Gesundheitswesen:Was Pflege kostet

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Wer in einer Pflegeeinrichtung untergebracht ist, musste zuletzt immer höhere Kosten tragen. Jetzt soll es bald Entlastungen geben. (Foto: IMAGO/Maskot/IMAGO/MASKOT)

Menschen, die im Pflegeheim untergebracht sind, müssen immer höhere Zuzahlungen leisten. Was sie wissen sollten - und welche Entlastungen die Politik verspricht.

Von Angelika Slavik, Berlin

Die Unterbringung pflegebedürftiger Angehöriger in einer Pflegeeinrichtung ist oft nicht nur eine emotionale Herausforderung, sondern auch eine wirtschaftliche. Denn obwohl seit Jahren um Lösungen gerungen wird, steigt die finanzielle Belastung für die Betroffenen immer weiter. Warum das so ist und wie die Politik das Problem lösen will.

Wie groß ist die finanzielle Belastung für Pflegebedürftige und ihre Familien?

In Deutschland lebt etwa ein Fünftel aller Menschen, die auf Pflege angewiesen sind, in einer Pflegeeinrichtung. Der Rest, also die große Mehrheit, wird zu Hause von Angehörigen betreut. Beide Varianten haben oft enorme wirtschaftliche Folgen für die ganze Familie, zum Beispiel, wenn Angehörige wegen der Pflege weniger oder gar nicht mehr arbeiten können. Sind pflegebedürftige Menschen im Heim untergebracht, müssen sie für einen Teil der Kosten selbst aufkommen. Zu diesem sogenannten Eigenanteil leistet der Staat Zuschüsse. Dennoch ist die finanzielle Belastung für die Betroffenen zuletzt massiv gestiegen, wie eine neue Auswertung des Verbands der Ersatzkassen ergibt. Im ersten Jahr im Heim wurden demnach im bundesweiten Schnitt 2548 Euro im Monat fällig. Das waren 348 Euro mehr als im Jahr zuvor. Der Betrag enthält sowohl Zahlungen für die reine Pflege als auch Kosten für Unterkunft und Verpflegung. Der Eigenanteil für die Pflege erhöhte sich dabei binnen zwölf Monaten um 281 Euro auf im Schnitt 1245 Euro pro Monat. Es sei davon auszugehen, dass dieser Betrag bis zum Jahresende weiter steige, heißt es beim Ersatzkassenverband.

Die Höhe der staatlichen Zuschüsse zum Eigenanteil steigt mit der Aufenthaltsdauer. Dennoch fiel der Anstieg der finanziellen Belastung auch für Menschen, die schon länger im Heim wohnen, ähnlich hoch aus wie bei neuen Bewohnern: Pflegebedürftige, die im zweiten Jahr stationär gepflegt werden, mussten mit durchschnittlich 2299 Euro um 292 Euro mehr bezahlen als noch im Jahr zuvor, für Bewohner im dritten Jahr wurde ein Anstieg von 236 Euro auf nun 2050 Euro registriert. Menschen, die 36 Monate oder länger im Heim wohnen, zahlen heute 1738 Euro und damit 165 Euro mehr als vor einem Jahr.

Warum wird es teurer?

Als Hauptgrund nennen Experten die gestiegenen Personalausgaben. Seit September 2022 müssen alle Einrichtungen ihre Pflegekräfte mindestens nach Tarifvertrag bezahlen, um mit den Pflegekassen abrechnen zu können. Diese Gehaltsanpassung für das Pflegepersonal - das ohnehin knapp ist - war weithin politisch gefordert worden. Dennoch gibt es nun Kritik daran, dass diese Kosten an die Pflegebedürftigen weitergegeben werden: "Wenn der Aufenthalt im Pflegeheim von immer mehr Menschen nicht mehr bezahlt werden kann, läuft etwas gründlich schief", sagt etwa Jörg Meyers-Middendorf, Vorstandssprecher beim Ersatzkassenverband.

Wann wird die Politik reagieren?

Streng genommen hat sie das schon. Kürzlich verabschiedete die Bundesregierung eine Pflegereform, die in mehreren Schritten erfolgen soll. So wurden mit Anfang Juli die Beiträge zur Pflegeversicherung für die meisten Beitragszahler erhöht, um mehr Geld ins System zu bringen. Zum 1. Januar 2024 werden dann Leistungen ausgeweitet - darunter auch die Zuschüsse für den Eigenanteil der Pflegebedürftigen, die im Heim betreut werden. 2025 sollen die Sätze dann noch einmal erhöht werden.

Wie viel Entlastung bedeutet das konkret?

Von 2024 an gelten folgende Sätze: Im ersten Jahr des Aufenthalts übernimmt der Staat künftig 15 Prozent des Eigenanteils (statt bisher fünf Prozent). Im zweiten Jahr werden 30 Prozent übernommen (bisher 25 Prozent), im dritten Jahr 50 Prozent (bisher 45 Prozent) und ab dem vierten Jahr 75 Prozent (bisher 70 Prozent). Das Bundesgesundheitsministerium rechnet am Mittwoch auf Anfrage vor, dass dies für die Menschen, die bereits im dritten Jahr in einer Pflegeeinrichtung leben, im Schnitt eine Reduktion des Eigenanteils von 560 Euro in jedem Monat bedeute. Vom vierten Jahr an würden statt bisher bundesdurchschnittlich etwa 1246 Euro nur noch 374 Euro fällig - also 872 Euro weniger. Allerdings betrifft diese Entlastung nur die Zahlungen, die sich rein auf die Pflegeleistung beziehen. Die Kosten für Verpflegung und Unterkunft kommen noch dazu, sie variieren je nach Einrichtung und Bundesland.

Gibt es noch weitere Maßnahmen zur Entlastung?

Es gibt immer wieder Forderungen nach dem Ende aller Zuzahlungen für die reine Pflege - stattdessen solle eine Vollversicherung eingeführt werden, sagt etwa Anja Piel vom Gewerkschaftsbund. In der Bundesregierung ist das zumindest ein Diskussionsthema: Bis Ende Mai 2024 will das Haus von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gemeinsam mit Arbeits-, Wirtschafts- und Finanzministerium Vorschläge für eine dauerhaft stabile Finanzierung der Pflege vorlegen. Im Koalitionsvertrag steht dazu, man wolle "eine freiwillige, paritätisch finanzierte Vollversicherung" als Ergänzung zur bestehenden Pflegeversicherung "prüfen".

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