Sieben Kurven in der Formel 1:Verstappens heftiger Disput mit seinem Ingenieur

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Zoffte sich via Funk: Max Verstappen gewann den GP der USA, aber zwischenzeitlich gab's auch mal Ärger. (Foto: Clive Mason/Getty Images via AFP)

Der Weltmeister braucht nach dem USA-Rennen wohl ein Versöhnungsessen. Lewis Hamilton wird dreieinhalb Stunden nach Ende bitter enttäuscht und ein Deutscher sieht positive Anzeichen. Die Höhepunkte des Rennwochenendes.

Von Elmar Brümmer, Austin

Max Verstappen

50. Karrieresieg, dazu der 15. in dieser Saison und damit die Einstellung des eigenen Rekords - selbst von Startplatz sechs ist dem Titelverteidiger nicht beizukommen. Nach dem Sieg-Hattrick in Austin wurde der Weltmeister befragt, wie er sein Jubiläum bewerte, und schlagfertig umschrieb er seine generelle Abneigung gegen Rekordbücher: "Gegenüber Lewis bin ich immer noch bloß ein Rookie." Hamilton hält die Spitze mit 103 Grand-Prix-Erfolgen. Ähnlich gelassen ging der Niederländer mit einem neuerlich heftigen Disput über Funk mit seinem Ingenieur Gianpiero Lambiase um. Der hatte Verstappen zweimal mit Wortmeldungen beim Bremsen genervt und bekam daraufhin vom Fahrer den Mund verboten. "Ich war doch höflich", behauptete der Sieger mit einem Grinsen, "und habe ,Bitte' gesagt." Der Italiener kennt das schon, vermutlich steht alsbald wieder ein Versöhnungsessen der beiden an.

Lewis Hamilton

(Foto: Chandan Khanna/AFP)

Zweiter, der höchsten Podeststufe ganz nah, weil der Mercedes auf dem Circuit of the Americas plötzlich das schnellste Auto war. "Auf Augenhöhe mit Red Bull zu fahren, macht mir Hoffnung", befand der Rekordweltmeister. Und wurde dreieinhalb Stunden nach Rennende doch wieder bitter enttäuscht. Sein Rennwagen lag ein paar Millimeter tiefer als erlaubt, was wie bei Ferrari automatisch eine Disqualifikation nach sich zog. Den Fehler vom Team, nicht den einzigen am Tag, versuchte der Mannschaftskapitän zu relativieren: "Es ist natürlich enttäuschend, nach so einem Rennen disqualifiziert zu werden. Aber das schmälert für mich nicht den Fortschritt, den wir an diesem Wochenende gemacht haben." Der beanstandete Unterboden war übrigens jenes Teil am Silberpfeil, das für das neue Leistungshoch gesorgt hatte. Ausgerechnet.

Lando Norris

(Foto: Chandan Khanna/AFP)

Papaya ist die Trendfarbe der Saison in der Formel 1, McLaren hat in Austin erneut überrascht. Auf der anspruchsvollen Piste erlebte das britische Team sein bestes Rennen. Am Start kassierte Lando Norris gleich den von der Pole-Position gestarteten Charles Leclerc, und richtete sich an der Spitze ein. Das Gefühl, Spitzenreiter zu sein, hat der 23-Jährige genossen, auch wenn die abbauenden Reifen mehr noch nicht zugelassen haben. Nach seinem 100. Grand Prix und der Beförderung auf Rang zwei sieht er die Zukunft orange: "Wir machen von Woche zu Woche Fortschritte. Jetzt braucht es nur noch ein paar Schritte."

Charles Leclerc

(Foto: Jim Watson/AFP)

Mit dem Monegassen und dem Rennglück in dieser Saison scheint es einfach nichts zu werden. Pole-Position beim Sprint in Austin - am Ende wurde er Dritter. Pole-Position beim Grand Prix am Sonntag - am Ende wird er bloß Sechster. Dachte er jedenfalls. Der zu tief gelegte Ferrari brachte ihm eine Disqualifikation ein. Schon vorher gab es reichlich Unmut seinem Team gegenüber: In der Anfangsphase des Rennens wäre er fast mit seinem Kollegen Carlos Sainz jr. kollidiert, später musste er den schnelleren Spanier durchlassen, was zum neuerlichen Disput mit dem Kommandostand führte. Und die Taktik, Leclerc auf einer Ein-Stopp-Strategie zu lassen, ging auch in die Hose. Öffentliche Kritik aber mögen sie in Maranello gar nicht, und selbst Teamchef Fred Vasseur, der Leclerc-Mentor, wurde leicht ungehalten. Für Sainz lief es besser, die Disqualifikation Hamilton ermöglichte dem Spanier den Sprung auf Platz drei.

