DFB-Frauen in der Nations League:Dankeskarte nach Island

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Horst Hrubesch ist der Dauerretter im deutschen Fußball - auch diesmal ist seine Aufgabe klar: Er soll mit den DFB-Frauen die Olympia-Quali schaffen. (Foto: Michael Steele/Getty Images)

Nach dem schwachen Auftritt der deutschen Fußball-Nationalspielerinnen beim 0:0 gegen Wales bewahrt nur Schützenhilfe aus Island das Team vor dem nächsten Rückschlag. Eine Olympiateilnahme ist weiter möglich - doch die Hrubesch-Auswahl ist klarer Außenseiter.

Von Anna Dreher

Wer hätte gedacht, dass es die Geister von Australien abertausende Kilometer bis nach Wales schaffen würden? Aber sie hatten sich tatsächlich auf die lange Reise gemacht und spukten am Dienstagabend über den Rasen des Liberty Stadiums in Swansea, während das deutsche Nationalteam versuchte, den Ball irgendwie im Tor der Gastgeberinnen unterzubringen. Und hätten es die Geister auch bis nach Dänemark in die Energi Viborg Arena geschafft, wäre der abschließende Gruppenspieltag der Nations League Anfang Dezember für Deutschland zu einer noch größeren Reminiszenz des abschließenden Gruppenspieltags der Fußball-Weltmeisterschaft in Australien Anfang August geworden.

Es war schon verblüffend, wie sehr der eine Auftritt an den anderen erinnerte. Bei der WM hatten die Deutschen gegen Südkorea gewinnen müssen, um sicher das Achtelfinale zu erreichen. Doch fast die gesamte Elf trat derart ideenlos, nervös und verunsichert auf, dass sie von den bis dahin tor- und punktlosen Südkoreanerinnen beim 1:1 bisweilen überrannt wurde. Zu ihrem Pech trat dann auch noch eine unwahrscheinliche Konstellation ein: Marokko gewann parallel gegen Kolumbien, damit waren die Deutschen raus.

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Gegen Wales garantierte ebenfalls nur ein Sieg, als Gruppenerste das Finalturnier der Nations League zu erreichen, um dort um die beiden freien europäischen Tickets für die Olympischen Spiele 2024 kämpfen zu können. Vielleicht hat diese Drucksituation Mechanismen in den Köpfen und Körpern der Spielerinnen ausgelöst. Als sei von der WM ein gewisses Reaktionsmuster abgespeichert, das dann auch auf jene übergesprungen ist, die bei dem Turnier gar nicht anwesend waren. Dabei schien es auch egal zu sein, dass damals noch Martina Voss-Tecklenburg als Bundestrainerin am Seitenrand stand, und es nun Horst Hrubesch war.

Horst Hrubesch hatte vor dem Spiel gegen Wales gewarnt

Nervös wie gegen Südkorea, fahrig, verkrampft, insgesamt schlichtweg schwach war die Leistung. Das reichte gerade so zu einem 0:0, was angesichts der mutigen, druckvollen Spielweise der bis dahin punktlosen Tabellenletzten aus Wales noch ein glückliches Ende für die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes darstellte. Die Waliserinnen hatten allein schon nach der ersten Viertelstunde 3:0 Ecken und 2:0 Schüsse aufs Tor in ihrer Statistik stehen - inklusive eines wuchtigen Distanzschusses von Rachel Rowe, der als Exempel für die Fortune der Deutschen taugt: Der Ball prallte erst an den Pfosten, dann an den Rücken von Torhüterin Merle Frohms und von dort ins Aus. Bei der eigenen Offensive um Kapitänin Alexandra Popp kam der Ball zu selten an.

Die deutschen Spielerinnen um Linda Dallmann (vorne) wurden von den Waliserinnen konstant unter Druck gesetzt und strahlten selbst viel zu wenig Gefahr aus. (Foto: Wunderl/Beautiful Sports/Imago)

Die DFB-Frauen fingen sich zwar noch, agierten zumindest etwas gefährlicher. Aber sie haben genügend Anlass, Weihnachtskarten mit dankenden Worten nach Island zu schicken. Weil diesmal das Parallelspiel zu ihren Gunsten verlief, blieb ihnen nach Monaten der Krise der nächste Rückschlag erspart: Die Isländerinnen gewannen unerwartet 1:0 gegen Dänemark. "Ich bin erst mal froh, dass wir uns qualifiziert haben", sagte Hrubesch sichtbar erleichtert. Vorher hatte er noch davor gewarnt, dass dieses Spiel "sicher eines der schwersten" werde - auch wenn Wales im Hinspiel den Deutschen 1:5 unterlag.

"Ich weiß nicht, ob das Druck ist oder ob sich einige gedacht haben, dass das ein bisschen leichter wird", sagte der 72-Jährige. "Das macht ja keine extra in der Form. Diese Spiele gibt's, und diese Spiele laufen halt so. Es ist schwer." Die Leistung überraschte vor allem deshalb, weil sie im starken Kontrast zur vorherigen Partie stand, als der Druck noch größer war. Am Freitag gegen Dänemark mussten die Deutschen ja mit mindestens zwei Toren Unterschied gewinnen. Beim 3:0 gelang ihnen das auf eine befreite, selbstbewusste Art. "Es kann nicht sein, dass wir gegen Dänemark so eine Leistung bringen und dann heute so ein Spiel spielen", sagte Sjoeke Nüsken.

Beim Finalturnier der Nations League sind Spanien, Frankreich und die Niederlande mögliche Gegner

Der Schub unter Hrubesch hat nun also einen ordentlichen Bremser bekommen. Dass er die Startelf im Sinne der Belastungssteuerung (und sicherlich auch im Sinne des Konkurrenzkampfes) veränderte, brachte das Gefüge um seine Sicherheit. Besser wurde es erst nach den ersten Einwechslungen. "Aber das darf eigentlich überhaupt keine Rolle spielen", merkte Hrubesch an, der in Swansea bestätigte, für die nächsten Partien Interims-Bundestrainer zu bleiben. "Für uns ist das Positive, und das müssen wir einfach so mitnehmen, dass wir im Geschäft sind. Das war unser Ziel, das haben wir geschafft."

Nächsten Montag findet in Nyon die Auslosung des vom 21. bis 28. Februar stattfindenden Finalturniers statt. Die erstgezogenen Teams haben Heimrecht, das gilt auch für das Finale und die Partie um Platz drei. "Mir wäre ganz lieb, wenn es Frankreich wird, dann hätten wir zwei Möglichkeiten, uns für Olympia zu qualifizieren", sagte Hrubesch mit Blick darauf, dass die Gastgeberinnen ohnehin gesetzt sind. Würden die Französinnen das Nations-League-Endspiel erreichen, bekämen die DFB-Frauen bei einer Niederlage eine zweite Chance, weil dann der dritte Platz für die Qualifikation reichen würde. Im Lostopf sind ansonsten Weltmeister Spanien und die Niederlande - die für einen weiteren dramatischen Abschluss der Gruppe A1 sorgten. Trotz eines 6:0-Sieges in Schottland ist der Europameister und WM-Zweite England nicht dabei, weil die Niederländerinnen beim 4:0 gegen Belgien zweimal in der Nachspielzeit trafen. Das letzte Tor machte den Unterschied.

Für das deutsche Nationalteam hat sich dadurch nichts geändert. Es geht als Außenseiter in dieses Turnier. Aber vielleicht hilft ja genau diese Rolle dabei, Lockerheit und Selbstvertrauen zu wahren. Die Spielerinnen dachten ja eigentlich, sie wären in dieser Hinsicht schon weiter.

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