Deutsches Nationalteam:Und wieder wird die Abwehr umgebaut

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Im Fokus: Sophia Kleinherne (links neben Sjoeke Nüsken) und Chantal Hagel (Mitte) kommen als linke Außenverteidigerinnen in Frage. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Am Tag vor der Abreise nach Sydney verletzt sich Linksverteidigerin Felicitas Rauch und fällt für unbestimmte Zeit aus. Vor dem zweiten Gruppenspiel gegen Kolumbien muss die deutsche Defensive erneut neu strukturiert werden.

Von Anna Dreher, Sydney

Wie gravierend die Situation im deutschen Nationalteam gerade ist, lässt sich ganz gut veranschaulichen mit dem Blick auf die Verletztenliste. In den Monaten vor der Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland wurde sie einfach immer länger.

Rechtsverteidigerin Giulia Gwinn war nach einem Kreuzbandriss nicht rechtzeitig fit geworden, Linda Dallmann fehlt als Option fürs offensive Mittelfeld, weil sie nach einem Syndesmosebandriss zu viel Trainingsrückstand hatte. Dann riss kurz vor der Abreise nach Australien ein Kreuzband von Linksverteidigerin Carolin Simon im Testspiel gegen Sambia. Jener Partie, aus der Abwehrchefin Marina Hegering mit einer Fersenprellung und Mittelfeldspielerin Lena Oberdorf mit einer Oberschenkelverletzung gingen. Sjoeke Nüsken dehnte sich in Australien das Außenband, sie musste rund ums Knie dick einbandagiert werden. Und nun erwischte es auch noch Felicitas Rauch.

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Lena Oberdorf gehört zu den besten Mittelfeldspielerinnen der Welt. Nun ist die 21-Jährige wieder fit und steht gegen Kolumbien in der Startelf - doch das deutsche Team plagen schon die nächsten Verletzungssorgen.

Von Anna Dreher

Am Freitagvormittag, im letzten Training vor der Fahrt nach Sydney, blockte die Linksverteidigerin einen Schuss und verstauchte sich dabei das rechte Kniegelenk. Wie lange die 27-Jährige vom VfL Wolfsburg ausfallen wird, steht noch nicht fest, vom Deutschen Fußball-Bund hieß es "auf unbestimmte Zeit". Im Team mischten sich Erleichterung und Erschütterung. Erleichterung, weil angesichts der internationalen Serie von Kreuzbandrissen direkt Schlimmes befürchtet worden war. Erschütterung, weil die Baustelle in der Defensive weiter aufgerissen wurde. Damit bricht die dritte Außenverteidigerin verletzungsbedingt weg.

Gegen Kolumbien wird eine geschlossene Defensive weit mehr gefragt sein als gegen Marokko

Die Stimmung sei am Freitag danach sehr gedrückt gewesen, erzählte Lina Magull einen Tag später am Rande der Pressekonferenz im Sydney Football Stadium. Nach dem Vorfall sei das Training direkt umgestellt worden, um nichts mehr zu riskieren. "Das war kein guter Moment", sagte Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg. "Aber wir haben relativ schnell die Diagnose bekommen, was uns aufatmen lässt und eine Perspektive gibt."

Die Nächste auf der Verletztenliste des deutschen Nationalteams: Felicitas Rauch hat sich das Kniegelenk verstaucht. (Foto: Jones/Beautiful Sports/Imago)

Unmittelbar steht die 55-Jährige vor der Herausforderung, ihre Abwehr so zu besetzen und zu instruieren, dass auch das zweite Gruppenspiel gegen Kolumbien am Sonntag (11.30 Uhr, ARD) zu einem Erfolg wird. Der Auftakt lief mit einem 6:0-Sieg gegen Marokko ideal, doch nun wird eine starke Defensivleistung deutlich mehr gefragt sein. "Ich bin wirklich davon überzeugt, dass es ein sehr enges, intensives Spiel geben wird", sagte Voss-Tecklenburg und sprach von der Mentalität der Kolumbianerinnen, ihrer offensiven Präsenz mit Abschlüssen aus jeder Lage. Hinzu kommt eine harte Zweikampfführung, die vor der WM in einem Test gegen Irland zu einem Spielabbruch nach 23 Minuten geführt hatte. "Aber wir haben jetzt keine Ehrfurcht, das ist einfach Einstellungssache", sagte Magull.

Sollte Abwehrchefin Marina Hegering weiter fehlen, könnte wie gegen Marokko Sara Doorsoun in der Innenverteidigung neben Kathrin Hendrich eingesetzt werden. Ebenso Sjoeke Nüsken, die zuletzt aber noch immer mit dick verbundenem Bein trainierte. Rechts wirbelt seit kurzem Svenja Huth, die durch den Ausfall von Gwinn eine Position nach hinten gezogen wurde - und damit Sophia Kleinherne verdrängte. Die 23-Jährige von Eintracht Frankfurt wäre grundsätzlich eine Option als Rauch-Ersatz. Aber zählt die Bundestrainerin links auf eine Spielerin, auf deren gewohnter Position sie rechts mit Huth eine Flügelstürmerin (wenn auch mit entsprechender Erfahrung) bevorzugt?

Als wahrscheinlicher gilt, dass Chantal Hagel startet, auch wenn sie bei der TSG 1899 Hoffenheim vor allem im offensiven Mittelfeld eingesetzt worden ist. In den endgültigen WM-Kader dürfte sie erst nachgerückt sein, als der Ausfall von Carolin Simon feststand. Hagel ist bei der WM nominell als Linksverteidigerin eingeplant. "Natürlich wussten wir, dass gegebenenfalls der ein oder andere Ausfall mehr weh tut als im Mittelfeld, wo wir extrem viele Möglichkeiten haben", sagte Voss-Tecklenburg. "Wir haben uns vorher klar Gedanken gemacht, wer wo spielen kann, welche Spielerinnen flexibel in ihren Positionen sind."

In jedem Fall wird durch den Ausfall von Rauch die Ausrichtung angepasst werden müssen, wenn nun in der Außenverteidigung auf beiden Seiten gelernte Offensivkräfte spielen. Stürmerin Klara Bühl hatte sich gegen die selten gefährlichen Marokkanerinnen kaum ums Verteidigen kümmern müssen, hinter ihr wusste sie in Rauch ja eine zuverlässige Abwehrspezialistin. Huth hat ohnehin einen starken Drang nach vorne und soll ihre Rolle auch ruhig so interpretieren - wenn sonst drei von vier Kettenmitgliedern Routine in ihrer Aufgabe haben. "Wir werden den Ausfall kompensieren. Da bin ich mir sehr, sehr sicher", sagte Voss-Tecklenburg noch.

Angesichts des Ausfalls von Rauch ist daher die Rückkehr jener Fußballerin umso wichtiger, die im defensiven Mittelfeld des deutschen Nationalteams ohnehin nicht zu ersetzen ist: Lena Oberdorf soll gegen Kolumbien sicher wieder auf dem Platz stehen. Und womöglich kann sogar Hegering wieder spielen.

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