Habeck in Warschau:Was Deutschland von Polen lernen kann

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Deutschlands Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) beim Besuch des Bosch-Standorts in Warschau. (Foto: KUBA STEZYCKI/REUTERS)

Bei einem Besuch in Warschau lässt sich Wirtschaftsminister Robert Habeck erklären, wie man Wärmepumpen am besten an den Kunden bringt und Fachkräfte gewinnt.

Von Viktoria Großmann, Warschau

So langsam kommen die Beziehungen zwischen den Regierungen in Warschau und Berlin in Gang. Gerade hat Premier Donald Tusk seinen Antrittsbesuch bei Olaf Scholz absolviert, zuvor war schon Außenminister Radosław Sikorski in Berlin. Der erste deutsche Gast bei der neuen, polnischen Regierung war im Januar Justizminister Marco Buschmann (FDP) - tatsächlich hat dessen Gegenüber in Warschau gerade einen der härtesten Jobs. Denn Adam Bodnar muss die Justiz entpolitisieren, unzählige Entscheidungen auf Rechtmäßigkeit überprüfen, die Gewaltenteilung wieder sicherstellen.

Die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Polen und Deutschland jedoch haben auch acht Jahre rechtspopulistische PiS-Regierung überdauert. Zuletzt gab es von ausländischen Investoren zwar auch Klagen, PiS habe die Bürokratie erhöht und ein undurchsichtiges Steuersystem geschaffen. Doch Polen bleibt einer der wichtigsten Investitionsstandorte für deutsche Unternehmen und ist fünftwichtigster deutscher Handelspartner. Bei allen deutschfeindlichen Reden, die PiS-Politiker geführt haben, waren sie doch gern dabei, wenn etwa Mercedes ein neues Werk eröffnete. Innerhalb Europas ist Polen der beliebteste Investitionsstandort.

Das macht das Land für deutsche Arbeitnehmervertreter zum Schreckgespenst. Immer mehr Unternehmen bauen Arbeitsplätze in Deutschland ab, um in Polen neue zu schaffen. Jüngstes Beispiel: Der Hausgeräte-Hersteller Miele, der 700 Jobs von Gütersloh nach Polen verlagern will. Aber auch die Autohersteller und ihre Zulieferer verschieben schon seit Jahren immer mehr Arbeitsplätze zu den Nachbarn. Gründe sind die niedrigeren Energiekosten, auch die Löhne sind noch immer niedriger, das Arbeitsrecht arbeitgeberfreundlicher als in Deutschland.

Es ist also keine ganz einfache Gemengelage, in der Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) am Mittwoch nach Warschau reiste. Er hat dort nicht nur ein Gegenüber, sondern gleich vier. Habecks Ressorts sind in Polen aufgeteilt auf die Ministerien für Fonds und Regionalpolitik, für Industrie, für wirtschaftliche Entwicklung und Technologie und schließlich für Infrastruktur. Erst einmal aber bereitet die Firma Bosch dem deutschen Minister einen großen Empfang an ihrem Standort in Warschau. Fünf insgesamt hat Bosch in Polen und mehr als 9000 Mitarbeiter. Motoren werden in Polen ebenso gefertigt wie Bremssysteme und Haushaltsgeräte. In der Nähe von Breslau entsteht ein neues Werk für Wärmepumpen. Auch Bosch gehört zu den Unternehmen, die immer mehr Arbeitsplätze ostwärts verlagern - was Betriebsräte und Gewerkschafter in Deutschland alarmiert.

Doch zumindest bei Habecks Besuch bei Bosch ist das kein Thema. Es geht um Ausbildung und Fachkräftekräftegewinnung. Rafał Rudziński, Vorsitzender der Geschäftsführung von Bosch Polen, würde gern das deutsche duale Ausbildungsmodell aus Berufsschule und Lehrbetrieb auch in Polen einführen. Es gebe dazu Gespräche mit den Ministerien, sagt er.

Dann erklärt er Habeck die verschiedenen Modelle des Unternehmens zur Weiterbildung von Beschäftigten, aber auch die Bemühungen, neue Mitarbeiter zu gewinnen. Das beginne schon in den Schulen. Klassen werden zu Werksführungen eingeladen, die Jugendlichen beteiligen sich an technischen Wettbewerben, machen Praktika. "Das ist sehr belebend", sagt Rudziński. Die Kinder, Jungen wie Mädchen, zeigten oft sehr großes technisches Interesse. "Die wollen das wirklich verstehen."

Zudem arbeitet Bosch direkt mit Fachschulen und Universitäten zusammen. Fachkräfte zu finden, ist auch in Polen schwierig, das vor demselben demografischen Problem steht wie die meisten europäischen Länder. "Ehrliche Antwort: Was bauen die jungen Leute lieber zusammen, E-Motor oder Verbrenner-Motor?", will Habeck in der Schulungshalle wissen. Er erhält ein freundliches Lachen und darf sich zum zweiten Mal anhören, dass E-Mobilität in Polen derzeit zwar weder beliebt noch verbreitet sei, aber Bosch bereits seit 2018 entsprechende Aus- und Weiterbildungen anbietet.

Übrigens kämen nicht nur Studenten und Auszubildende vorbei, um etwas zu erfahren, sondern auch deren Lehrer und Dozenten. "Aber wir kommen nicht zu denen an die Hochschulen", erklärt ein Ausbilder dem Wirtschaftsminister. Was er meint: Die Dozenten lernen von Bosch, nicht Bosch von den Hochschullehrern. "Wir sind einfach besser", sagt er und lacht.

Dann will Habeck noch wissen, wie sie das hier mit den Wärmepumpen machen. "Wer baut die ein?" Es gebe da in Deutschland einen Konflikt zwischen dem Installateur, der für Wasser und Wärme zuständig ist und dem Elektriker. Man beobachte einen Generationswechsel, lautet die Antwort. Auch in Polen lernten die Installateure gerade ihre Kenntnisse zu erweitern und in einem Beruf zu bündeln.

Direkt auf den Fachkräftemangel angesprochen, sagt Habeck später: "Deutschland hat das zu lange verschlampt. Der Fachkräftemangel kam mit Ansage." Aber Polen könne Deutschland Impulse geben. Die sehe er hier bei Bosch. Synergien zwischen verschiedenen Berufen zu nutzen, sei eine sinnvolle Maßnahme. Eine einheitliche Beratung zwischen Elektrizitäts- und Installationswesen sei so ein Ansatz. "Dann hat man zwar noch nicht mehr Fachkräfte, aber eine gebündelte Beratung." Schließlich soll die Wärmepumpe auch zum Kunden kommen. Nach Wegen suchen, wie Arbeit effizienter erledigt werden könne, das sei neben der notwendigen Zuwanderung und Weiterbildungen oder Umschulungen für Mitarbeiter eine wichtige Maßnahme, solange es zu wenige Fachleute gebe.

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