Mohammed bin Sulayem

(Foto: Chris Graythen/Getty Images via AFP)

Wenn das keine prima Finanzierungsmöglichkeit für den Automobilweltverband Fia ist. Nicht nur, dass sich Fia-Präsident Mohammed bin Sulayem verstärkt für Respekt und Moral in der Formel 1 einsetzt, jetzt haben er und sein Motorsport-Weltrat auch flugs die Maximalstrafe für individuelle Vergehen von Rennfahrern und Rennställen auf bis zu einer Million Euro erhöht. Der Sport habe sich finanziell so gut entwickelt, dass die bisherigen 250 000 Euro nicht mehr genügten. Eine ganz neue Art des Inflationsausgleichs, wobei bislang niemand so genau weiß, für welche Untaten die Buße verhängt werden kann - noch wohin das Geld dann fließen wird.

Ferrari-Pilot Charles Leclerc hat auch keine Ahnung davon, aber er merkt an: "Einige Fahrer im Feld verdienen weniger als das..." Hamilton denkt laut darüber nach, welche Botschaft durch solche Summen an die Zuschauer gesendet wird. Fernando Alonso konkretisiert die Gefahr: "Wir werden doch eh schon als eine sehr elitäre Sportart wahrgenommen." Mercedes-Teamchef Toto Wolff kann da nur zustimmen, und rät zum "Realitätscheck".

Nico Hülkenberg

(Foto: Jerome Miron/USA TODAY Sports via Reuters Con)

Das größte Upgrade in der Geschichte des Haas-Rennstalls, hatte Teamchef Günther Steiner in vollmundiger Netflix-Manier für das Heimspiel beim Großen Preis der USA angekündigt. Etwas, worauf sich Nico Hülkenberg seit Wochen gefreut hat, weil es der Rückkehrer fast schon wieder leid war, sich das Herz aus dem Leib zu fahren, und außer ein paar ordentlichen Qualifikationsrunden im Rennen nie eine wirkliche Chance zu haben.

Besser geworden ist das mit einem Heck, das sehr dem von Red Bull Racing ähnelt, nicht unbedingt. Um ehrlich zu sein: nach den Pleiten im Sprint am Samstag haben sie das Auto wieder umgebaut und mussten zur Strafe aus der Boxengasse starten. Doch es blieb beim alten Spiel für den Emmericher: Gekämpft, mit den anderen und dem eigenen Auto - und dann trotz zweier Disqualifikationen als Elfter wieder leer auszugehen bei den WM-Punkten. Er will dem Upgrade nochmal eine neue Chance geben: "Ein paar positive Anzeichen habe ich gesehen."

Michael Andretti

(Foto: Paul Sancya/AP)

Die Fronten bleiben verhärtet, wenn es um die Zulassung eines elften Rennstalls für die Formel 1 geht. Da kann Kandidat Michael Andretti mit seinem unter der Fahne von Cadillac operierenden US-Team noch so viele Charme-Offensiven im Fahrerlager starten, das Establishment will die gute Milliarde Dollar an Gewinnausschüttung einfach nicht mit dem potenziellen Neueinsteiger teilen. Die Zeit läuft dem Ex-Rennfahrer davon. Wenn er es nicht 2025 in die Startaufstellung schafft, dann wird im nächsten Rahmenvertrag eine neue Zahl hinter der Eintrittskarte stehen. Bislang werden 200 Millionen Dollar Garantiesumme fällig, der Betrag könnte sich verdreifachen. Andretti versucht daher Fakten zu schaffen, und will schon in dieser Woche im Toyota-Windkanal in Köln einen Rennwagen mit dem aktuellen Stand der Saison 2023 ausprobieren. "Wir geben Vollgas", sagt Andretti trotzig. Mit Gegenwind kennt er sich ja bestens aus.

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