Als sie sich beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) zusammensetzten, um die Verbandsstruktur zu überdenken, also das große Ganze, wurden auch Anforderungsprofile festgelegt. Für die drei Direktoren, die künftig für Männer, Frauen und Nachwuchs verantwortlich sein sollen.Die Besetzung folgte nicht immer nach einem fixen Vorgehensschema, es waren auch mal Blickkontakt und Bauchgefühl entscheidend, wie seit der Ernennung von Rudi Völler bekannt ist. Im Fall von Nia Künzer aber waren wohl doch eher Kopf und Konzept ausschlaggebend.
Sportliche Expertise sollte die Person mitbringen, aber auch eine Perspektive über den Fußball hinaus. Idealerweise sollte ihr schon mal Verantwortung für Personal und Budget anvertraut worden sein - und ein großes Netzwerk wären natürlich auch sehr wichtig. Während der Gespräche mit Künzer als Kandidatin für die Direktion Frauen, so erzählte es DFB-Präsident Bernd Neuendorf am Donnerstag bei ihrer Vorstellung in Frankfurt, habe er gemerkt, "dass sie genau dem Profil entspricht, das wir uns vorher überlegt haben". Außerdem sei klar geworden, "dass sie jemand ist, der auch mal querdenkt, der ein kritischer Geist ist, der uns auch mal ein bisschen herausfordert und nicht so stromlinienförmig ist." Mit anderen Worten: Dass die Weltmeisterin von 2003 Ideen einbringt und Diskussionen anregt, die den mitgliederstärksten deutschen Sportverband voranbringen.

Nia Künzer wird DFB-Sportdirektorin:Die Problemlöserin
Die frühere Nationalspielerin Nia Künzer ist künftig verantwortlich für den Frauen-Bereich und übernimmt eine der höchsten Positionen beim DFB. Ihre dringlichste Aufgabe ist die Kandidatensuche für die Bundestrainer-Nachfolge.
Dass der 43-Jährigen dabei ihre Art und Persönlichkeit helfen dürften, war schon bei ihrer Ernennung im Dezember klar - und zeigte sich auch bei ihrer ersten Pressekonferenz in neuer Funktion. Sie lachte oft, redete locker und verteilte hier und da selbstbewusst kleine Spitzen. Zum Beispiel, als DFB-Geschäftsführer Andreas Rettig durchblicken ließ, dass Künzer bei der Vertragsverhandlung durchaus Härte gezeigt habe, für ihn aber frei nach Fußballtrainer Pep Guardiola die Devise "Nia oder nix!" gegolten habe und er sich sicher sei, während der Zusammenarbeit zu lernen. Künzers Replik: "Ich hab' jetzt damit gerechnet, du sagst schon wieder, du hast keine Ahnung von Frauenfußball, aber ich glaube, das wissen jetzt alle!"
"Mir ist bewusst, dass das eine Aufgabe ist, an der ich zuerst gemessen werde", sagt Künzer zur Trainer-Suche
Als langjährige TV-Expertin für die ARD hatte Künzer nicht nur die Leistung des Nationalteams, sondern auch jene der Verbandsführung klar bemängelt - und sie hat sich zumindest vorgenommen, das nicht zu verlieren. "Ich will mich nicht ganz von der Bubble auffressen lassen", sagte sie. "Ich habe manchmal kritisch auf den DFB geschaut. Den Blick will ich mir erhalten, die Draufsicht, auch wenn ich jetzt gewechselt bin." Sie sei zuvor als Dezernatsleiterin im Regierungspräsidium Gießen eigentlich auch sehr zufrieden gewesen. Aber im Fußball Verantwortung übernehmen zu können in Kombination mit dem Momentum der Sportart, der grundsätzlich vorhandenen Qualität des Nationalteams und dem für sie im Verband spürbaren Willen zu Veränderung habe sie überzeugt.
Ihr Vertrag laufe für drei Jahre, erzählte die studierte Pädagogin, so lange sei sie von der hessischen Landesregierung beurlaubt worden. Die Liste jener Vorhaben, die sie in dieser Zeit anzugehen plant, würde jedoch auch gut darüber hinaus Jahre füllen: Künzer will Rahmenbedingungen schaffen, um mehr Mädchen zum Fußball zu bringen, sie will die Sichtbarkeit und Professionalisierung steigern sowie Ansprechpartnerin für die Vereine und nah dran am Nationalteam sein. Und bei all dem - auch angesichts des Ziels, wieder Titel zu gewinnen - andere Länder genau beobachten, um "zu gucken, was besser läuft und wo wir vielleicht Dinge übernehmen und Entwicklungen mitgehen können". Die, so lautet die allgemeine Kritik, hat der DFB nach den großen Erfolgen mit zwei WM- und acht EM-Titeln in den vergangenen Jahren schließlich etwas verschlafen.
Von den vielen Gesprächen, die Künzer seit ihrem offiziellen Start am 1. Januar führt, dürften sich die meisten aber vor allem um jene Frage drehen: Wer folgt auf die im Herbst entlassene Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg beziehungsweise auf Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch? Namen wolle sie keine nennen, da wich die neue Direktorin von ihrem ausgegebenen Konzept der Transparenz ab, aber es würde bereits über einige Personen diskutiert: "Mir ist bewusst, dass das eine Aufgabe ist, an der ich zuerst gemessen werde."
Um diese zu erfüllen, hat auch Künzer ein Anforderungsprofil im Kopf: soziale sowie Führungskompetenz, eine gute Kommunikation und eine erkennbare Spielidee. Wer wann übernimmt, hängt auch davon ab, ob im Final Four der Nations League Ende Februar die Olympia-Qualifikation gelingt. Den DFB-Frauen, findet Künzer, fehle es im Moment an Konstanz, Sicherheit und Vertrauen. Sie will dabei helfen, das zu ändern.