Ganz so lange wie in Bahrain mussten die Zuschauer dieses Mal nicht warten, bis das zweite Auto die Ziellinie überquert hatte. Vergangene Woche waren es mehr als 22 Sekunden gewesen, eine gefühlte Ewigkeit, diesmal wenigstens nur acht. Aber die Reihenfolge an der Spitze blieb die gleiche: Wieder vermochte keiner der 19 Konkurrenten den amtierenden Weltmeister aufzuhalten. Max Verstappen gewann am Samstag in Saudi-Arabien auch das zweite Rennen des Jahres, saisonübergreifend markiert dieser Erfolg seinen neunten Sieg in Serie und seinen 56. in der Königsklasse des Motorsports insgesamt.
Und so zeichnete sich noch deutlicher ab, dass es nicht viel Abwechslung während dieser mit 24 Grand Prix historisch langen Saison geben dürfte. "Ich habe mich super gut gefühlt im Auto und im Rennen", sagte Verstappen. Neben ihm auf dem Podest stand sein Teamkollege Sergio Perez, der den Doppelerfolg von Red Bull garantierte und wegen zu riskantem Losfahren nach einem Boxenstopp eine Fünf-Sekunden-Strafe erhalten hatte. In der Statistik lag er damit 13 Sekunden hinter Verstappen. Charles Leclerc reichte aber auch das nicht, um noch auf Platz zwei zu kommen. Er bewertete seinen Arbeitstag als "etwas langweiliges Rennen, weil die Red Bulls so schnell waren. Wir haben für uns aber das Maximum herausgeholt."
Nico Hülkenberg, einziger Deutscher im Feld, ergatterte sich mit einer starken Fahrt von Rang 15 auf 10 im Haas noch einen Punkt. Damit ist er in der WM Elfter. Verstappen führt in der Gesamtwertung mit 51 Zählern vor Perez (36) und Leclerc (26).
Affären in der Formel 1:Von Crashgate bis Spygate
Nach der Untersuchung gegen Teamchef Christian Horner ist ein Machtgerangel bei Red Bull entbrannt, das die Formel 1 verändern könnte. Es wäre nicht das erste Mal. Vier Beispiele, wie Skandale diesen Sport ins Schleudern gebracht haben.
Wie schon in Bahrain war vor allem erstaunlich, wie Verstappen ausblenden konnte, was neben der Strecke gerade alles los ist in seinem Team. Denn am Freitag, als er problemlos die schnellste Qualifikationszeit fuhr, stand auf einmal Helmut Marko im Fokus des Konzernstreits, Motorsportberater des Teams, Förderer und Vertrauter des Weltmeisters. Plötzlich hieß es, Marko stehe vor der Ablösung. Was genau ihm vorgeworfen wurde, blieb vorerst unklar, nur dass am Samstag ein Gespräch mit Red-Bull-Geschäftsführer Oliver Mintzlaff geplant sei, wurde bekannt: "Es muss alles passen, damit ich da weiterarbeiten will", sagte Marko.
Diese Neuigkeit wiederum nahm Verstappen zum Anlass, seine bisherige Zurückhaltung abzulegen - so deutlich wie in diesem Fall noch nie. Er stellte heftige Nebeneffekte bei einer Marko-Entlassung in Aussicht. "Dann haben wir vielleicht ein großes Problem im Team", sagte Verstappen am Freitagabend. Bei Red Bull wüssten alle, "dass für mich der Helmut immer dabei sein muss." Wie seine Zukunft aussehe, hänge auch von Marko ab. Was sie gemeinsam erreicht hätten, gehe weit zurück: "Meine Loyalität ihm gegenüber ist groß."
Marko zählt zum österreichischen Lager des Red-Bull-Konzerns, Horner hat offenbar die Unterstützung der thailändischen Mehrheitseigner. Der kolportierte Machtkampf in der GmbH nach dem Tod von Gründer Dietrich Mateschitz spiegelt sich auch im Team wider. Wie es weitergehe, sagte Verstappen noch, werde sich nächste Woche zeigen. Haben seine deutlichen Worte eine Rolle gespielt? Vor dem Start am Samstag erzählte Marko jedenfalls, das Gespräch mit Mintzlaff sei gut gelaufen. Das Ergebnis: "Ich mache weiter, ja."
