FC Bayern verliert das DFB-Pokalfinale:Wenn jedes Tor wie eine Watschn wirkt

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Die Bayern sind von den eigenen Fehlern im Pokalfinale so geschockt, dass sie hart mit sich ins Gericht gehen. Für das Spiel der Spiele am kommenden Samstag mutet all dies wenig verheißungsvoll an, denn auch der FC Chelsea ist ein Gegner, der all das beherrscht, womit der BVB den Bayern so weh tat. Was passiert eigentlich, wenn die Münchner am Ende tatsächlich dreimal als Zweiter dastehen?

Carsten Eberts, Berlin

Kurz nach dem Schlusspfiff wollte sogar Jupp Heynckes kein Moderator mehr sein. Viele Monate hatte der Fußballlehrer den FC Bayern zuvor kommunikativ durch eine nicht immer einfache Saison manövriert, immer ruhig, stets bedächtig in seiner Wortwahl. Er hatte genau gewusst, dass es in diesem aufgeregten Klub eine ruhige Stimme braucht, die nicht auch noch feurige Signalworte liefert, wenn die Welt rund um den FC Bayern wieder mal zusammenbricht.

Gefangen im Netz: Mario Gomez beim Pokalfinale gegen Dortmund. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Nach dem 2:5 im DFB-Pokalfinale gegen Borussia Dortmund war es auch um Heynckes geschehen. Er hatte zuvor schlimme Dinge gesehen, aufsehenerregende Abwehrfehler, die er so, zu diesem späten Zeitpunkt in der Saison, nicht für möglich gehalten hätte. Bei denen es auch nichts mehr brachte, zu moderieren, abzuwiegeln, Ruhe zu bewahren. Heynckes sagte: "Wir haben defensiv eine katastrophale Leistung gebracht. Es ging ja schon in der dritten Minute los. Wenn man so unkonzentriert startet, hat man den Sieg auch nicht verdient."

Vor einigen Wochen, als der FC Bayern in Meisterschaft, DFB-Pokal und Champions League noch drei Titelchancen gehabt hatte, unkte manch Beobachter bereits: Was passiert eigentlich, wenn die Münchner am Ende tatsächlich dreimal als Zweiter dastehen?

Zwei Drittel dieser unheilvollen Prognose sind nun eingetreten. Die Meisterschaft hatte der Klub frühzeitig dem BVB geschenkt, die zweite Titelchance, der nationale Pokal, war eine noch klarere Angelegenheit. Die Bayern haben nun ein Endspiel, von dem sich ohne Zweifel behaupten lässt: Mehr Finale geht nicht. In der Champions League, im eigenen Stadion, am kommenden Samstag gegen den FC Chelsea. Wenn innerhalb von 90 Minuten nicht weniger als eine ganze Saison gerettet werden muss.

Die Frage ist natürlich, wie der FC Bayern in dieser defensiven Konstitution in einem Champions-League-Finale bestehen soll. Heynckes' Elf, das darf nicht verschwiegen werden, hatten vor allem in der ersten Halbzeit offensiv ansprechenden Fußball gezeigt, sich den aufgedrehten Dortmundern gut organisiert entgegen gestellt, wie auch Heynckes in seiner Spielanalyse erkannte. Doch die Bayern raubten sich mit haarsträubenden Fehlern sämtliche Siegchancen.

Die Ausrede, die Bayern hätten das Pokalfinale mit Blick auf die Champions League nicht hundertprozentig ernst genommen, zählt diesbezüglich nicht. Heynckes hatte nicht taktiert, sondern seine beste Elf auf den Platz geschickt, völlig unabhängig davon, dass seine Mannschaft so gegen den FC Chelsea nicht auflaufen wird: Die für das Champions-League-Finale gesperrten Holger Badstuber, David Alaba und Luiz Gustavo durften von Beginn an spielen, nicht etwa Anatolij Timoschtschuk oder Diego Contento, auf denen gegen Chelsea die Verantwortung liegt.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Chaosgrätschen und fatale Fehlpässe

Manuel Neuer verewigt sich mit seinen Stollen im Torpfosten, Bastian Schweinsteiger wird getunnelt, Mario Gomez sorgt für diverse Spielunterbrechungen - und die Hoffnung in der Bayern-Abwehr liegt plötzlich wieder auf Daniel Van Buyten. Die Bayern beim 2:5 gegen den BVB in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Berlin

