Noch vor zehn Jahren waren die Banken das Problem, die Ursache der Krise, der Grund für die Rezession. Jetzt sollten sie Teil der Lösung sein. Der Staat hat Hilfen versprochen für große Konzerne, für mittelgroße Unternehmen und für die vielen Tausend kleinen Firmen, denen in der Corona-Krise die Umsätze fehlen. Aber kaum hatte die Bundesregierung ihren Schutzschirm aufgespannt und die Staatsbank KfW die ersten Corona-Kredite zugesagt, mehrten sich die Beschwerden: Das Geld komme nicht an, es gehe alles zu langsam mit den Darlehen - und weil der Staat nur für bis zu 90 Prozent der Kreditsumme haften wollte, hielten sich die Banken zurück. DIHK-Präsident Eric Schweitzer hatte vor einer "Pleitewelle unvorstellbaren Ausmaßes" gewarnt, und mit ihm hatten sich viele Funktionäre für volle Staatsgarantien ausgesprochen.
Die Mahner wurden erhört, und die anfängliche Berliner Skepsis hatte sich mit diesem Montag erledigt, als Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einmal wieder gemeinsam auftraten, zum dritten Mal innerhalb von drei Wochen. Zwar hatten sie diesmal kein Mammut-Kredit-Paket dabei, aber dafür ein zusätzliches KfW-Kreditprogramm für kleine und mittelständische Unternehmen. Für die soll es jetzt Schnellkredite geben, versehen mit einer 100-Prozent-Garantie des Bundes, als Antwort auf all die Warnungen aus den Verbänden.
Um einen solchen Schnellkredit zu beantragen, seien nur noch drei Bedingungen zu erfüllen, sagte Scholz. Das Unternehmen muss 2019 bereits existiert und Gewinn gemacht haben. Es muss sich "in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen" befinden. Und der Kredit darf höchstens drei Monatsumsätze des Jahres 2019 betragen; maximal gibt es für ein Unternehmen mit 11 bis 49 Mitarbeitern 500 000 Euro, für ein Unternehmen ab 50 Mitarbeitern 800 000 Euro. Das Programm soll in wenigen Tagen bereit sein. Die Bundesregierung schöpfe nun "vollständig" aus, was nach Rücksprache mit der EU genehmigungsfähig sei.
Die Hausbanken sollen nur noch als Zahlstelle fungieren, ihretwegen soll sich die Auszahlung der Finanzhilfen nicht mehr verzögern. Die sonst übliche Risikoprüfung mit Blick in die Zukunft soll entfallen - die Betriebe müssen eben nur wahrheitsgemäß erklären, dass es ihnen bis zuletzt wirtschaftlich gut ging. Auch die KfW prüft das Kreditrisiko nicht mehr gesondert. "Ziel ist eine schnelle Kreditvergabe", so lautet die Maßgabe im Beschluss des Corona-Kabinetts vom Montag.
Die Kredite sind einheitlich mit einem Zinssatz von drei Prozent versehen und laufen über zehn Jahre, bei einer tilgungsfreien Zeit von bis zu zwei Jahren. Wer vorzeitig zurückzahlt, soll nicht extra belangt werden. Nach einer Zusage können Unternehmen das Geld einen Monat lang abrufen. Wer zuerst einen mit drei Prozent verzinsten Schnellkredit erhalten habe, könne diesen später in ein anderes KfW-Darlehen mit einem Zinssatz von 1,5 Prozent umschulden, versprach Altmaier.
Scholz sagte, die Banken könnten am Donnerstag loslegen "mit der Bearbeitung der Sachen". Er hält die Wahrscheinlichkeit für gering, dass die Kredite am Ende nicht zurückgezahlt würden - man habe "so lange nachgedacht und daran gearbeitet, bis wir glauben konnten, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit so gering wie möglich ist", sagte er. Auch habe man dem Risiko vorgebeugt, dass Banken ihre schlechten Kredite mit den Staatsgarantien umschulden.
Kaum war das Programm beschlossen, warnte schon jemand: Es reiche wieder nicht
Viele der Unternehmen, auf die das Schnellkreditprogramm abzielt, sind typischerweise Kunden bei Volksbanken oder Sparkassen. Letztere hatten über ihren Spitzenverband DSGV auf die 100-Prozent-Garantie gedrängt, weil sonst viele Firmen keinen Kredit bekämen. "Die Bundesregierung hat hier schnell und richtig gehandelt", sagte DSGV-Präsident Helmut Schleweis, forderte aber auch weitere Vereinfachungen. Es müsse "glasklar" sein, welche Unterlagen und Voraussetzungen von Kreditnehmern vorliegen müssen. Je klarer das geregelt sei, desto schneller werde die Abwicklung in den Hausbanken möglich sein. Ähnlich äußerte sich der Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR). Da der haftungsfreie Förderkredit mit zurückgezahlt werden müsse, bedürfe es weiterhin einer wenn auch vereinfachten Risikoprüfung durch die Hausbank, sagte eine Sprecherin.
Kaum sind die neuen Maßnahmen verkündet, wird im politischen Berlin wieder diskutiert, ob die neuen Hilfen für den Mittelstand wegen der massiven Auswirkungen der Pandemie nicht ausgeweitet werden müssen. "Dieses Limit muss auf drei Millionen Euro angehoben werden", forderte etwa der CSU-Finanzpolitiker Hans Michelbach mit Blick auf die Obergrenze von 800 000 Euro.
Die Minister erinnerten dann noch unfreiwillig an eine lustige Szene von vor zwei Jahren. Damals hatte ihre Zusammenarbeit in der neuen, ungewollten großen Koalition begonnen. Mitte März hatten sie die offizielle Amtsübergabe im Matthias-Erzberger-Saal des Bundesfinanzministeriums gefeiert. Gäste berichteten danach, der scheidende Interimsfinanzminister Altmaier, der auf dem Sprung ins Wirtschaftsministerium war, habe seinem Amtsnachfolger Scholz eine enge Zusammenarbeit angeboten und als historische Vorbilder als Karl Schiller und Franz Josef Strauß verwiesen. Der SPD-Wirtschaftsminister und der CSU-Finanzminister waren in der ersten großen Koalition ein ungleiches Duo gewesen: Die Bürger nannten die beiden Politiker bald Plisch und Plum, wegen des für seine Streiche bekannten Hundepaars von Wilhelm Busch.