Europa League:United bricht aus wie ein Vulkan

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Ex-Bayern-Angreifer Robert Lewandowski bringt den FC Barcelona in Führung - am Ende aber jubelt dank des Siegtreffers von Antony (Mitte) Machester United. (Foto: Dave Thompson/AP)

Manchester erreicht gegen den FC Barcelona das Achtelfinale dank jener Tugenden, die an die erfolgreiche Ferguson-Ära erinnern. Das Team profitiert von Entscheidungen des Trainers Erik ten Hag - und dem Abgang von Cristiano Ronaldo.

Von Sven Haist, Manchester

Hoch oben auf der Ehrentribüne im Old Trafford konnte der sonst so kontrollierte Sir Alex Ferguson seine Freude nicht mehr zurückhalten. Obwohl der Ewigkeitstrainer des Manchester United Football Club mittlerweile 81 Jahre alt ist und vor einiger Zeit eine schwere Hirnblutung erlitten hat, die ihn fast das Leben gekostet hätte, sprang er nach dem Siegtreffer durch Antony in der 73. Spielminute auf, klatschte in die Hände, ballte die Fäuste und jubelte, als wäre er noch immer für die Mannschaft verantwortlich und nicht Erik den Hag, sein insgesamt siebter Nachfolger.

Der legendäre Schotte dürfte gespürt haben, dass das 2:1 über den FC Barcelona, das nach dem 2:2 im Hinspiel für United den Einzug ins Achtelfinale der Europa League bedeutete, die Zukunft des Vereins definieren könnte. Und wem ist eine präzisere Prognose zuzutrauen als Ferguson, der einst sagenhafte 28 Titel in knapp 27 United-Jahren gewann?

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Das bisweilen hochklassige Prestigeduell zwischen Manchester und Barcelona war eine Erinnerung daran, dass diese beiden zuletzt fast erloschenen Fußballvulkane noch aktiv sind - und United brach nun am Donnerstag aus, ziemlich gewaltig sogar. Der Jubel der Fans glich einer Eruption in Manchester, bei der die missratenen Saisons wie heiße Lava ausgespuckt wurden.

Das Match sei sein bisher "größter Sieg" als United-Trainer, sagt Erik ten Hag

Statt der nervösen Vorahnungen der Fans, die in der Vergangenheit aufgrund des schwächelnden Teams stets die Atmosphäre im Stadion geprägt hatten, herrschten nun Glückseligkeit und Euphorie vor. Der hoch dekorierte Mittelfeldabräumer Casemiro kniete allein auf dem Spielfeld und klopfte vor Freude mehrmals mit den Fäusten auf den Rasen. Die Zeitung Times kommentierte, die Stimmung sei "selten so laut und zuversichtlich" gewesen wie diesmal, schon gar nicht "im verlorenen Jahrzehnt" nach dem Ferguson-Abschied im Sommer 2013. Seit 18 Pflichtspielen ist der Rekordmeister daheim jetzt ungeschlagen.

Das Match sei sein bisher "größter Sieg" als United-Trainer, sagte ten Hag beim TV-Sender BT. Neben ihm standen die alten Granden, Paul Scholes, Owen Hargreaves und Robin van Persie und lobten seinen Einfluss. Der frühere Klubtorwart Peter Schmeichel fand bei BBC Radio 5 Live, dass ten Hag ein "Vintage-Ferguson" sei: "Wow, wir haben endlich den richtigen Mann!"

Bisher gute Entscheidungen getroffen: United-Trainer Erik ten Hag (rechts, mit Barcelonas Trainer Xavi Hernandez) vertraut bei der Neuausrichtung der Mannschaft insbesondere seiner eigenen Expertise. (Foto: Alan Martin/Colorsport/Imago)

Nach dem Rückstand durch das Elfmetertor des Ex-Bayern-Angreifers Robert Lewandowski in der Anfangsphase drehte United die Partie in der zweiten Halbzeit - mit jenen Tugenden, die einst Ferguson-Teams ausgezeichnet hatten. Ohne in Hektik zu verfallen, erhöhte Manchester das Spieltempo, bis Barça dem Powerfußball und auch der Leidenschaft nicht mehr standhalten konnte. Den Ausgleich erzielte Mittelfeldspieler Fred nach der Pause, dann traf der eingewechselte, furchtlos aufspielende Antony - das 19. Jokertor des Klubs in dieser Saison, ein Bestwert in Europa.