Nein, Heynckes wollte dieses Spiel gewinnen. Schon vor dem Champions-League-Finale den ersten Titel holen. Und dann das: Es hatte zeitweise etwas Slapstick-haftes, wie die Bayern dem BVB Geschenke überreichten - nicht etwa lieblos unter den Weihnachtsbaum geknallt, sondern pittoresk verpackt, mit buntem Papier und einer rosaroten Schleife drum.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Chaosgrätschen und fatale Fehlpässe

Manuel Neuer verewigt sich mit seinen Stollen im Torpfosten, Bastian Schweinsteiger wird getunnelt, Mario Gomez sorgt für diverse Spielunterbrechungen - und die Hoffnung in der Bayern-Abwehr liegt plötzlich wieder auf Daniel Van Buyten. Die Bayern beim 2:5 gegen den BVB in der Einzelkritik.

Carsten Eberts, Berlin

Etwa beim 1:0, nach gerade einmal drei Minuten, als Luiz Gustavo den Dortmundern am Bayern-Strafraum den Ball in den freien Raum servierte und zusehen musste, wie Shinji Kagawa dieses Präsent lockerleicht zur Führung verwertete. Oder vor dem 2:1, als Jérôme Boateng, der in Badstubers Abwesenheit gegen Chelsea die Bayern-Abwehr organisieren muss, per eingesprungener Grätsche quasi um den Elfmeterpfiff bettelte. Und ihn auch prompt bekam.

Oder vor dem 4:1 kurz nach der Pause. Als Kevin Großkreutz seinen Nationalmannschaftskollegen Bastian Schweinsteiger am eigenen Strafraum tunnelte, ehe der Ball Robert Lewandowski erreichte, von dem Badstuber, nicht zum ersten Mal an diesem Abend, viel zu weit weg stand. "Wir haben fünf eklatante Fehler gemacht", urteilte Schweinsteiger später. Auch Heynckes sagte: "Einige Spieler haben sich heute in der Defensive zu sehr unter Druck gesetzt und atypische Dinge gemacht. Das darf uns natürlich nicht nochmal passieren."

In der spätabendlichen Bankettrede stimmte auch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge in die Kritik ein. "Wenn man 2:5 verliert, ist das kein Zufall, dann ist das auch nicht Pech, sondern man muss klar und deutlich sagen: Das war eine Blamage", urteilte Rummenigge unter dem Applaus der Gäste und Sponsoren: "Jedes Tor der Dortmunder, das wir erlebt haben, ist dann wie so eine Watschn."

Für den kommenden Samstag mutet dies alles wenig verheißungsvoll an. Denn auch FC Chelsea ist ein Gegner, der all das beherrscht, womit der BVB den Bayern im Pokalfinale so weh tat: Das blitzschnelle Umschalten, das Öffnen einer Abwehr mit sezierenden Pässen, wie Fußballeuropa bereits im Halbfinale der Londoner gegen den FC Barcelona bewundern konnte. Und dann sind da auch noch diese beiden Stürmer, von deren Klasse auch der BVB, mit Verlaub, keinen im Kader hat: Didier Drogba, der ivorische Bulle. Und Fernando Torres, der flinke Spanier. Die beide ihre wohl letzte Chance nutzen wollen, mit dem FC Chelsea noch einen großen Titel zu gewinnen.

Der einzige Trost für die Bayern ist, dass das Pokalspiel so katastrophal verlief, dass die Spieler gar nicht anders können, als es schnellstens abzuhaken. "Alle wissen, was es nächste Woche noch gibt. Wir müssen jetzt ganz schnell umschalten", forderte Arjen Robben bereits wenige Minuten nach dem Abpfiff. Mario Gomez erklärte mit einem Lächeln im Gesicht: "Nach Niederlagen kann man auch wieder zurückkommen. Das ist ja das Schöne am Sport."

Auch Rummenigge fand am Ende seiner Bankettrede noch annähernd versöhnliche Worte. "Ich glaube, wir müssen uns heute kritisch hinterfragen, und wir müssen am nächsten Samstag sofort korrigieren, was wir uns heute Abend eingebrockt haben." Und endete mit den Worten: "Das ist etwas, um was ich die Mannschaft sehr herzlich bitte."

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