Formel 1:Das Imperium wankt

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Rot vor Blau: Ferrari bestätigt in der Qualifikation den Eindruck aus den Testfahrten und wird am Sonntag in Bahrain mit Charles Leclerc von der Pole Position starten. (Foto: HochZwei/Imago)

Die neuen Regeln bestehen den ersten Härtetest: In der Qualifikation zum Großen Preis von Bahrain meldet sich Ferrari eindrucksvoll zurück, während für Mercedes Platz fünf von Lewis Hamilton das Maximum ist.

Von Elmar Brümmer, Manama

Farbwechsel in den ersten Startreihen der Formel 1. Auf der Pole-Position beim Großen Preis von Bahrain steht der Ferrari von Charles Leclerc - vor Titelverteidiger Max Verstappen. Das rote und das blaue Auto trennte unter dem Flutlicht in der Steinwüste am Ende die Winzigkeit von 0,13 Sekunden. "Yeah, Baby", brüllte der Tagesschnellste in sein Helmmikrofon, "ich wusste, dass das in uns steckt."

Auch dahinter wird das Farbschema eingehalten, die Teamkollegen Carlos Sainz jr. und Sergio Perez sortierten sich ein. Erst dann kommt der Silberpfeil von Lewis Hamilton, angesichts von 0,7 Sekunden Rückstand auf die Spitze eher blass. Mick Schumacher verpasste als Zwölfter die Top-Ten nach einem kleinen Fahrfehler nur knapp, Vettel-Ersatz Nico Hülkenberg landete im Aston Martin auf dem 17. Rang. Der Saisonauftakt am Sonntag verspricht bunt zu werden.

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:Leclerc und Ferrari holen erste Pole der Saison

Der Monegasse ist in Bahrain der schnellste im Training und startet vor Max Verstappen, Lewis Hamilton geht von Rang fünf aus ins Auftaktrennen.

Die neuen technischen Regeln haben beim ersten Härtetest jedenfalls gehalten, was sich das Formel-1-Management von ihnen erwartet hat, davon zeugt die neue Reihenfolge - und das nicht nur an der Spitze. Neben Ferrari unterstreichen vor allem zwei bisherige Hinterbänkler-Rennställe den neuen Mix. Valtteri Bottas stellte den Alfa Romeo beim ersten Auftritt mit dem Schweizer Team gleich auf Rang sechs, Kevin Magnussen schob bei seiner Rückkehr in den Haas-Rennstall das Ferrari-Kundenauto auf Platz acht. Passend zum gelungenen ersten Teil des Saisonauftakts gab es einen großen Trommelwirbel im Fahrerlager.

Verstappen hat erstmals die wahre Stärke seines neuen Gegners gesehen

Mercedes-Teamchef Toto Wolff, dessen Silberpfeile am stärksten vom durch die neue Aerodynamik hervorgerufenen unangenehmen Phänomen der Pumpbewegungen (das Auto setzt auf und springt wieder hoch) betroffen sind, hakte den Samstag unter dem Motto "Jugend forscht" ab. Hamilton zeigte sich mit Rang fünf angesichts dieser Probleme sogar noch zufrieden: "Jeder sieht, dass wir nicht geblufft haben. Wir machen gerade nur kleine Schritte nach vorn."

Aber auch der alte Rivale Red Bull ahnt, dass der achtmalige Konstrukteurs-Weltmeister aus der Hybrid-Ära schnell wieder weiter vorn sein wird, wenn das Problem mit dem bouncing gelöst werden kann. So lange muss Hamilton mit seinen Revanchegelüsten noch dahinschaukeln. Das Imperium wankt. Aber auch die anderen wissen, dass der Erfolg im Rennen und überhaupt in dieser Saison entscheidend davon abhängen wird, wie ruhig das Auto liegt.

