Jetzt also doch: Nachdem die griechische Regierung monatelang Reformwünsche ihrer Gläubiger abgelehnt hatte, legt sie nun eine weitreichende Liste vor. Sie deckt sich in großem Umfang mit den Forderungen der anderen Euro-Staaten. Wie lässt sich diese Wende im Schuldenstreit bewerten? Fragen und Antworten.
Was haben die Griechen zusätzlich an Reformen angeboten?
Die meisten Reformen, die die Griechen jetzt vorschlagen, waren bereits im Forderungskatalog der Gläubiger enthalten. Es finden sich aber auch neue Punkte: Die Kreditgeber forderten schon lange, die Vergünstigungen bei der Mehrwertsteuer für Inseln abzuschaffen. Das will die Regierung in Athen nun auch umsetzen - und zwar schrittweise. Die reichsten Inseln, also jene mit den meisten Touristen, sollen bereits von Oktober 2015 an auf ihre Vorteile verzichten. Ende 2016 gilt das dann für alle Inseln - nur für die weit abgelegenen soll es eine nicht definierte Form der Kompensation geben. Außerdem wollen die Griechen die Immobiliensteuer anheben. Die Militärausgaben sollen im Jahr 2015 um 100 Millionen Euro und im Jahr 2016 um 200 Millionen Euro gesenkt werden. Neu in den Vorschlägen ist ein griechischer Plan gegen Steuerbetrüger. Die geplanten Arbeitsmarktreformen sollen zusammen mit der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) untersucht werden. Ziel von Syriza ist es, die Gewerkschaften in Tarifverhandlungen wieder zu stärken. Bei der Frage nach Liberalisierungen geht Athen auf die Gläubiger zu und orientiert sich an den Vorschlägen der OECD.
Werden die Griechen die Vorschläge wirklich umsetzen?
Das ist die große Frage. Schon vor der Wahl von Alexis Tsipras versprachen griechische Regierungen oft viel, setzten dann aber nur einen Teil davon um. Am Donnerstag klang es aus Athen so, als würde ein Teil der Reformen sofort am Freitag im Parlament beschlossen. So wie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble der Regierung empfohlen hatte: "Just do it", um Vertrauen bei den Gläubigern zu schaffen. Am Freitag gab das Parlament der Regierung dann aber nur ein Mandat, die Reformliste mit den Euro-Partnern zu verhandeln. "Man fragt sich, warum die Regierung plötzlich lauter Reformen vorschlägt, die sie vergangene Woche vor dem Referendum verdammte", sagt Klaus Schrader vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. "Das lässt ein gewisses Misstrauen aufkommen."
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Unklar ist auch, ob die Regierung eine Kontrolle ihrer Maßnahmen durch die Gläubiger zulässt, nachdem sie ja stets gegen die verhasste Troika aus den drei Organisationen der Gläubiger polemisiert hatte. Viele Experten sind außerdem der Ansicht, dass die griechische Verwaltung technisch und von der Ausbildung ihrer Mitarbeiter her schlecht gerüstet ist, anspruchsvollere Veränderungen umzusetzen - deshalb sei die Entsendung von mehr Beamten aus anderen EU-Ländern nötig.
Welche Reform wird am schwersten durchzusetzen sein?
Für Tsipras wird am schwersten zu vermitteln sein, warum seine Regierung abermals die Renten beschneidet. Die Rentner in Griechenland haben neben den Jugendlichen die Krisenjahre am heftigsten zu spüren bekommen. Oft leben ganze Familien von den spärlichen Alterseinkünften. Im System ist tatsächlich nicht mehr viel Luft. Auf der anderen Seite sollen die Steuern steigen, das Leben dürfte teurer werden. Tsipras' Syriza steht bei den Rentnern im Wort. Nun wird er ihnen noch mehr abverlangen müssen. Das Versprechen vom Ende der Sparpolitik kann er nicht einlösen. Dass mit dem Reformpaket viel stärker als in der Vergangenheit auch die Reichen belastet werden, lindert vielleicht den Schmerz. Das Gerechtigkeitsempfinden in Griechenland war zuletzt stark gestört.
Was die Vorschläge zur Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung angeht, fehlt es nicht an Rückhalt in der Bevölkerung. Hier hatten auch viele Vorgängerregierungen ehrgeizige Pläne vorgelegt, am Ende aber keinen Mut, weil sie sich von den alten Strukturen Vorteile erhofften. Tsipras kann beweisen, ob er wirklich einen Systemwechsel will.
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Wofür sollen die Gläubiger jetzt noch mehr Geld geben?