Aber was waren eigentlich die Vorwürfe gegen Marko? Nachdem Horner vergangene Woche von Red Bull vom Vorwurf des unangemessenen Verhaltens gegenüber einer Mitarbeiterin freigesprochen wurde, waren anonym Chatnachrichten und Fotos verbreitet worden, die angeblich zwischen ihm und der Mitarbeiterin ausgetauscht worden sein sollen. Eine Frage nach Gerüchten, Marko habe diese versendet, wies er in Saudi-Arabien am Sky-Mikrofon zurück: "Das ist kompletter Schwachsinn. Ich bin heilfroh, wenn ich mein Handy halbwegs bedienen kann." Die Angelegenheit dürfte damit aber längst nicht vorbei sein.
Bei diesem Rennen in Dschidda geht der Blick auch ins Mittelfeld - wegen einer Besonderheit
Um zu erfahren, wie es sportlich weitergehen sollte, mussten die Zuschauer nicht weiter warten. Verstappen hatte auch am Samstag kein bisschen von seiner Stärke verloren. Er kam beim Start wunderbar weg und konnte im Rückspiegel beobachten, wie sich Leclerc und Perez um die erste Verfolgerposition balgten. Rad an Rad ging es hin und her. Leclerc gewann dieses Duell zunächst, in der vierten Runde aber kam Perez doch am Ferrari vorbei. Würde das hier von nun an eine Spazierfahrt für die Weltmeister werden?
Spannung bot dieses Rennen ganz unabhängig von den Geschehnissen an der Spitze im Mittelfeld - wegen einer Besonderheit. Leclercs Teamkollege Carlos Sainz war am Samstag nur als Besucher an der Strecke. Der Spanier hatte am Freitag wegen einer Blinddarmentzündung operiert werden müssen. Seiner statt lenkte der 18 Jahre alte Oliver Bearman den 950 PS starken roten Rennwagen.
Eigentlich wäre er an diesem Wochenende in der Formel 2 gestartet und hatte sicher nicht damit gerechnet, dass er als Reservefahrer tatsächlich eingesetzt werden würde. Zeit, sich mit allem wirklich vertraut zu machen, blieb ihm kaum. Der Engländer schaffte es dennoch, das Auto unfallfrei durch die Qualifikation zu lenken - und ergatterte sich Startplatz elf. Damit machte er sich zum jüngsten Grand-Prix-Teilnehmer in Ferraris bald 75-jähriger Formel-1-Historie. Sein erstes Überholmanöver gelang ihm in der 15. Runde, damit fuhr er vorläufig auf einem Punkterang. Später arbeitete er sich weiter vor. "Du machst da draußen einen Mega-Job", lautete im Laufe des Rennens per Funk völlig zurecht das Lob an ihn.
Aber auch vorne kam Bewegung rein. Lance Stroll war mit seinem Aston Martin in einer Kurve erst links an die Begrenzung geraten, was seine linke vordere Radaufhängung derart beschädigte, dass er die Kontrolle verlor und wenige Meter später rechts einschlug. In der siebten Runde wurde die gelbe Flagge geschwenkt und das Safety Car rollte raus. Die Pause nutzten erst die beiden Red Bull sowie Leclerc und schließlich einer nach dem anderen zum Boxenstopp. Dadurch änderte sich die Reihenfolge, nachdem die Strecke in der neunten Runde wieder freigegeben worden war. Lando Norris im McLaren bog nicht zum Reifenwechsel ab und führte das Feld nun vor Verstappen und Lewis Hamilton im Mercedes an. Norris wartete lange ab bis zur Eröffnung, aber es lohnte sich: Der Engländer konnte Verstappen auf Distanz halten.
Doch nur vier Runden später hatte Verstappen die zuletzt gewohnte Ordnung wieder hergestellt, auf der Startgeraden klappte er im sogenannten DRS-Modus seinen Heckflügel ab und brauste am McLaren vorbei. Parallel gelang auch Perez ein Manöver. Damit waren wieder beide Red Bull vorne, Norris und Leclerc hinter sich. Als etwas mehr als die Hälfte der insgesamt 50 Runden auf dem Hochgeschwindigkeitskurs absolviert waren, hatte Verstappen knapp sieben Sekunden Vorsprung auf Perez, der wiederum knapp sechs Sekunden vor Leclerc fuhr. Der Monegasse war noch an Norris vorbeigekommen.
Den amtierenden Weltmeistern aber konnte er nicht mehr gefährlich werden. Immerhin schnappte er sich noch die schnellste Runde. Und Bearman im zweiten Ferrari? Der schaffte es, den Vorsprung auf seine Landsmänner Norris und Hamilton zu verteidigen - und holte bei seinem Debüt als Siebter WM-Punkte.