Kolumbiens Linda Caicedo:Der Feinfuß der Zweikampfmannschaft

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Hat ganz viel Liebe für den Fußball übrig: Linda Caicedo lenkt mit 18 Jahren schon die Angriffe Kolumbiens. (Foto: Dan Himbrechts/AAP/Imago)

Dem kolumbianischen Team hängt der Ruf der überharten Truppe an - doch da ist auch die 18-jährige Linda Caicedo. Das Talent spielt bereits seine dritte WM in diesem Jahr. Vor dem Spiel gegen Deutschland sorgt sie für einen Schreckmoment.

Von Felix Haselsteiner, Sydney/Wellington

"Linda ist sehr müde", so lautete die offizielle Mitteilung des kolumbianischen Fußballverbandes nach dem Schreckmoment im Training des zweiten deutschen Gruppengegners bei der Weltmeisterschaft. Linda Caicedo hatte sich beim lockeren Joggen plötzlich an den Oberkörper gegriffen und war zu Boden gegangen. Ein "Symptom des Stresses und der physischen Belastung" sei das gewesen, versuchten die Ärzte später die kolumbianischen Journalisten zu beruhigen. Die Nachrichten berichteten trotzdem vom "Alarm" bei der Selección - was bei Caicedos einzigartiger Geschichte durchaus verständlich ist.

Ihre dritte WM innerhalb eines Jahres spielt die Stürmerin aktuell, auf dem dritten Kontinent. Im vergangenen August erreichte sie mit der kolumbianischen U20-Auswahl in Costa Rica das Viertelfinale, im Oktober spielte sie bei der U17-WM in Indien, wo sie mit Kolumbien im Endspiel war und postwendend von Real Madrid verpflichtet wurde. Nun tritt sie bei der WM der Großen in Australien und Neuseeland an, und wer dachte, im Alter von 18 Jahren brauche es womöglich ein wenig Zeit, um den Übergang auf dieses Niveau zu schaffen, den widerlegt Caicedo.

Linda Caicedo (li.) kann den Ball auf gefährliche Flugbahnen schicken, gegen Südkorea trifft sie aus der Distanz. (Foto: Cameron Spencer/Getty)

Das erste Gruppenspiel der Kolumbianerinnen gegen Südkorea dominierte die Spielerin mit der Nummer 18 nach Belieben, mit ihren schnellen Läufen, ihren Dribblings und nicht zuletzt mit den Distanzschüssen, für die sie bekannt ist. Bei der U17 und der U20 traf sie bereits aus großer Entfernung, bei dieser WM erzielte sie den ersten Turniertreffer Kolumbiens von außerhalb des Strafraums, wobei die südkoreanische Torhüterin Yoon mit einer schwachen Parade ihren Beitrag dazu leistete.

Fußball sei für sie "Leidenschaft und Liebe", sagt Caicedo

"Ein Phänomen" sei Caicedo, sagen ihre Mitspielerinnen, sie verbreite Spiel- und Lebensfreude gleichermaßen, was bei den Kolumbianerinnen auf dem Feld zu einer klaren Aufteilung führt: Sie ist für das Feinfüßige, Spielerische zuständig - der Rest des Teams scheut keinen Zweikampf. Wer Caicedo beim Spielen zusieht, der versteht ihren Leitspruch: Fußball sei für sie "Leidenschaft und Liebe", hatte sie vor der WM in einem Interview gesagt, das ist in jeder Situation zu spüren. "Sie möchte den Ball haben, sie möchte die Mannschaft anführen, versteckt sich nicht", sagte Kolumbiens Assistenztrainer Angelo Marsiglia nach der Partie gegen Südkorea, die nicht nur eine fußballerische Vorführung gewesen sei, sondern vor allem eine des großen Selbstbewusstseins, das Caicedo in sich trägt.

Dass Marsiglia diese Sätze sagte, liegt daran, dass Kolumbiens Nationaltrainer Nelson Abadía die ersten zwei Spiele der Weltmeisterschaft nach einer Sperre aus der Copa América im vergangenen Jahr auf der Tribüne verbringen muss, weshalb er auch gegen Deutschland am Sonntag (11.30 Uhr, ARD) nicht dabei sein kann. Seine Worte hätten vermutlich nicht anders geklungen, denn Abadía gilt selbst als größter Fan des Mädchens, dessen tragische Geschichte er schon lange begleitet.

Als Caicedo im Alter von 15 Jahren an Eierstockkrebs erkrankte, war der damalige Verbands-Jugendtrainer Abadía für sie ein wichtiger Ansprechpartner. Vor der Operation habe er ihr damals am Telefon Beistand geleistet und gesagt, sie müsse nur ruhig bleiben, berichtete The Athletic über die enge Verbindung zwischen Trainer und Fußballerin, die beide aus der Region Valle de Cauca stammen.

Es scheint, als habe Caicedo sich diese innere Ruhe erhalten, nach ihrer Erkrankung und mit der Erfahrung der Jugend-Weltmeisterschaften. "Ich bin noch jung - sehr jung", sagte sie, als sie nach ihrem ersten Auftritt gleich als Spielerin des Spiels auf der Pressekonferenz Platz nahm: "Ich bin hierhergekommen, um die Weltmeisterschaft ohne Druck zu genießen."

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