Die griechische Regierung hat ein Hilfsprogramm beantragt, um den laufenden Schuldendienst finanzieren zu können und um finanzielle Löcher im Haushalt zu stopfen. Allein in diesem Jahr muss Athen noch etwa 26 Milliarden Euro an Verbindlichkeiten gegenüber dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Europäischen Zentralbank (EZB) begleichen.
Gibt es jetzt einen Schuldenschnitt?
Nein, einen Schuldenschnitt im Sinne eines nominalen Schuldenerlasses wird es aller Voraussicht nach nicht geben. Im Gespräch ist allerdings eine Umschuldung - oder auch Restrukturierung der Schulden. Konkret wird überlegt, die Schulden, die Griechenland bei der EZB (und dem IWF) hat, in den Euro-Rettungsfonds ESM zu verlagern. Das würde bedeuten, dass der Wert der Schulden erhalten bliebe, die griechische Regierung aber weniger Zinsen zahlen müsste. Derzeit sind die griechischen Papiere bei der EZB mit etwa vier Prozent verzinst, beim ESM dagegen nur mit einem Prozent.
Welche Reformen fehlen auf der Liste aus Athen?
Die Liste aus Athen spricht viele wichtige Punkte an, sie gleicht ja nicht zufällig in den meisten Punkten den Forderungen der Gläubiger. Trotzdem bleiben Zweifel, ob diese Vorschläge ausreichen, um aus Griechenland eine moderne Volkswirtschaft zu machen, die in einer Währungsunion mit starken Wirtschaftsnationen wie Deutschland bestehen kann.
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Was müsste passieren, damit Griechenland ein neues Kreditprogramm bekommt? Die wichtigsten Schritte.
Das Land exportiert derzeit Waren in Höhe von 30 Prozent seiner Wirtschaftsleistung. Vergleichbare kleine Staaten wie Slowenien, Ungarn oder Irland kommen auf einen dreimal so hohen Wert. Griechenlands Ausfuhren bestehen zum Großteil aus kaum verarbeiteten Produkten wie Obst, Olivenöl oder weiterverkauftem Erdöl, bei denen es kaum eigene Wertschöpfung gibt, die hohe Löhne rechtfertigen würde. Rumänien hat Autofabriken, Griechenland nicht. Die Volkswirtschaft müsste sich in Richtung Exporte bewegen - und für Investoren attraktiver werden. Die schreckt bis heute ab, dass sie zum Beispiel rechtmäßige Ansprüche oft nicht durchsetzen und nicht mal sicher sein können, ob ihnen das Firmengelände gehört: Es gibt kein vollständiges Grundstücksverzeichnis. Die Regierung Tsipras verspricht nun kurze Bürokratiewege, mit nur einer Anlaufstelle für Investoren - genau das versprach schon 2012 die Regierung Samaras, ohne dass viel passiert wäre.
Was würde eine Einigung für Alexis Tsipras bedeuten?
Das wird man erst mittel- und langfristig verlässlich beurteilen können. Wenn er aus Brüssel tatsächlich ein Konzept für den Umgang mit den Schulden mitbringt und ein Wachstumspaket für Griechenland, hat er gut verhandelt. Dann hat er nämlich eine Perspektive für Griechenland herausgeholt, eine Aussicht auf bessere Zeiten. Er könnte damit erklären, warum auf der anderen Seite jetzt noch einmal stark gespart werden muss. Große Teile der Opposition hat er hinter sich versammelt, die Verantwortung im Falle eines Scheiterns trägt er also nicht allein. Das war geschickt von ihm.
Sein Linksbündnis Syriza ist wenig begeistert, vor allem die Radikalen hadern mit dem Deal, sollte er denn so kommen. Die gemäßigten Linken sehen allerdings die Chance, eine neue politische Kultur im Land durchzusetzen mit Syriza als fester Kraft in der Regierung. Ob das gut geht? Theano Fotiou, Vizeministerin für Soziales, sagt: "Tsipras wird gestärkt sein, wenn es den Menschen besser geht." Das wird aber noch dauern.
Wie ist das weitere Verfahren?
Im positiven Szenario einigen sich die Euro-Finanzminister auf dem Sondertreffen an diesem Samstag darauf, über ein drittes Hilfsprogramm zu verhandeln. In einigen Euro-Staaten, darunter Deutschland, existieren Bestimmungen, wonach die Parlamente den Regierungen zunächst ein Verhandlungsmandat erteilen müssen. Klappt das, können die offiziellen Verhandlungen beginnen. Wie schnell diese abgeschlossen werden können, ist offen. Viel Zeit bleibt angesichts der näher rückenden Kreditverpflichtungen Athens nicht. Nächster Zahltag ist der 20. Juli.