Kolumne: Darf man das?:Ein Wespennest entfernen

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Viele Wespen auf einmal im Anflug aufs Nest - das kann schon ein wenig nervös machen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa)

Vor Wespen haben viele Menschen Angst, erst recht, wenn sich die Insekten im Haus oder im Garten ansiedeln. Doch die Panik ist oft unbegründet - und Selbsthilfe eine ganz schlechte Idee.

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Ihr Schloss muss die Königin, und das ist dann doch ein gewaltiger Unterschied zu menschlichen gekrönten Häuptern, selbst bauen. Zumindest die ersten Zimmer. Denn am Anfang ist da ja niemand sonst, nur sie. Und so verarbeitet die Wespenkönigin Holzfasern mit ihrem Speichel zu einem papierfeinen Material, aus dem sie sechseckige Waben formt. Jede gleich groß, jede ein Kinderzimmer für ein neues Mitglied des Wespenvolks.

Sind die ersten Arbeiterinnen herangewachsen, übernehmen sie die nächsten Bauabschnitte, raspeln, speicheln, kleben eine Etage nach der anderen für bis zu 7000 schwarz-gelb gestreifte Bewohner, ein architektonisches Kunstwerk. Nur leider fehlt dem Menschen oft der Sinn dafür. Vor allem, wenn sich das Bauwerk im Rollladenkasten, im Gartenhaus oder auf dem Dachboden befindet. Und dort, auch ganz objektiv betrachtet, ziemlich lästig werden kann. Was also tun?

Wespen stehen unter dem Schutz des Bundesnaturschutzgesetzes. Gemäß Paragraf 39 ist es verboten, "wild lebende Tiere mutwillig zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fangen, zu verletzen oder zu töten". Einige Wespenspezies, darunter Hornissen, zählen darüber hinaus zu den besonders geschützten Arten. Wer ohne behördliche Genehmigung gegen sie vorgeht, kann mit hohen Bußgeldern bestraft werden.

Doch nicht nur deshalb ist Selbsthilfe die denkbar schlechteste Option. Ein Wespennest mit Wasser, Gift oder Schaum zu zerstören, ist auch für den Menschen nicht ohne Risiko. "Ich kenne Fälle, da endete das im Krankenhaus", erzählt Jan-Erik Ahlborn. Der Mindelheimer ist zertifizierter Wespenberater und setzt sich seit vielen Jahren für den Aufbau eines flächendeckenden Netzes dieser ehrenamtlich tätigen Fachleute ein. Gemeinsam mit seiner Frau Bettina bildet er sie auch aus, 2017 erhielten beide für ihr Engagement den Deutschen Tierschutzpreis und den Tierschutzpreis der Bayerischen Staatsregierung. "Ein Wespenberater kann einschätzen, welches Risiko tatsächlich von dem Nest ausgeht", sagt Ahlborn. Kontaktadressen bekommt man in den Landratsämtern oder bei den unteren Naturschutzbehörden der Kommunen.

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Wespe ist nämlich nicht gleich Wespe: Etwa ein Dutzend Arten gibt es in Deutschland, die sich in ihrer Lebensweise stark unterscheiden. Manche bilden nur sehr kleine Nester mit wenigen Tieren, auch die Länge der Lebenszyklen variiert deutlich. "Lästig sind in Deutschland nur zwei Arten, die Deutsche Wespe und die Gemeine Wespe", sagt Ahlborn. Beide bauen große Nester mit mehreren Tausend Tieren und leben bis in den Spätherbst hinein.

Und wenn so ein Nest am Fenster des Kinderzimmers klebt oder über der Tür des Gartenhäuschens, dann können Mensch und Tier schon ein Problem miteinander bekommen. Wespen verteidigen ihr Zuhause, wenn sie sich gestört fühlen. Manchmal lassen sich Lösungen für eine friedliche Koexistenz finden, indem beispielsweise die Flugbahn der Tiere mit Sichtblenden umgeleitet wird. Manchmal geht es, wenn ein Nest erst im Hochsommer entdeckt wird, ohnehin nur noch um zwei, drei, vier Wochen: Einige Arten sterben im August schon wieder. Und wenn man dann noch einen blütenreichen Garten bietet, dann ist die Kaffeetafel im Garten als Nahrung ohnehin nicht so interessant.

Wespen sind Nützlinge, das gerät gern in Vergessenheit. Erwachsene Tiere ernähren sich von Nektar und tragen damit zur Bestäubung von Pflanzen bei. Für ihre Larven fangen sie Stechmücken als Nahrung. Nicht die Wespen seien das Problem, sagt Ahlborn, sondern sterile Gärten, die Insekten keine Nahrung mehr bieten.

Manchmal allerdings ist das Risiko zu groß, der Abstand zwischen Mensch und Tier zu klein, dann wird versucht, das Volk umzusiedeln. Auch dass die Tiere getötet werden müssen, kommt vor. Jede dieser Maßnahmen muss zuvor von der Naturschutzbehörde genehmigt und fachgerecht, beispielsweise von einer Firma für Schädlingsbekämpfung, durchgeführt werden. Die Feuerwehr kommt nur in akuten Gefahrensituationen zum Einsatz, wenn sich die Wespenlage zum Beispiel in einem Kindergarten oder Altenheim zuspitzt.

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Wie so oft im Leben ist Vorbeugung die deutlich weniger aufwendige Alternative. Wespenberater Ahlborn empfiehlt, im Frühjahr mögliche Nistplätze an dunklen, geschützten Orten regelmäßig zu inspizieren. Denn jedes Wespennest fängt, siehe oben, klein an. Wie graue oder weiße Tischtennisbälle sehen die Bauten im Frühstadium aus - und lassen sich zu diesem Zeitpunkt noch sehr viel einfacher umsiedeln. Für Rollladenkästen gibt es Abdichtungssysteme, aus Silikon oder in Form von Bürsten. Und mögliche Einschlupflöcher im Dachstuhl rät Ahlborn verschließen zu lassen.

Spätestens im November sind die papiernen Wabenbälle in aller Regel leer. Die Arbeiterinnen, die Drohnen und die Königin sind gestorben, lediglich die Jungköniginnen, die im kommenden Jahr ein neues Volk gründen werden, überwintern - aber nicht im Nest. Sie verstecken sich in totem Holz oder in Erdspalten und fallen in Winterstarre.

"Verlassene Nester sollte man immer entfernen", sagt Jan-Erik Ahlborn. Sie werden zwar nicht wieder besiedelt, "aber durch den Wespengeruch, der von ihnen ausgeht, bleibt der Standort auch für die nächsten Generationen attraktiv". Mit einem Messer oder breiten Spatel lässt sich der Bau am besten von der Wand lösen. Federleicht ist das Schloss der Königin - den nun ungefährlichen Blick hinein in das Wunderwerk sollte man sich nicht entgehen lassen.

Die Autorin hat etwas gegen Stürme im Wasserglas. (Foto: Bernd Schifferdecker (Illustration))
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