Nach zwei verlorenen Jahren wieder da: Den letzten Sieg feierte die Scuderia im September 2019. Kann Charles Leclerc mit Ferrari nun wieder gewinnen? (Foto: Hasan Bratic/dpa)

Favorit Verstappen stand die Enttäuschung über den Verlust der ersehnten Pole-Position ganz zum Schluss ins Gesicht geschrieben, denn er hat jetzt erstmals die wahre Stärke seines neuen Gegners gesehen. Ferrari ist nach zwei verlorenen Jahren wieder da, der letzte Sieg der Scuderia reicht noch in die Vettel-Ära und den September 2019 zurück. Teamchef Mattia Binotto hatte schon früh die vergangene Saison abgehakt, und alle Weiterentwicklung auf diese Saison konzentriert, vor allem bei der Motoren-Power.

Fürs Erste hat sich das Risiko gelohnt. Das mattrote Auto hat momentan die beste Balance, Leclerc kann sogar damit kokettieren, keine ganz saubere Runde hingelegt zu haben. Der Monegasse schilderte das Problem, dass alle 20 Fahrer im Feld betrifft: "Wir haben eine Menge unterschiedliche Linien mit diesen Autos probiert. Jetzt geht es darum, im richtigen Moment den richtigen Fahrstil zu finden." Binotto fasste den Wüstenabend in einem Wort zusammen: "Fantastico!"

Für viele in der Formel 1 ist die neue Hackordnung ein Kulturschock

Es ist nicht nur das Gewicht, die 1000 PS schnellen Autos sind fast 800 Kilogramm schwer, das allen zu schaffen macht. Vor allem die Frage, wie tief das Fahrzeug abgesenkt wird, macht den entscheidenden Unterschied - nur ein Hauch liegt im Idealfall zwischen dem Asphalt und der Karbonplatte. Wer zu niedrig abstimmt, setzt auf, und schon beginnt das gefürchtete Hoppeln. Wer das Fahrwerk höher setzt, ist zwar sicher, aber auch langsamer.

Was den Ingenieuren noch nächtelanges Kopfzerbrechen bereiten wird, erfüllt die Hoffnungen des Publikums, das allerdings auch im letzten Jahr des alten Reglements nicht über mangelnde Dramatik klagen konnte. Für viele in der Formel 1 ist die neue Hackordnung ein Kulturschock, selbst wenn sie nach dem ersten Auftritt und den eigenwilligen Streckenbedingungen von Sakhir noch mit Vorsicht zu genießen ist. Auch die Tagesform wird künftig noch stärker Einfluss nehmen, wie bei Mick Schumacher, der kurz vor seiner ersten Top-Ten-Platzierung stand, und dabei sein bestes Qualifying-Ergebnis aus eigener Kraft herausgefahren hat: "Ich habe das Gefühl, das heute irgendwas nicht ganz gepasst hat." Der neue Teamkollege Magnussen hat gezeigt, was möglich ist, er wird zum echten Maßstab für die Ambitionen des 22-Jährigen.

Was ist möglich im neuen Haas? Mick Schumacher verpasst nur knapp seinen ersten Start unter den besten Zehn. (Foto: Hasan Bratic/dpa)

Das Auf und Ab der Autos überträgt sich komplett auf die Gefühle. Sieben von zehn Rennställen haben zumindest ein Auto in den letzte Qualifikationsabschnitt gebracht, der größte Verlierer ist wohl der vom Passauer Andreas Seidl geführte McLaren-Rennstall. Auch der zweite deutsche Teamchef, Jost Capito, hatte sich für Williams mehr ausgerechnet.

In Abwesenheit von Stammfahrer Sebastian Vettel, der in der Schweizer Corona-Isolation sitzt, hat der spontan eingesprungene Nico Hülkenberg nach 17 Monaten ohne jede Vorbereitung zwar eine höchst respektable Leistung abgeliefert. Aber Aston Martin hinkt wieder allen hinterher, insbesondere den Erwartungen von Besitzer Lawrence Stroll. Denn auch für seinen Sohn Lance war gleich nach der ersten Qualifikations-Session Schluss. Der neue Teamchef Mike Krack, gerade erst von BMW nach England gewechselt, war schon zur ersten Durchhalteparole gezwungen: "Wir sind Motorsportler und wir werden so hart und so schnell wie möglich daran arbeiten, die Situation zu verbessern." Immerhin, wenigstens das klang noch nach alter Formel 1.

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