Lina Magull zu Inter Mailand:Die Künstlerin will wieder freier sein

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Lina Magull schoss in 159 Pflichtspielen 40 Tore, drei Jahre führte die als feine Technikerin bekannte Mittelfeldspielerin den FC Bayern als Kapitänin an. (Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Nach fünfeinhalb Jahren verlässt die Nationalspielerin den deutschen Meister und geht nach Italien. Sie dürfte damit auf einen Effekt setzen, der ihr schon einmal geholfen hat.

Von Anna Dreher

Im Sommer 2015 entschied sich die Fußballerin Lina Magull für einen vermeintlichen Schritt zurück. Sie hatte mit dem VfL Wolfsburg je zweimal die Champions League, die deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal gewonnen und als Kapitänin die U20 zum WM-Titel geführt. Und doch ging sie.

Magull verlängerte ihren Vertrag zwar bis 2018, für Wolfsburg spielen sollte sie allerdings nicht mehr. Statt dort auf mehr Einsatzzeit zu hoffen, ließ sie sich an den SC Freiburg verleihen, der gerade lediglich Siebter geworden war, später wechselte sie schließlich ganz nach Baden. Der Umweg brachte sie nach vorne, sie entwickelte sich zur Führungs- und Nationalspielerin, im Sommer 2018 ging sie zum FC Bayern München - nachdem Freiburg die Bundesliga zweimal als Vierter und bei ihrem Weggang als Dritter beendet hatte.

Wahrscheinlich hat Magull in den vergangenen Wochen und Monaten wieder oft an diese Phase ihres Lebens gedacht.

DFB-Sportdirektorin Künzer
:"Nia oder nix!"

Bei der Vorstellung von Nia Künzer als Direktorin für den Bereich Frauen schwärmen Verbandspräsident Neuendorf und Geschäftsführer Rettig. Die frühere Nationalspielerin hat sich viel vorgenommen - und will gegenüber dem DFB kritisch bleiben.

Von Anna Dreher

Seit Samstag ist offiziell, worüber bereits Gerüchte aufgekommen waren: Die 29-Jährige wird ihren zum Saisonende auslaufenden Vertrag beim FC Bayern nicht verlängern, sondern wechselt in der Winterpause weiter gen Süden, nach Italien zu Inter Mailand, bis zum Sommer 2026 läuft ihr Vertrag dort. Der FC Bayern teilte mit, er sei dem Wechselwunsch Magulls nachgekommen und habe den Kontrakt aufgelöst. "Sie ist eine authentische Persönlichkeit, die das Gesicht des Frauenfußballs inklusive des Aufschwungs in den vergangenen Jahren geprägt hat", sagte Abteilungsleiterin Bianca Rech. Magull habe auf dem Platz inspiriert und sich "kritisch und durchdacht zu Wort gemeldet - mit solchen Charakteren stößt man am Ende Gedankenprozesse und Veränderungen an."

Nach einer Muskelverletzung im Herbst hat Trainer Alexander Straus sie seltener eingesetzt

Am Freitag beim 4:0 im Testspiel gegen den spanischen Erstligisten Granada CF zum Abschluss des Trainingslagers in Alicante stand Magull schon nicht mehr auf dem Spielberichtsbogen. "Ich hatte mir schon als Kind gewünscht, für den FC Bayern spielen zu können und ich bin sehr stolz und dankbar, das erreicht zu haben", wird die gebürtige Dortmunderin in der Mitteilung der Münchner zitiert. Bei ihrem Lieblingsverein zählte Magull lange zu den Leistungsträgerinnen. In 159 Pflichtspielen erzielte sie 40 Tore. Drei Jahre lang führte die als feine Technikerin bekannte Mittelfeldspielerin den FC Bayern als Kapitänin an, zweimal gewann sie die Meisterschaft (2021, 2023). Vor allem der erste Titel, sagte sie nun zum Abschied, werde ihr in Erinnerung bleiben: "Da hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben Freudentränen in den Augen."

Dass sie nach der - auch dank ihrer Leistung - erfolgreichen Europameisterschaft 2022 und der dadurch ausgelösten Euphorie in ein gewisses gedankliches wie fußballerisches Tief rutschte, ist bekannt. Wie auch, dass sie eine sehr selbstkritische Athletin ist. Die anschließende Saison lief für sie persönlich schwierig, Magull entschied sich, das als belastend empfundene Kapitänsamt im Sommer 2023 abzugeben. So wollte sie versuchen, den Fokus wieder stärker auf die eigene Leistung richten zu können.

Deutscher Meister mit dem FC Bayern: Lina Magull feiert im Mai 2023 mit Torhüter Manuel Neuer auf dem Rathausbalkon am Marienplatz. (Foto: Michaela Merk/Imago)

Doch nach der so enttäuschend verlaufenden Weltmeisterschaft in Australien folgte eine unfreiwillige Pause mit Folgen. Nach einer Muskelverletzung Ende Oktober setzte Bayern-Trainer Alexander Straus sie seltener ein. Magull fand nicht zu gewohnter Form. Und unabhängig davon hat der Norweger seit dieser Saison eine prominente Alternative auf der Zehner-Position: die Dänin Pernille Harder. Mit Blick auf die noch mögliche Olympia-Qualifikation und die Europameisterschaft 2025 ist jede Minute Spielzeit aber auch für Magull als Nationalspielerin umso wichtiger. "Mein Herz blutet", schrieb sie auf Instagram. Den FC Bayern zu verlassen, falle ihr alles andere als leicht. Es fühle sich allerdings richtig an, "mich in eine neue Herausforderung zu stürzen".

Um ihre gewitzte und intuitive Art, Fußball zu spielen, voll ausleben zu können, muss sich die Künstlerin Magull frei im Kopf fühlen. In der jüngeren Vergangenheit aber überwog statt Leichtigkeit offensichtlich ein Gefühl der Stagnation. Der Wechsel dürfte der Versuch sein, durch ein anderes Umfeld und neue Impulse jenen Effekt zu erzeugen, der Magull schon einmal zu einem Entwicklungsschub verholfen hat. Das Muster ähnelt sich: von einem Spitzenklub mit Titelchancen hin zu einem im Frauenfußball kleineren Verein mit vielleicht nicht weniger Ambition, aber sicherlich weniger Druck.

Inter zählt jedenfalls nicht zu den Spitzenteams in der Serie A femminile, der Abstand des Viertplatzierten zu Tabellenführer AS Rom beträgt 16 Punkte. Die vergangene Saison beendeten die Mailänderinnen als Dritte. Erstmals zum Einsatz für ihren neuen Klub könnte Magull bereits diesen Sonntag kommen, wenn Inter zum Ende der Winterpause US Sassuolo Calcio empfängt. Für den FC Bayern geht es am 21. Januar gegen die Kickers Offenbach im DFB-Pokal-Achtelfinale weiter, mit dem ehemaligen Fußballprofi Moritz Volz als neuem Co-Trainer von Straus.

Über ihren Entschluss damals, Wolfsburg zu verlassen, sagte Lina Magull rückblickend in einem Beitrag: "Es war die beste Entscheidung zu dem damaligen Zeitpunkt." Sollte ihr mit dem Schritt nach Mailand gelingen, was ihr in Freiburg und danach in München gelang, könnte es in der Zukunft bald wieder ein solches Zitat von ihr geben.

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