Formel 1:Verstappen siegt - Desaster für Ferrari

Lesezeit: 5 min

"Wir haben alles richtig gemacht" - Max Verstappen kam beim Start gut weg und lief dann nie Gefahr, die Position an der Spitze zu verlieren. (Foto: Guglielmo Mangiapane/Reuters)

Beim Großen Preis der Emilia Romagna gewinnt der Niederländer vor seinem Teamkollegen Sergio Perez. Charles Leclerc geht "übers Limit" und landet im Reifenstapel.

Von Anna Dreher, Imola/München

Zehn Runden noch. Charles Leclerc wollte es versuchen, er musste dran bleiben. Gerade war er Dritter hinter den beiden Red-Bull-Piloten Max Verstappen und Sergio Perez, aber das hier war sein Territorium, der Große Preis der Emilia Romagna ist schließlich ein Heimrennen für Ferrari. Perez lag in Reichweite, also gab Leclerc Gas, er wollte ihn unbedingt überholen. Die Tifosi auf den Zuschauerrängen schrien bald darauf auf, aber nicht aus Begeisterung. Leclerc war zu schnell über eine Streckenbegrenzung gedonnert, in der Variante Alta drehte er sich und schlug schließlich in den Reifenstapel ein. Mamma mia! Che disastro!

Der 24 Jahre alte Monegasse schaffte es noch, sein Auto wieder auf die Strecke zu bringen, doch einfach weiterfahren konnte er nicht. Er musste ein drittes, unfreiwilliges Mal an die Box, sein Frontflügel war beschädigt. 8,8 Sekunden stand er da, bekam direkt auch neue Reifen angeschraubt, aber an einen Podestplatz war danach nicht mehr zu denken, er fiel auf Platz neun zurück. Bis die 63 Runden zu Ende waren, hatte er sich wenigstens noch auf Rang sechs vorgekämpft. "Da gibt es keine Entschuldigung, ich habe einen Fehler gemacht, den ich nicht hätte machen dürfen", sagte er reumütig. "Es ist eine Schande. Ich bin übers Limit gegangen und habe den Preis dafür bezahlt." Ein gebrauchtes Wochenende für die Scuderia, in Runde eins war bereits Carlos Sainz ausgefallen.

Formel 1 in Imola
:Gefangen zwischen Show und Budget

Beim Sprintrennen vor dem Grand Prix in Italien setzt sich Weltmeister Max Verstappen vor Charles Leclerc durch - und kritisiert die hohe Belastung durch die Umstrukturierung der Wochenenden.

Von Elmar Brümmer

Stattdessen feierte Weltmeister Verstappen im Autodromo Enzo e Dino Ferrari seinen zweiten Saisonsieg im vierten Rennen. "Das war ein sehr einsamer Sonntag", gab Verstappen nach der Zieldurchfahrt per Funk durch und befand: "Wir haben alles richtig gemacht". Perez wurde mit 16,5 Sekunden Rückstand Zweiter vor McLaren-Pilot Lando Norris. Sebastian Vettel holte als Achter die ersten Punkte des Jahres für sich persönlich und Aston Martin, Mick Schumacher beendete das Rennen als Siebzehnter. Die WM führt Leclerc mit 86 Punkten weiterhin an, doch die Reihenfolge dahinter hat sich neu gemischt: Verstappen ist statt Fünfter nun Zweiter (59), Perez Dritter (54).

Leclercs Kollege Carlos Sainz ergeht es noch schlechter - er wird in der ersten Runde ins Kiesbett gedrängt

Es war eines von drei Wochenenden in dieser Saison, das etwas anders abläuft als gewohnt. Zum vierten Mal in der Formel-1-Geschichte fand die Qualifikation bereits am Freitag statt. Mehrere Unterbrechungen führten bei Regen zu einem gewissen Chaos, an dessen Ende sich Verstappen als Schnellster vor Leclerc und Norris durchsetzte. Damit war die Startreihenfolge für Samstag vorgegeben, an dem der sogenannte Sprint über 21 Runden das erste Rennen bildet. Nach Imola wird es das Format, das für zusätzliche Unterhaltung sorgen soll, auch in Spielberg und São Paulo geben. Die ersten acht Fahrer bekommen Punkte auf ihr Konto gutgeschrieben.

Verstappen war wieder Schnellster. Damit sicherte er sich nicht nur die beste Parkbucht für Sonntag, sondern auch acht wichtige Punkte in der Gesamtwertung. Vergangene Saison, als das Format erstmals durchgeführt wurde, waren es für den Erstplatzierten nur drei. Und schon da hatte der Niederländer davon profitiert: fünf seiner am Ende acht Zähler Vorsprung auf Lewis Hamilton hatte Verstappen sich bei seinem Titelgewinn 2021 im Sprint geholt.

Große Enttäuschung nach dem verpassten Podium: Ferrari-Pilot Charles Leclerc hat sich das Heimrennen vermasselt. (Foto: Dan Mullan/Getty Images)

Im Rennen dann konnte Verstappen seine Pole Position verteidigen, er kam auf der feuchten Strecke gut weg - im Gegensatz zu Leclerc. Der war plötzlich Vierter statt Zweiter. Ein viel größeres Desaster erlebte sein Teamkollege Carlos Sainz. Kaum war das Feld gestartet, wurde der Spanier in der Tamburello-Kurve ins Kiesbett gedrängt. Im Gemenge schob sich der Alfa Romeo von Valtteri Bottas unter den McLaren von Daniel Ricciardo, der dann wiederum Sainz von der Fahrbahn beförderte. Rückwärts rollte er ins Aus.

"Ich habe den McLaren Platz gelassen, aber unglücklicherweise hat Daniel einen Fehler gemacht, ist in mich reingekracht, und ich habe den Preis dafür gezahlt", sagte Sainz bei Sky. Bereits am Freitag war er verunfallt. Das Safety Car kam, die 20 Boliden in einer Karawane hinter sich. Ricciardo konnte sich noch befreien und zurück auf den Asphalt fahren, damit war der Australier Letzter, aber immerhin noch dabei.

Weil sich nach einem äußerst regnerischen Vormittag wieder Regen auf dem Radar ankündigte, nutzte trotz abtrocknender Strecke keiner der Fahrer die Unterbrechung für einen Reifenwechsel. In der fünften Runde bog das Safety Car wieder ab. Verstappen und Perez konnten sich an der Spitze weiter absetzen, Leclerc kam näher an Norris heran und schließlich nach acht Runden an ihm vorbei, unter großem Jubel der Fans. Der Abstand zu den Red Bull betrug da noch sechs Sekunden, aber das Rennen war ja noch lang.

Auf seiner Heimstrecke hatte Ferrari zuletzt 2006 gewonnen, dabei bleibt es auch nach dem Rennen 2022

"Er hat breite Schultern. Wenn er die Führung übernimmt, ist es schwer, ihn zu überholen: Er ist ein Magier im Nahkampf", hatte Teamchef Mattia Binotto dem Corriere della Sera zuvor über den Monegassen gesagt - in den Ferrari viel Hoffnung setzt, um wieder Titel zu gewinnen. Zwischen September 2019, als Sebastian Vettel in Singapur gewann, und März 2022 war der Traditionsrennstall ohne Sieg geblieben. In diese Saison dann ist Leclerc mit einem Sieg gestartet. Vor dem Großen Preis der Emilia Romagna hatte er zwei von drei Rennen gewonnen und sich mit deutlichem Vorsprung an die Spitze der Gesamtwertung gesetzt. Auf seiner Heimstrecke hatte Ferrari zuletzt 2006 mit Michael Schumacher gewonnen, danach wurde der 4,909 Kilometer lange Kurs aus dem Kalender gestrichen und erst in der Corona-Saison 2020 wieder aufgenommen. Damals gewann Lewis Hamilton im Mercedes, 2021 dann Verstappen. Und nun?

Am Sonntag sollte Ferrari der erste Reifenwechsel beim Positionswechsel helfen. Nach 19 Runden kam Perez als Erster der Führenden an die Box und ließ sich seine Regenpneus abschrauben. Damit löste er eine Welle aus. Nach und nach bog einer nach dem anderen ab und wechselte auf die Gummimischung für trockene Bedingungen. "Box, Box", hörte schließlich auch Leclerc, der kurz nach Verstappen anhielt. Während der Weltmeister in 2,3 Sekunden abgefertigt wurde, dauerte das Prozedere 3,7 Sekunden bei den Roten - doch es reichte. Leclerc kam zurück, bevor Perez auf der Start-Ziel-Gerade an ihm vorbeirauschen konnte. Nur die Freude darüber währte nicht lange, mit bereits eine Runde lang aufgewärmten Gummis schnappte sich der Red Bull den Ferrari und war direkt wieder Zweiter. Leclerc verkürzte den Abstand immer wieder, aber er kam und kam nicht vorbei.

Während das Mittelfeld nah beieinander lag und es immer wieder zu Positionswechseln kam, konnte Verstappen an der Spitze in Ruhe seine Runden drehen, nach etwa der Hälfte des Grand Prix betrug selbst der Abstand auf seinen Teamkollegen Perez mehr als zehn Sekunden. Und dann, nach 41 Runden, kam es doch noch zu einem Duell mit seiner Beteiligung: Amtierender Weltmeister gegen siebenmaligen Weltmeister, Verstappen gegen Hamilton - noch vor nicht allzu langer Zeit hätten jetzt alle den Atem angehalten, aber Hamilton wehrte sich kein bisschen, er ließ seinen Konkurrenten auf der Start-Ziel-Geraden passieren. Für ihn ging es nicht um den Sieg, der Brite wurde überrundet und beendete das Rennen enttäuscht als 13. Noch einmal fuhren die drei Führenden an die Box - doch die frischen Reifen sollten Leclerc nicht mehr helfen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Formel 1 in Imola
:Hier Aufstieg, dort Abstieg

Vor dem Großen Preis der Emilia Romagna wird die Fallhöhe in der Formel 1 deutlich: Während Charles Leclerc von Sieg zu Sieg fliegt und mit dem Erwartungsdruck umgehen muss, fängt Sebastian Vettel von vorne an.

Von Elmar Brümmer

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: