Postbank-Debakel:"Wir sind hier unserer Verantwortung nicht gerecht geworden"

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War mit einer Gesamtvergütung von 9,2 Millionen Euro 2022 Bestverdiener im Dax: Deutsche-Bank-Chef Christian Sewing. (Foto: Andreas Arnold/dpa)

Konzernchef Christian Sewing entschuldigt sich für die massiven IT-Schwierigkeiten bei der Postbank. Ob Kunden entschädigt würden und der Vorstand gewillt sei, auf Boni zu verzichten, wollte er nicht sagen.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die Deutsche Bank will die schwerwiegendsten Probleme bei ihrer Tochter Postbank bis Mitte Oktober in den Griff bekommen. Man habe Kunden dort zuletzt sehr enttäuscht, sagte Vorstandschef Christian Sewing am Mittwoch auf einer Konferenz des Handelsblatts in Frankfurt. "Wir sind hier unserer Verantwortung nicht gerecht geworden." Die Deutsche Bank müsse jetzt umso härter dafür arbeiten, die Schwierigkeiten schnell vollständig zu beheben und das Vertrauen zurückzugewinnen.

In vier Wellen an mehreren Wochenenden hatte die Deutsche Bank in den vergangenen Monaten die Daten von zwölf Millionen Kunden vom IT-System der Postbank in das neue System übertragen. Mit der neuen Struktur will der Konzern - 15 Jahre nach der Übernahme der Postbank - von 2025 an pro Jahr 300 Millionen Euro einsparen. Doch Berichte von Kunden, die sich über technische Probleme bei der Postbank und vor allem fehlende Erreichbarkeit beklagen, reißen bis heute nicht ab. Besonders betroffen sind Kunden, deren Konten zeitweise gepfändet waren, aber dann nicht mehr entsperrt wurden. Auch sogenannte Pfändungsschutzkonten für verschuldete Menschen wurden gesperrt, aber nur schleppend freigegeben.

Zuletzt hatte Mark Branson, der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, auf eine schnelle Behebung der Probleme gepocht, die er im Interview mit der Süddeutschen Zeitung als "einmalige Situation" bezeichnet hatte. Es sei nicht mehr allein ein IT-Migrationsproblem, sondern es gebe weitere tiefgreifende Störungen im Kundenservice. Zuvor hatte die Bafin der Konzernmutter Deutsche Bank nach massiven Beschwerden von Postbank-Kunden eine ungewöhnlich deutliche Rüge erteilt.

"Volumen an Anfragen" falsch eingeschätzt

Die Bank werde noch das dritte und vierte Quartal brauchen, um die Rückstände alle abzuarbeiten, sagte Sewing. Bis Mitte Oktober wolle man aber die Schwierigkeiten zum Beispiel bei Pfändungsschutzkonten in den Griff bekommen. In diesem Bereich seien 70 Prozent des Rückstaus abgearbeitet. Um die Probleme zu beheben, habe die Bank 400 bis 500 Mitarbeiter zusätzlich abgestellt. Seit vier Wochen sehe man daher eine Verbesserung der Situation. "Wir wollen wieder in ein anderes Kundenerlebnis reinkommen", sagte Sewing. Auch in der Belegschaft wuchs zuletzt der Unmut, da sich viele Mitarbeiter in Filialen und Callcentern überfordert fühlen im Umgang mit verärgerten Kunden.

Sewing wollte sich zugleich nicht festlegen, ob die Bank im großen Umfang Kunden entschädigen wird. Das sei sehr schwer zu sagen, schließlich sei jeder Fall anders, sagte er. "Wenn es klare Rechtsversäumnisse der Bank gegeben hat, dann ja, aber nicht jede Verzögerung bedeutet ja, dass gesetzliche Vorgaben verletzt worden sind." Die Bank würde jedoch generell keine zusätzlichen Kosten scheuen, um die Lage zu verbessern. Auf die Frage, ob nicht auch der Vorstand wegen des Debakels vorauseilend auf Boni verzichten solle, wollte sich Sewing ebenfalls nicht festlegen, das sei Sache des Aufsichtsrats. Dieser werde aber sicherlich eine "balancierte Entscheidung" dazu treffen und auch berücksichtigen, dass die Bank nun endlich eine einheitliche IT habe. Mit einer Gesamtvergütung von 9,2 Millionen Euro war Sewing 2022 Bestverdiener im Dax.

Grundsätzlich sei es die richtige Entscheidung gewesen, die IT der Postbank auf die Deutsche Bank umzuziehen. Man hätte sich aber besser in den Kopf der Kunden hineinversetzen müssen. "Wir haben unterschätzt, dass wir die Kunden hätten besser informieren müssen", sagte er. Man habe das Volumen an Anfragen falsch eingeschätzt. Personelle Konsequenzen seien derzeit allerdings kein Thema, sagte er auf eine Frage dazu. Vorstand und Aufsichtsrat würden sich natürlich mit den Vorgängen und Lehren daraus beschäftigen. "Aber jetzt müssen wir erst mal mit voller Kraft in den Normalbetrieb kommen."

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