Basketballer Kyrie Irving:Der einzige Auswärtsspieler der NBA

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Kyrie Irving gilt in der NBA als einer der besten Aufbauspieler, aber kann er nach seiner langen Pause bei den Nets wieder all sein Können zeigen? (Foto: Frank Franklin II/AP)

Im US-Profibasketball sind fast alle gegen Corona geimpft, doch Kyrie Irving weigert sich weiterhin. Jetzt holen ihn die Brooklyn Nets nach langer Verbannung zurück - unter kuriosen Umständen.

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Schlaflos in New York, so hat Kyrie Irving nach eigener Aussage den Jahreswechsel erlebt, er war einfach so aufgeregt. Ein Multimillionär des Basketballs, den "Herzklopfen" und Selbstzweifel plagen, weil er endlich wieder mit seinen Teamkollegen trainieren darf - da muss gehörig etwas passiert sein. Und tatsächlich handelt die Geschichte des prominentesten Impfgegners im US-Sport von Sturheit, existentiellen Nöten und moralischen Zwängen zu Pandemiezeiten.

Zur Einordnung: Irving, 29, ist nicht irgendein Basketballer, sondern einer der besten Dirigenten überhaupt. Vergangene Saison spielte er in der US-Profiliga NBA die stärkste Saison seiner Karriere (fast 27 Punkte im Schnitt), er ist Weltmeister, Olympiasieger und NBA-Champion. Er verdient sein Geld (etwa 136 Millionen Dollar über vier Jahre) bei den Brooklyn Nets, einem der aktuell besten Teams - doch er verbrachte die vergangenen Monate gezwungenermaßen zu Hause im Wartestand. Nicht, weil er verletzt oder wurflahm war, sondern weil er sich der Corona-Schutzimpfung verweigert.

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Ungeimpfte haben es in Amerikas Sport wie auch in Deutschland schwer. In Irvings Fall sogar so schwer, dass er die Heimarena seiner Nets laut geltender Covid-Bestimmungen in New York City gar nicht betreten darf. In der Stadt können bei Indoor-Events nur vollständig Geimpfte rein - das gilt auch für Sportler oder Musikkünstler. Erst vor wenigen Tagen verlängerte der neue New Yorker Bürgermeister Eric Adams die Regeln. Irving wurde für seinen Arbeitgeber damit nutzlos, Heimspiele waren für ihn tabu. Deshalb verbannte ihn sein Klub kurz vor Beginn der laufenden Saison aus dem Kader, während er seiner Renitenz frönte. Bis heute.

Plötzlich brauchen die Brooklyn Nets Irving wieder

Nur: Im "Heute" hat Irvings Verein eingelenkt. In dieser Woche könnte der Basketballer endgültig aus dem Machtspiel als Sieger hervorgehen. Wenn die Nets am Donnerstag auswärts in Indiana antreten, erlebt Amerikas Sport ein skurriles Comeback. Irving ist dann gewissermaßen der einzige Auswärtsspieler der NBA: Er kann überall antreten - außer zu Hause und in Kanada, wo am Standort Toronto ähnliche Regeln gelten wie in New York.

Dass die Nets Irving ausgerechnet jetzt resozialisieren, liegt nicht etwa am Gutmenschentum der Franchise, sondern am Personalmangel. Urplötzlich braucht Brooklyn ihn, denn zuletzt steckte die halbe Truppe wegen Corona in Quarantäne. "Unser Kader ist arg dezimiert und ich muss eine Entscheidung treffen, damit wir weiter Spiele gewinnen", erklärte Klubmanager Sean Marks das Einknicken. So ist Irving in Absprache mit dem Team und dem Trainerstab nun als Teilzeitprofi zurück - ungeimpft, aber täglich getestet.

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Der Spieler selbst verpackte seinen persönlichen Triumph bei seiner Rückkehr ins Training in salbungsvolle Worte: "Mir waren die Folgen des Rauswurfs bewusst, aber ich war nicht mal ansatzweise drauf vorbereitet", erzählte Irving etwas verquer. Dabei wolle er doch nur spielen. Er habe versucht, die Sache "nicht zu emotional zu betrachten und mich in die Lage des Vereins und meiner Mitspieler zu versetzen". Ihm sei klargeworden, dass er nicht Teil des Teams sein konnte, "wenn ich nicht geimpft bin". Das kann er nun aber doch sein.

Erstaunlicherweise haben die Nets nicht mal versucht, ihn umzustimmen. Es sei "nicht der Zeitpunkt" für Impfdebatten, findet Marks, "als ich mit Kyrie gesprochen habe, ging es eher um Familiäres, wir müssen erst mal wieder zueinanderfinden". Vertrauensbildende Maßnahmen also, dabei wütet das Virus auch in der NBA, in der zwar 97 Prozent der Profis als geimpft gelten, aber die Omikron-Welle derzeit zahlreiche Aktive in die Isolation zwingt. Bei den Nets fehlten zeitweise zehn Akteure, darunter auch die Anführer Kevin Durant und James Harden.

Nur zwei aus dem Star-Trio: Kevin Durant (li.) und James Harden müssen nun nicht mehr komplett auf ihren kongenialen Partner und Impfverweigerer Kyrie Irving verzichten. (Foto: Vincent Carchietta/USA Today Sports)

Zwischen den Jahren wurden drei Partien des Teams wegen akuter Corona-Zirkulation verlegt. Offenbar ist die Not so groß, dass der Klub lieber einen halben Irving reaktiviert als gar keinen. Während im Herbst noch über seinen Abschied oder sogar das Karriereende spekuliert wurde, findet es Trainer Steve Nash jetzt "toll, dass wir ihn wiederhaben - er ist ein wahnsinnig guter Spieler". Irving sei nun "auswärts dabei und wir werden sehen, wie er sich einfügt". Und daheim "sind wir wieder ganz normal", so Nash. So normal diese Wendung eben ist.

Brooklyn probt die Rolle rückwärts, die Bekundungen der Vergangenheit sind offenbar unterm Weihnachtsbaum verpufft. Dabei hatte Vereinsboss Marks noch im Oktober über Irvings Suspendierung gesagt: "Es ist seine Entscheidung, aber so kann er bei uns kein vollwertiges Teammitglied sein." Dass er es nun doch wieder ist, zumindest bei Auswärtsfahrten, liegt auch an prominenten Fürsprechern in der Kabine. So sollen sich etwa Durant und Harden für seine Rückkehr eingesetzt haben. "Haben Sie ihn spielen sehen?", fragte Durant kürzlich Reporter. "Er ist ein Meister, er ist ein Spieler mit hohem Verstand." Gemeint war seine Aufgewecktheit auf dem Platz.

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