Die Marke ist Ausdruck der Kompetenz des Niederländers ten Hag, früher Trainer der zweiten Mannschaft beim FC Bayern. Seine Entscheidungen in Manchester haben bisher allesamt Hand und Fuß gehabt: Der 53-Jährige nahm hinten den viel kritisierten Innenverteidiger Harry Maguire aus dem Team und vorne den vor allem auf sich bedachten Cristiano Ronaldo. Der Portugiese konnte damit nicht umgehen und löste seinen Vertrag mit United nach einem kontroversen Interview im November auf. Sein Abgang wirkte wie eine Befreiung für Manchester - ähnlich wie der Beschluss der unpopulären Glazer-Familie vor einigen Monaten, den Klub zu verkaufen. Die Eigentümer hatten sich schon bei der Übernahme vor knapp zwei Jahrzehnten mit den Fans verkracht, indem sie einen Teil des Kaufpreises auf den Verein umschrieben.

Ohne Cristiano Ronaldo scheinen die hochbegabten Offensivspieler Manchesters wieder befreit aufzuspielen

Nach zahlreichen kostspieligen Fehlentscheidungen bei der Zusammenstellung des Kaders vertraute ten Hag bei der Neuausrichtung der Mannschaft für eine Viertelmilliarde Euro insbesondere seiner eigenen Expertise. Er holte vorrangig Spieler, die er entweder zuvor bei Ajax Amsterdam selbst trainiert hatte oder die zumindest einmal in der niederländischen Liga spielten - weil er so deren Potenzial und Charakter besser einschätzen konnte. Mit dem Brasilianer Antony und dem Argentinier Lisandro Martínez nahm er zwei Spieler aus Amsterdam mit, auch der Däne Christian Eriksen kickte ehemals für den Klub, und der Niederländer Tyrell Malacia stand vor seinem Wechsel bei Feyenoord Rotterdam unter Vertrag. Im Winter kam ein weiterer Landsmann: der ehemalige Wolfsburger Wout Weghorst.

Als maßgebend erwies sich der Einfluss des Neu-Weltmeisters Martínez in der Abwehr. Mit seiner mitreißenden Ausstrahlung belebt er seine Mitspieler förmlich, seine Emotionalität ergänzt sich mit der Ruhe des Nebenmanns Raphaël Varane. Zusammen mit dem davor postierten Casemiro verleiht dieses Trio die dringend benötigte Stabilität in der Defensive. Das Verteidigen wirkt nun wesentlich kompakter, auch weil sich kein Spieler mehr wie zuletzt Ronaldo über das Team stellt. Davon profitieren am meisten die vielen hochbegabten Offensivspieler, die ohne den nach Saudi-Arabien gewechselten Ronaldo wieder befreit aufzuspielen scheinen: Marcus Rashford, Jadon Sancho und Bruno Fernandes.

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Mit diesem Gefühl geht es für Manchester United am Sonntag ins Wembley, zum Endspiel im League Cup gegen Newcastle United. Zuletzt gewann der Klub vor sechs Jahren einen Titel - in der Europa League. In diesem Wettbewerb gehört United fortan sicher zu den Favoriten, ebenfalls ist das Team weiter im FA Cup dabei und in der Meisterschaft noch in Reichweite zum Tabellenführer Arsenal. In einer so guten Ausgangslage befand sich der Klub nach dem Ferguson-Abgang zu diesem Zeitpunkt der Saison selten.

Zwei Tage vor dem Barcelona-Spiel hatten sich beide, ten Hag und Ferguson, zum Abendessen verabredet. Das Treffen sei "großartig" gewesen, schwärmte ten Hag und fand, Manchester United sei dessen Lebenswerk. Er selbst hat nun dafür gesorgt, dass der Klub wieder einigermaßen so auftritt wie in seinen alten Tagen - sehr zur Freude des großen Alex Ferguson.

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