodafone verlor Kunden, im Festnetz und beim Mobilfunk. Rogge verabschiedete sich daher von allzu aggressiven Werbeversprechen und investierte ins Netz und den Service. Ihm gelang es, die Kundenflucht beim Mobilfunk zu stoppen: Die Zahl der Nutzer wächst wieder - allerdings langsamer als bei den Rivalen Deutsche Telekom oder Telefónica Deutschland (O2). Vodafone büßt also Marktanteile ein. Im Festnetz gab Rogge höhere Kosten weiter, indem er die Preise anhob. Dies beschert Vodafone steigende Umsätze, zugleich kündigen jedoch Kunden. Die Zahl der Abgänge sank aber zuletzt.

Im Geschäft mit TV-Kabelanschlüssen droht Vodafone zusätzliches Ungemach. Von Juli an ist es verboten, dass Hausbesitzer ungefragt Kabelanschlüsse für ihre Mieter bereitstellen und die Gebühren als Nebenkosten abrechnen. Stattdessen haben Mieter künftig die Wahl, ob und bei welchem Anbieter sie Kabelfernsehen ordern wollen. Von der bisherigen Regelung hat Vodafone stark profitiert - und dürfte jetzt einige Anschlüsse verlieren.

Beim Glasfaserausbau, also besonders schnellen Internetleitungen, hinkt Vodafone Rivalen wie der Deutschen Telekom hinterher. Vor einem halben Jahr startete jedoch eine Gemeinschaftsfirma von Vodafone und dem Breitbandanbieter Altice, die binnen sechs Jahren bis zu sieben Millionen Haushalte anschließen will.

Hat Vodafone sein Netz an 1&1 verramscht?

Auf dem Handymarkt unterzeichneten Vodafone und der Rivale 1&1 im August einen wichtigen Vertrag. 1&1 baut gerade ein viertes Handynetz in Deutschland auf, aber das wird noch Jahre dauern. Das Abkommen besagt, dass 1&1-Kunden bis dahin Vodafones Netz nutzen dürfen, auch in 5G-Geschwindigkeit. Zuvor hatte 1&1 eine ähnliche Vereinbarung mit Telefónica Deutschland. Dass die Tochter von United Internet nun zu Vodafone wechselt, ließ den Aktienkurs von Telefónica abstürzen.

Der Vertrag zwischen Vodafone und 1&1 wird von den anderen Netzbetreibern allerdings kritisch gesehen, weil er den wertvollen Zugang zu sehr günstigen Konditionen gewährt. Dem Vernehmen nach wurde das Geschäft von der Vodafone-Konzernführung in London ausgehandelt und nicht von Rogge.

Der neue Chef Marcel de Groot arbeitet seit 2008 für Vodafone. (Foto: dpa)

Um Kosten zu senken, strich der Belgier auch Stellen. Zudem sollen einige Manager von sich aus Vodafone den Rücken gekehrt haben - kein gutes Zeichen. Der für Firmenkunden zuständige Geschäftsführer Alexander Saul verkündete just am Freitag, dass er Vodafone zum Jahresende verlassen werde; der Entschluss sei schon länger in ihm gereift.

Für den neuen Chef de Groot gibt es daher viel zu tun. Der Niederländer soll die von Rogge angestoßene Transformation - also vor allem Verbesserungen bei Netz und Service - fortsetzen, heißt es in der Mitteilung zu seiner Berufung. In hübschem Managersprech gelobt er da: "Wir werden weiter unsere Hausaufgaben machen."

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