Urteil zur Erbschaftsteuer:Geduldige Kinder zahlen drauf

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Der Bundesfinanzhof in München ist die oberste Instanz in allen Fragen des Steuer- und Zollrechts. (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Der Bundesfinanzhof hat über das sogenannte Berliner Testament entschieden und eine Strafklausel, die Nachkommen davon abhalten soll, gierig zu werden. Zur Grundsteuer dürfte es ebenfalls bald eine Entscheidung geben.

Von Stephan Radomsky

Wenn es ums Erbe geht, dann wird gestritten. Ziemlich oft zumindest. Von Einigkeit in der Familie ist dann plötzlich keine Spur mehr - außer in einem Punkt: Der Staat soll möglichst wenig bekommen. Wie kompliziert es aber wird, wenn alles unter einen Hut soll - der Familienfriede und die Steuervorteile -, das zeigt ein aktuelles Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH).

Deutschlands oberste Finanzrichter hatten dabei über ein sogenanntes Berliner Testament und seine steuerlichen Folgen zu entscheiden. Als Berliner Testament wird eine Regelung bezeichnet, bei der sich Ehe- oder Lebenspartner gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und die Kinder in einem ersten Schritt enterben. Erst wenn auch der zweite Partner stirbt, wird das Erbe an die Nachkommen verteilt.

Das Modell ist überaus beliebt: 2018 hatte das Allensbach-Institut in einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Deutschen Bank ermittelt, dass deutlich mehr als die Hälfte der Ehepaare mit Testament ihren Nachlass mit einem Berliner Testament regeln. Es liege also "nach wie vor im Trend", sagte BFH-Richterin Anette Kugelmüller-Pugh bei der Vorstellung des Urteils am Dienstag. Und das Berliner Testament habe unbestritten zivilrechtliche Vorteile - aber eben auch "aus erbschaftsteuerlicher Sicht Nachteile".

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Einen hat nun der Zweite BFH-Senat ausbuchstabiert: Weil die Kinder auch beim Tod des ersten Partners Anspruch auf den Pflichtteil aus dem Erbe haben, enthalten viele Testamente Vorkehrungen, die verhindern sollen, dass der Anteil auch eingefordert wird. Etwa die sogenannte Jastrowsche Klausel. Deren Ziel: Wenn ein oder mehrere Kinder schon beim Tod des ersten Partners den Pflichtteil einfordern, sollen sie möglichst wenig erhalten; im Gegenzug sollen alle, die vorerst verzichtet haben, nach dem Tod des zweiten Partners mehr bekommen.

Dieses "Mehr" muss allerdings bei der Erbschaftsteuer angerechnet werden. Das betrifft zunächst den länger lebenden Partner, wenn dieser über den Freibetrag von 500 000 Euro kommt, dann wird Erbschaftsteuer fällig. Das wiederum schmälert das Erbe der "geduldigen" Kinder. Diese müssen nach dem Tod des zweiten Elternteils wiederum dessen gesamtes Erbe versteuern, zumindest wenn es den Freibetrag von 400 000 Euro übersteigt.

Darin liege auch keine unerlaubte Doppelbesteuerung, urteilte nun der BFH ( Az. II R 34/20). Zwar werde derselbe Betrag tatsächlich zweimal bei der Steuer berücksichtigt - allerdings bei zwei verschiedenen Personen. Das liege eben an der Konstruktion der Jastrowschen Klausel und sei nicht zu beanstanden.

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Erste höchstrichterliche Entscheidung zur Grundsteuer

Es dürfte nicht die einzige Entscheidung aus dem Zweiten Senat des BFH sein, die in diesem Jahr viele Bürger betrifft. Denn der ist nicht nur für Fragen der Erbschaft-, sondern auch der Grundsteuer zuständig - und da stehe wohl noch vor der Sommerpause eine erste Entscheidung an, sagte BFH-Präsident Hans-Josef Thesling. Ob bei der Neubewertung aller Grundstücke in Deutschland alles verfassungskonform laufe, "diese Frage wird ja landauf, landab diskutiert".

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz, das den vorliegenden Fall in erster Instanz beurteilen musste, hatte genau daran Zweifel angemeldet. Folgt der BFH dieser Einschätzung, wäre das ein deutlicher Fingerzeig - und womöglich ein dickes Problem für den Fiskus. Von 2025 an soll die neu berechnete Steuer eigentlich erhoben werden. Endgültig geklärt werden dürfte die Sache allerdings nicht in München, sondern in Karlsruhe beim Bundesverfassungsgericht.

Das hatte die gesamte Grundsteuerreform 2018 mit einer Grundsatzentscheidung erzwungen. Der Streit dreht sich nun im Kern darum, wie der Wert von Grundstücken und Immobilien ermittelt wird und ob das nicht einheitlich geschehen müsste. Denn Bund und Länder konnten sich nicht auf eine Art der Berechnung einigen, die Mehrheit der Länder nutzt das sogenannte Bundesmodell, einige Länder, darunter etwa Bayern oder Baden-Württemberg, verfolgen dagegen eigene Ansätze.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Textes hieß es, der Umfrage zufolge regelten mehr als die Hälfte aller Ehepaare ihr Erbe mit einem Berliner Testament. Tatsächlich sind es 59 Prozent aller Paare, die überhaupt ein Testament verfasst haben.

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