DFB-Team gegen Kolumbien:Die kampfstarke Strategin kehrt zurück

Lesezeit: 4 min

Beim Auftakt gegen Marokko saß Lena Oberdorf (2. v. r.) noch auf der Bank - so war wenigstens Maskottchen "Waru" gut aufgehoben. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Lena Oberdorf gehört zu den besten Mittelfeldspielerinnen der Welt. Nun ist die 21-Jährige wieder fit und steht gegen Kolumbien in der Startelf - doch das deutsche Team plagen schon die nächsten Verletzungssorgen.

Von Anna Dreher, Wyong

Es dauerte eine Weile, aber dann kamen auch Lena Oberdorf und Jule Brand aus dem Mannschaftsbus gestiegen. Oberdorf summte lieber nur noch, wohl wissend, dass sie jetzt unter Beobachtung stand. Brand hingegen sang dicht hinter ihr gut hörbar und bestens gelaunt weiter, bis sie die Bustreppe heruntergegangen war. Merle Frohms schaute zu beiden und lachte. "Schön, den Medien wieder was bieten, was?", sagte die deutsche Nationaltorhüterin, bevor sie weiterging Richtung Trainingsplatz.

Gegenüber dem Mannschaftsbus hatten sich hinter einem Gitterzaun Kameras aufgereiht, um diesen Vorgang zu dokumentieren. Gerade findet schließlich eine Weltmeisterschaft statt. Und auch vermeintlich Banales gewährt bei so einem wichtigen Turnier Einblick, wie die Stimmung in einer Gruppe gerade ist und wer wie drauf ist.

Deutsche Nationalelf
:Hallo, sehr erfreut, wir sind die neue Flügelzange!

Jule Brand weckt beim DFB große Hoffnungen und erinnert an die jüngere Klara Bühl. Zusammen bilden die beiden ein gefährliches Angriffsduo - dabei musste Brand zuletzt um Einsatzzeit kämpfen.

Von Anna Dreher

Die Gemütslage des deutschen Teams scheint nach der letzten Einheit am Freitag vor der Abreise nach Sydney klar zu sein. Sogar geschunkelt wurde, Laura Freigang und Klara Bühl nahmen nach den ersten Metern über den Rasen die Beine hoch, als würden sie sich für einen Auftritt als Tanzmariechen vorbereiten. Aber der Blick ging, wie in den vergangenen Tagen, vor allem zu Lena Oberdorf.

Gegen Kolumbien sei "Obi mit Sicherheit wieder fit", sagt die Bundestrainerin

Vor drei Wochen hatte sich die Mittelfeldspielerin des VfL Wolfsburg gegen Sambia im abschließenden WM-Test am Oberschenkel verletzt. Ausgerechnet sie. Neben Kapitänin und Sturmspitze Alexandra Popp ist Oberdorf am schwersten, vielleicht sogar gar nicht zu ersetzen. An den ersten Tagen auf der anderen Seite des Globus strampelte Oberdorf wie die mit einer Fersenprellung weiterhin fragliche Abwehrchefin Marina Hegering auf einem Ergometer, während das Team wenige Meter entfernt das reguläre Programm absolvierte. Am Sonntag vor zwei Wochen trainierte Oberdorf dann erstmals wieder auf dem Platz und mit Ball. Am Wochenende vor dem Auftakt gegen Marokko (6:0) konnte sie weitgehend die Einheiten mit den anderen absolvieren und das Abschlusstraining in Melbourne bestreiten, den rechten Oberschenkel noch immer bandagiert.

Die Partie gegen Marokko am vergangenen Montag wäre dennoch zu früh gekommen, Oberdorf schaute von der Bank aus zu und war damit beauftragt, das von Klara Bühl selbst gehäkelte Koala-Maskottchen "Waru" aufzuwärmen. Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg hatte trotz dieser Vorsichtsmaßnahme zuvor bereits Entwarnung gegeben. " Für das zweite Gruppenspiel gegen Kolumbien kann ich sagen, dass Obi mit Sicherheit wieder fit ist", sagte die 55-Jährige im SZ-Interview.

