Rücktritt von Svenja Huth:Mehr Zeit für die Familie

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Prägende Nationalspielerin: Svenja Huth gewann 2013 den EM-Titel und 2016 Olympia-Gold. (Foto: ActionPictures/Imago)

Svenja Huth tritt überraschend aus dem Nationalteam zurück - die Aussicht auf eine weitere Olympia-Medaille war nicht mehr verlockend genug. Nun fehlt dem DFB-Team eine meinungsstarke Führungsspielerin.

Von Anna Dreher

Während der vergangenen Monate hat dieses Thema das deutsche Fußball-Nationalteam schon ständig begleitet. Meist wie ein stiller Gast, der nicht auffallen will, dessen Anwesenheit aber trotzdem stets zu spüren ist. Jedem in der Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) war schließlich bewusst, dass es so weit kommen würde: Irgendwann würde sich wieder eine Nationalspielerin verabschieden. Knapp vier Monate vor der Weltmeisterschaft 2023 hatte Dzsenifer Marozsán ihren Rücktritt erklärt, im September folgte dann Melanie Leupolz. Und auch Kapitänin Alexandra Popp hatte zuletzt entsprechende Überlegungen geäußert, die bisher ohne Konsequenz geblieben sind.

Aber nun sind es nur noch 129 Tage bis zu den Olympischen Spielen in Paris, für die sich die DFB-Frauen gerade so bei ihrer letzten Chance qualifizieren konnten. Außerdem steht Anfang April die EM-Qualifikation an. Da würde doch keine...?

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Für Svenja Huth war die Aussicht, nach dem Gold von Rio in diesem Sommer eine weitere Olympia-Medaille zu ergattern, offensichtlich nicht mehr verlockend genug. Am Sonntag meldete sich die Offensivspielerin des VfL Wolfsburg über ihre Kanäle und per Pressemitteilung nach 88 Länderspielen und 14 Toren in den DFB-Ruhestand ab. Was nicht allein wegen des nahenden Großereignisses überraschend war. Mit 33 Jahren gehörte Huth wie Popp, bald 33, Marina Hegering, bald 34, und Kathrin Hendrich, bald 32, zwar zum Kreis der Abschieds-Kandidatinnen. Sie jagte aber so schnell und unermüdlich über die Außenbahn, dass ihr fußballerisches Alter unter dem amtlich vermerkten zu liegen schien. Verletzungen plagten sie weniger als beispielsweise Marozsán, die aus diesem Grund mit gerade einmal 30 aufhörte. Und Huth wirkte so ehrgeizig, dass ihr Motivationsvorrat noch lange nicht aufgebraucht schien.

Huth musste sich - wie in ihrer Vereinskarriere - beharrlich bis zum Status der Stammkraft kämpfen

Diesen Eindruck widerlegte Huth nun allerdings in gewisser Weise. "Ich habe dem Fußball - meiner Leidenschaft - alles untergeordnet", sagte Huth und sprach von einer Zeit, "die sowohl körperlich als auch mental herausfordernd sowie kräftezehrend war." Ähnlich wie bei Leupolz, die 2022 einen Sohn auf die Welt brachte und zwar noch ihre Rückkehr feierte, dann aber wegen der Doppelbelastung im Alter von 29 Jahren ihre DFB-Karriere beendete, spielte nun bei Huth die Familie ebenfalls eine Rolle.

Im September des vergangenen Jahres hatte ihre Ehefrau Laura ein Kind bekommen. Huth spricht explizit davon, sich zu freuen auf "mehr Zeit für und mit meiner Familie zu Hause". Das Paar hatte stets offen über seine Beziehung und den Prozess des Elternwerdens geredet - und ebenso den Gegenwind thematisiert. " Wir lassen uns nicht entmutigen und das solltet ihr auch nicht, wenn jemandem eure Liebe nicht passt", schrieb Huth im November als Reaktion auf Hasskommentare zu einem Familienfoto.

In 88 Länderspielen hat Svenja Huth 14 Tore geschossen - vor allem lief sie unermüdlich und schnell weite Wege. (Foto: Ines Hähnel/Lobeca/Imago)

Dem Nationalteam fehlt also ab sofort eine prägende und meinungsstarke Führungsspielerin. Das schwächt das Team von Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch, der ihren Schritt bedauerte. "Mit ihrer Einstellung und ihrer Wirkung auf ihre Mitspielerinnen hat sie unserer Mannschaft viel gegeben", sagte Hrubesch. "Ich verliere sie ungern in unserem Kreis." DFB-Sportdirektorin Nia Künzer, die beim 1. FFC Frankfurt noch eine Saison mit Huth zusammengespielt hat, fand beeindruckend, "mit welchem Mut, Teamgeist und Engagement, aber auch unglaublicher Willenskraft und Empathie sie ihren Weg gegangen ist".

Erstmals für Deutschland stand Huth im April 2006 mit der U15 auf dem Platz, sie wurde U17-Europa- und U20-Weltmeisterin. Im Oktober 2011 debütierte sie bei den DFB-Frauen, musste sich aber - wie in ihrer Vereinskarriere - erst beharrlich bis zum Status der Stammkraft durchkämpfen. "Ich war gefühlt 20 Mal dabei, bis ich spielen durfte", sagte Huth während der WM 2019 der SZ. Mit dem Nationalteam gewann sie 2013 den EM-Titel und 2016 Olympia-Gold. 2022 erreichte sie das EM-Finale - wo sie als Kapitänin auflief anstelle der verletzten Alexandra Popp, der Huth in den vergangenen Jahren mit ihren Flanken immer wieder präzise Torvorlagen lieferte.

Als im vergangenen Sommer die WM so früh für die Deutschen endete, weinte Svenja Huth bitterlich und wirkte besonders untröstlich. Vielleicht auch, weil sie in diesem Moment schon ahnte, dass dieses ihr letztes großes Turnier mit dem Nationalteam gewesen sein sollte.

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