Fußball-Regionalliga:Diesmal geht es um die Existenz

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Ade statt Willkommen: Zahlreiche Spieler von Türkgücü München suchen bereits nach einem neuen Verein. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Die GmbH des einstigen Drittligisten Türkgücü München befindet sich noch im Insolvenzverfahren, nun ist auch der Stammverein in gewaltiger finanzieller Schieflage: Ein Investor zahlt nicht mehr, viele Spieler sollen zur Winterpause gehen.

Von Christoph Leischwitz

Türkgücü München überwintert in der Regionalliga Bayern auf Tabellenplatz drei, und Trainer Alper Kayabunar wurde im Laufe der Saison nicht müde zu erwähnen, wie gut es doch sportlich laufe. In dieser Häufung lag die Betonung bald schon auffällig auf dem Wörtchen "sportlich". Doch hinter den Kulissen ging es, wieder einmal, hoch her beim Traditionsklub aus dem Münchner Osten. Anfang 2022, als der Verein in der dritten Liga spielte, hatte die ausgegliederte GmbH ein Insolvenzverfahren anmelden müssen, der Verein stieg ab. Nun droht sich, nur knapp zwei Jahre später, einiges zu wiederholen - mit dem Unterschied, dass der Viertligist keine ausgegliederte Fußballabteilung hat. Es geht diesmal also um die Existenz des Vereins. Im schlechtesten Szenario droht das zweite Insolvenzverfahren, bevor das erste abgeschlossen ist - und damit ein kaum zu reparierender Imageschaden.

Wer sich im Umfeld der Spieler umhört, bekommt ausnahmslos frustrierte Rückmeldungen. Gehälter seien schon seit Oktober nicht mehr gezahlt worden, vereinbarte Prämien seit September nicht. Einige Funktionäre sind ebenso frustriert, ein Teil von ihnen auch schon zurückgetreten, sie beklagen unter anderem die schlechte Kommunikation mit der Vereinsführung. Die meisten Spieler sollen sich bereits nach anderen Klubs umschauen.

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Bei der Versammlung der 36 Erst- und Zweitligisten kommt die notwendige Zweidrittelmehrheit knapp zustande. Die DFL kann nun mit potenziellen Geldgebern verhandeln.

Obendrein war Türkgücü nach SZ-Informationen nicht nur bei den Spielergehältern in Verzug. So soll zum Beispiel auch das mittlerweile verlegte Verbandspokalspiel gegen den FC Ingolstadt auch deshalb nicht im Grünwalder Stadion stattgefunden haben, weil Türkgücü die Mietkosten mittlerweile vorab bezahlen muss und das offenbar nicht konnte. Auch Trainer sollen kein Gehalt mehr bezogen haben. Auf Nachfrage möchte Chefcoach Kayabunar, der sich gerade in der Türkei im Urlaub befindet, dies nicht bestätigen. Er dementiert es aber auch nicht und wiederholt: "Ich möchte den Hut ziehen vor der Mannschaft, und was sie in den vergangenen Monaten geleistet hat." Kayabunar ist einer der wenigen, die schon unter dem Präsidenten und Mäzen Hasan Kivran arbeiteten. Dieser hatte den Verein zunächst bis hinauf in den Profifußball gesponsert, dann aber seine Zahlungen schlagartig eingestellt. Danach war zumindest im Fußballbereich nie wieder etwas von ihm zu hören gewesen.

Der aktuelle Präsident geht indes noch ans Telefon. Taskin Akkay bestätigt auf Nachfrage die finanziellen Probleme. Diese seien vor allem darauf zurückzuführen, dass ein Investor, der erst im Sommer vorgestellt wurde, sich im Spätsommer schon wieder zurückgezogen habe. Es handelt sich um den früheren kroatischen Nationalspieler Milan Rapaic, dessen Sohn Boris einen Platz im Türkgücü-Vorstand bekommen sollte. Die SZ bemühte sich, Boris Rapaic zu kontaktieren, dieser war bis zum Erscheinen dieses Textes jedoch nicht zu erreichen.

Weil die Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen nicht nachgewiesen wurde, droht ein Punktabzug

Mit dem Einstieg dieses Geldgebers begründet Akkay auch den Plan, in der vierten statt in der fünften Liga den Neuanfang zu wagen, auch wenn der finanzielle Aufwand um ein Vielfaches höher liegt. Auch der aktuelle Kader dürfte nicht gerade günstig gewesen sein. Er enthält Spieler, die auf das Gehalt angewiesen sind, weil es ihren Hauptverdienst darstellt. "Wir werden versuchen, Lösungen zu finden", sagt Akkay, zumal sich mit dem Investor auch der zwischenzeitliche Brustsponsor schon wieder verabschiedet habe. "Wir werden weiter mit potenziellen Sponsoren sprechen und gleichzeitig Sparmaßnahmen einleiten", erklärt Akkay, "wir werden den Kader verengen" und "den Spielern keine Steine in den Weg legen".

Dabei dürfte die Vertragsauflösung nicht das Problem sein, viele Spieler würden erfahrungsgemäß schnell wieder unterkommen. Schwieriger ist da die Verhandlung um die Höhe von Abfindungen, vor allem bei Verträgen, die über die aktuelle Saison hinausgehen. Sollte sich parallel dazu kein Sponsor oder Investor finden, der auch bereit ist, bereits bestehende Verbindlichkeiten zu übernehmen, wird der Kader nach der Winterpause nicht mehr wiederzuerkennen sein.

Akkay empfindet die aktuelle Situation auf Nachfrage noch nicht als bedrohlich. Zum einen verweist der Präsident darauf, dass auch andere Vereine mit Gehaltszahlungen im Hintertreffen seien. Und: "Die Saison wird auf jeden Fall zu Ende gespielt, das ist Fakt." Obendrein habe man schon so viele Punkte gesammelt, dass der Ligaverbleib sportlich quasi gesichert sei. Türkgücü hat 29 Punkte Vorsprung auf die Abstiegsplätze.

Es ist allerdings nicht auszuschließen, dass auch diesmal wieder der Worst case eintritt, sprich: Punktabzüge und Insolvenz. Ersteres steht möglicherweise schon bald bevor: Weil Türkgücü zum Stichtag Anfang Oktober für einige Spieler keinen Nachweis über die Abgabe von Sozialversicherungsbeiträgen an den Bayerischen Fußball-Verband (BFV) erbringen konnte, droht ein Abzug. In der vierten Liga wird zwar die Wirtschaftlichkeit der Vereine nicht näher geprüft. Sollte Türkgücü aber gezwungen sein, ein Insolvenzverfahren anzumelden, greift dieselbe Regelung wie im Profifußball: neun Punkte Abzug.

Akkay ist ein umtriebiger Geschäftsmann und hatte das Präsidentenamt in einer schweren Zeit übernommen. Er bleibt zuversichtlich und weiß zumindest noch Sportvorstand Serdar Yilmaz neben sich: "Wir wollen uns weiter in der Regionalliga festigen. Es wird weitergehen, ich mache mir da keine Sorgen." Aus dem Umfeld der Spieler ist jedoch vor allem die Klage zu hören, dass man ihnen nicht sage, wie es weitergehe. Schon allein die Ungewissheit dürfte viele dazu bewegen, den Verein so schnell wie möglich zu verlassen.

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