Gegen Marokko von Beginn an dabei, nun fehlt Felicitas Rauch (re.) auf unbestimmte Zeit. (Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Gegen Marokko wurde Oberdorf problemlos von Melanie Leupolz vertreten, die mit Sara Däbritz die Doppelsechs bildete, Lina Magull agierte vor den beiden offensiv. Gegen die Kolumbianerinnen am Sonntag (11.30 Uhr, ARD) aber werden Oberdorfs Fähigkeiten gefragt sein. Umso mehr, als dass der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Abend bekanntgab, dass sich Linksverteidigerin Felicitas Rauch im Training am Freitag das rechte Kniegelenk verstaucht hat und auf unbestimmte Zeit ausfallen wird. Da ist die eine Lücke endlich geschlossen, schon klafft die nächste in der ohnehin verletzungsgeplagten Defensive. Rauchs eigentlich vorgesehene Vertreterin Carolin Simon hatte kurz vor der WM einen Riss des Kreuzbandes erlitten. Nun könnten Chantal Hagel oder Sophia Kleinherne Rauch ersetzen.

Im defensiven Mittelfeld zählt Lena Oberdorf weltweit zu den Besten

Kolumbien reist mit dem Selbstbewusstsein aus einem 2:0 gegen Südkorea an. Aufsehen erregt hatte das Team von Trainer Nelson Abadía (der von der Fifa wegen einer Auseinandersetzung im Finale der Copa América noch gesperrt ist und erst wieder im dritten Gruppenspiel von der Seitenlinie aus coachen darf) vor allem vor der WM, als ein Test gegen Irland nach 23 Minuten wegen übermäßiger Härte abgebrochen worden war. Damit bestätigten sich Voss-Tecklenburgs Warnungen, wie physisch stark die Südamerikanerinnen auftreten könnten. "Das klingt erst mal ein bisschen brutal", hatte Magull zu dem Vorfall gesagt, sich aber damit beruhigt, dass die Schiedsrichterinnen nun sicher erst recht aufmerksam darauf schauen würden.

Svenja Huth sagte, es gebe auch gegen solche Gegner Mittel - den Ball schnell laufen zu lassen beispielsweise. "Wenn die Zweikämpfe ein bisschen rustikaler ausfallen, dann sollte man das Beinchen nicht zurückziehen, sondern hinhalten", gab Joti Chatzialexiou, Sportlicher Leiter Nationalmannschaften beim DFB, die Devise aus: "Wir haben viele Spielerinnen, die auch entsprechend dagegenhalten können." Vor allem Oberdorf zeichnen körperliche Robustheit, Zweikampfstärke sowie die Lust, in Duelle zu gehen, aus. Hinzu kommt ein großes strategisches Verständnis. "Deshalb liebe ich es, sie in meinem Team zu haben statt beim Gegner", sagte Klara Bühl. "Wir sind unglaublich froh, dass sie wieder zurück ist."

Im defensiven Mittelfeld zählt Oberdorf weltweit zu den Besten. Und das mit erst 21 Jahren nach 38 DFB-Einsätzen. Bei der EM vergangenes Jahr war sie längst unumstrittene Stammkraft und wurde zur besten Nachwuchsspielerin gewählt. Die Fifa nominierte sie zudem für die Weltauswahl. Hinzu kamen die Auszeichnungen als Europas drittbeste und weltweit viertbeste Spielerin. Schon ihre Premiere auf großer internationaler Bühne hinterließ Eindruck: Bei ihrer ersten WM 2019 wurde Oberdorf mit 17 zur jüngsten deutschen WM-Debütantin, sie spielte, wenn Physis gefragt war: "Wenn wir das mit der jüngsten Spielerin erreichen, spricht das für Lena", sagte die Bundestrainerin damals.

Rechtzeitig zur Weltmeisterschaft hat Oberdorf nach all der Aufregung um sie ihre Leichtigkeit wiedergefunden. Vor dem Turnier hatte sie davon erzählt, dass sie in dieser Saison bisweilen eine Leere verspürt und sich nach ihrem bisher so steilen Aufstieg enorm viel Druck gemacht habe. Ein Sportpsychologe half ihr. Dass eine ohnehin schon so starke Fußballerin nun auch im Kopf Wege gefunden hat, in schwierigen Situationen Ruhe zu bewahren, ist eine schlechte Nachricht für die Gegnerinnen von Lena Oberdorf - und eine äußerst gute für das deutsche Nationalteam.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

SZ PlusBundestrainerin im Interview
:"Copy-and-paste funktioniert nicht"

Martina Voss-Tecklenburg erklärt, warum sich die tolle EM-Stimmung aus dem Vorjahr bei der WM nicht einfach wiederholen lässt, spricht über das Ziel Titelgewinn, den kalten australischen Winter - und den erstaunlichen Gerd Müller.

Interview von Anna Dreher

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: