Max Verstappen in der Formel 1:Der Weltmeister lauert

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Ungefährdet zum Sieg - und das in Ferrari-Territorium: Red Bull meldet sich mit Max Verstappen (links) und dem zweitplatzierten Sergio Perez eindrucksvoll zurück. (Foto: Mark Thompson/Getty Images)

Vor zwei Wochen wirkte Red Bull in der Formel 1 chancenlos - nun ist der Titelkampf durch den Sieg von Max Verstappen in Imola neu entfacht. Der Druck auf Ferrari steigt.

Von Anna Dreher, Imola/München

Bevor sich die schnellsten drei Fahrer nach einem Formel-1-Rennen die Pokale überreichen lassen, warten sie in einem Raum. Nochmal mit dem Handtuch die Haare trocknen, Wasser trinken, entspannt plaudern - oder schweigen. Hier hat sich schon manch unterhaltsame Szene abgespielt. Am Sonntag, nach dem Großen Preis der Emilia Romagna, saßen der zweitplatzierte Sergio Perez, der Sieger Max Verstappen und Lando Norris auf Barhockern nebeneinander. Über einen Bildschirm flimmerten Momente vom eben beendeten Grand Prix. Verstappen hätte allen Grund gehabt zu lachen und mit den Kollegen zu scherzen. Aber er wartete ruhig und abgeklärt auf den nächsten Programmpunkt. Dabei hatte er Ferrari gerade eine schmerzhafte Niederlage beigefügt, ausgerechnet auf der Heimstrecke in Imola, vor tausenden Tifosi.

"Ich hatte nicht erwartet, dass es so läuft. Aber wenn du am Ende so ein Wochenende hast, ist das natürlich unglaublich", sagte der 24-Jährige später: "Auch wie wir dieses Rennen gehandhabt haben: Wir haben nicht wirklich Fehler gemacht." Der Niederländer war ein einsames Rennen an der Spitze gefahren, nachdem er sich beim Start direkt absetzen konnte - und vor allem Charles Leclerc im Ferrari stehen ließ.

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Allein auf seinen Teamkollegen Perez betrug Verstappens Vorsprung am Ende 16,5 Sekunden, fast 35 Sekunden dahinter rollte Norris im McLaren ins Ziel. Der Weltmeister hatte wieder mal seine enorme Nervenstärke und sein großes Talent bewiesen. Er erlebte ein perfektes Wochenende mit Pole Position, Sprintsieg, Rennsieg, schnellster Rennrunde und damit 34 von 34 möglichen WM-Punkten. Noch Fragen?

Vor zwei Wochen in Melbourne wirkt Red Bull noch chancenlos gegen Ferrari

Eine große Frage gab es natürlich: Wie nur hatte Red Bull das geschafft? Vor zwei Wochen in Melbourne wirkte das Team chancenlos gegen Ferrari. Danach hatte Sportdirektor Helmut Marko verraten, man hoffe auf die Wirkung eines Technik-Upgrades und darauf, das Gewicht des Autos zu reduzieren. "Das dürfte uns auf Höhe mit Ferrari bringen", sagte er - und behielt recht.

Nun fand Red Bull direkt das ideale Set-up, war schneller, und während Leclerc mehr Probleme mit den Reifen hatte, musste Verstappen sich damit nicht weiter befassen. Zudem, sagte Marko, sei entscheidend gewesen, "dass wir den Mut bewiesen haben, trotz nur eines freien Trainings unser Upgrade zu montieren". Diese Konstellation ergab sich, weil die Qualifikation bereits am Freitag nach einer Trainingssession und am Samstag das Sprintrennen über 21 Runden stattfand.

Ein Desaster für Ferrari: In der ersten Runde endet das Rennen für Carlos Sainz (hinten), sein Wagen muss abgeschleppt werden - und Charles Leclerc bringt sich selbst ums Podium. (Foto: Andy Hone/Motorsport Images/Imago)

Der ohnehin spannende Titelkampf ist jedenfalls neu entfacht zwischen zwei Fahrern, die sich schon zu Kartzeiten derart verbissen duellierten, dass Leclerc dieser Tage erzählte: "Es war entweder ich oder er. Deshalb haben wir uns irgendwann gehasst, weil es sehr oft nicht auf die beste Weise endete." Zwei Rennen hat er gewonnen, zwei Rennen nun auch Verstappen. Diese Ausgeglichenheit relativiert sich jedoch bei genauerem Hinsehen.

Beim Auftaktrennen in Bahrain hatte Red Bull ein Debakel erlebt, als beide Autos vorne lagen und kurz vor Schluss ausfielen, weil die Benzinzufuhr vom Tank zum Motor unterbrochen war. Leclerc triumphierte. In Saudi-Arabien konnte Verstappen vor dem Monegassen siegen, bevor in Australien die nächste Enttäuschung folgte: Wieder stoppte ihn ein Defekt. Leclerc fuhr zwar uneinholbar an der Spitze, aber Platz zwei hätte wichtige Punkte gebracht. "Wir liegen schon Meilen zurück", hatte Verstappen enttäuscht festgestellt - um nun umso stärker zurückzuschlagen.

Hätte Red Bull nicht die Probleme mit der Zuverlässigkeit gehabt, würde Verstappen wohl die WM anführen

Die Dominanz von Ferrari war zuvor überdeutlich, Leclerc fuhr in seiner eigenen Liga, der zweitplatzierte Perez hatte 20 Sekunden Rückstand auf ihn. Mit diesem Selbstbewusstsein reiste die Scuderia nach Imola. Doch nun waren es die Roten, die ein Desaster erlebten. Carlos Sainz wurde schon in der ersten Runde von der Strecke gedrückt. Leclerc fuhr als Dritter auf Podiumskurs, bis er zehn Runden vor Schluss beim Versuch, Perez noch einzuholen, zu schnell über eine Streckenbegrenzung donnerte und Glück hatte, das Rennen als Sechster beenden zu können.

Am Samstag noch bester Laune: Ferraris Charles Leclerc im Austausch mit Max Verstappen nach dem Sprint, das der Monegasse als Zweiter hinter dem Niederländer beendete. (Foto: Andrej Isakovic/AFP)

"Wir hatten nicht die Geschwindigkeit für viel mehr, und ich war zu gierig", musste er eingestehen. Leclerc zeigte Nerven, die Erwartungen an Ferrari waren besonders hoch. Dabei hatte er selbst zuvor gewarnt, bei all der Aufregung in Imola nicht übertreiben zu dürfen. Teamchef Mattia Binotto legte in seiner Analyse jedoch Wert darauf zu betonen: "Als ich ihn im Funk gehört habe, war er sehr ruhig. Er hat einfach einen Fehler gemacht, das kann immer passieren." Im Titelkampf darf Leclerc das nicht mehr oft unterlaufen - vor allem nicht bei einem Konkurrenten wie Verstappen.

Hätte Red Bull nicht Probleme mit der Zuverlässigkeit der Technik gehabt, würde wohl der Titelverteidiger die WM anführen. Vor dem Wochenende war er noch Fünfter - mit 46 Punkten weniger als der Führende Leclerc (71). Diesen Rückstand hat Verstappen auf 27 Punkte reduziert. Leclerc liegt in der Wertung mit 86 Zählern vorne, Verstappen (59) lauert nun dahinter. Und das trotz zweier Totalausfälle.

Wenn sein Auto ihn nicht im Stich lässt, ist Verstappen schwer zu schlagen. Das erhöht den Druck auf Ferrari, mit einer siegfähigen Kombination aus Auto und Fahrer abliefern zu müssen. "Red Bull ist sehr stark, und sie waren stärker als wir dieses Wochenende. Wir müssen das verstehen und wir müssen reagieren", sagte Leclerc. "Aber ich habe das Gefühl, dass es von der Strecke abhängt, wer von uns vorne landet." Was Red Bull zuletzt geholfen hat, will Ferrari in der Form bis zum nächsten Grand Prix nicht anwenden. Es soll bis auf ein paar neue Teile keine größeren Veränderungen am Auto geben. Auf Erfahrungswerte kann ohnehin keiner zurückgreifen: In Miami ist die Formel 1 noch nie gefahren.

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:Verstappen siegt - Desaster für Ferrari

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