Einzelkritik FC Bayern
Manuel Neuer
Franck Ribéry will es den Landsleuten zeigen und wird seinen mäßigen Ruf in der Heimat dennoch kaum verbessern, Philipp Lahm hat sein Offensiv-Gen entdeckt, David Alaba rollt die linke Seite entlang wie ein ICE. Und Ivica Olic? Rackert und rackert und rackert. Der FC Bayern beim 2:0 gegen Marseille in der Einzelkritik. Von Thomas Hummel, Fröttmaning Manuel Neuer: Manch einer fragte sich, ob nicht Ersatztorwart Jörg Butt zum Einsatz kommen würde, angesichts des beruhigenden Hinspiel-Erfolgs. Oder ob Manuel Neuer wenigstens mit je zwei Baguettes unterm Arm im Tor stehen würde, um die Sache interessanter zu machen. Aber nichts dergleichen, der FC Bayern bot seine Nummer eins auf - und die brauchte er zu Beginn auch. Zuerst bewahrte er seine Elf gegen Jéremy Morel per Fuß vor einem Rückstand, kurz darauf hätte er gegen den Schuss von Stéphane Mbia mit Baguette unterm Arm sicherlich nichts ausrichten können.
Einzelkritik FC Bayern
Philipp Lahm
Philipp Lahm: Nach 20 Minuten sprintete Philipp Lahm, als hätte er eine 1000-Euro-Rechnung in einer Marseiller Hafenkneipe nicht bezahlt und der Betrogene hätte die Hunde losgelassen. Lahm sprintete 50, 60, 70, 80 Meter weit in den leeren Raum hinein, weil Olympique bei einer eigenen Ecke aufgerückt war und nun der Konter lief. Lahm bekam den Ball, nur noch ein Verteidiger stellte sich in den Weg. Doch nach 80 Metern Sprint fehlte die Kraft zum gescheiten Dribbling, Nicolas N'Koulou klärte zur Ecke - und Lahm ging wieder 60 Meter zurück. Er wirkte entmutigt, war es aber nicht. Lahm hat sein Offensiv-Gen entdeckt und rennt nun mit Spaß und Energie nach vorne, wann immer es geht.
Einzelkritik FC Bayern
Jérôme Boateng
Jérôme Boateng: Hätten die Schweizer in dieser Zeit nichts Besseres zu tun, am Mittwoch würde ein Fax beim FC Bayern kommen mit einem Gesuch, diesen Jérôme Boateng auszuliefern. Vorwurf: Tatenlosigkeit und Anstiftung dazu. Jérôme Boateng wirkte wie jemand, der sich so wenig wie möglich anstrengen wollte an diesem spannungslosen Abend. Doch selbst der tatenlose Boateng genügte völlig, um die meisten französischen Angriffsversuche zu stoppen.
Einzelkritik FC Bayern
Holger Badstuber
Holger Badstuber: Ließ sich kurz vor dem 1:0 von Benoit Cheyrou den Ball durch die Füße spielen, Cheyrou bereitete danach fast die Führung für Marseille vor. Es war das einzige Mal, dass Holger Badstuber überhaupt auffiel, was zum einen an der sonst wenig energischen Offensive aus Marseille lag. Zum anderen an Badstubers Eigenheit, stets so wenig aufzufallen wie möglich. Vor allem dann, wenn zwei defensive Mittelfeldspieler wie Luiz Gustavo und Anatolij Timoschtschuk der Abwehr fast alle Arbeit abnehmen.
Einzelkritik FC Bayern
David Alaba
David Alaba: Vielleicht stimmt es ja gar nicht, dass Philipp Lahm sein Offensiv-Gen gefunden hat - er hat einfach David Alaba beim außenverteidigen zugesehen. Alaba spielt seit einigen Wochen links hinter Ribéry und läuft, nein, man muss sagen, er rollt seitdem die linke Seite auf und ab. Alaba verteidigt hinten eifrig und bei erstbester Gelegenheit rollt er wie ein ICE auf dem Weg nach Wien am Franzosen vorbei. Was die gegnerischen Rechtsverteidiger endgültig zur Verzweiflung treibt, denn neben Ribéry brauchen diese wahrlich keinen Zweiten, mit dem sie sich beschäftigen sollen. Und so lassen sie Alaba auch gerne mal laufen, Marseille tat dies etwa vor dem 2:0, dass der Österreicher nach einem 70-Meter-Sprint vorbereitete.
Einzelkritik FC Bayern
Anatolij Timoschtschuk
Anatolij Timoschtschuk: Mit einem ICE wird Anatolij Timoschtschuk in diesem Leben nicht mehr verglichen werden. Eher schon mit einem Polizeiwagen, der die Bösewichter und Schnellfahrer dieser Fußballwelt so lange verfolgt, bis er sie stellt. Auf Fußballdeutsch: zu Boden grätscht. Der Ukrainer wirkte still und effektiv in der Mitte des Feldes. Nur einmal schimmerte etwas von Eleganz in der Arena: Als in der ersten Halbzeit sein rechtes Bein zur Seite schnellte wie ein Schnappmesser und er aus 25 Metern per Direktabnahme Marseilles Torwart Steve Mandanda prüfte.
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Luiz Gustavo
Luiz Gustavo: Bekreuzigte sich wie immer eilfertig bei der Aufstellung vor dem Spiel zur Uefa-Hymne. Bei Christen ist ja die Karwoche die heiligste Zeit, in der man sich bei strenger Auslegung keinen öffentlichen Vergnügungen hingeben soll. Nun, Luiz Gustavo tat mit seiner kantigen Art alles dafür, dass der Ausflug für Olympique Marseille nicht zum Vergnügen wurde. In der Defensive trat er den Franzosen mehrfach ordentlich auf den Fuß, in der Offensive tat er niemandem weh.
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Thomas Müller
Thomas Müller: Rotierte auf die rechte Angriffsseite, weil Arjen Robben diesmal aus dem Spiel rotiert worden war. Hatte dann offenbar mit Philipp Lahm verabredet, dass er so oft es ginge nach innen wechseln solle, damit Lahm freien Raum auf rechts finden würde. Hielt sich an diese Verabredung vorbildlich, war sonst allerdings kaum zu sehen. Bis er nach 38 Minuten mit einer Muskelverletzung in die Kabine ging. Diagnose: Muskelverhärtung im Oberschenkel, die Auswechslung war eine Vorsichtsmaßnahme.
Einzelkritik FC Bayern
Toni Kroos
Toni Kroos: Wirkt ja wegen seiner geschmeidigen Bewegungen bisweilen wie ein Zirkusartist, der sich auf einen Fußballplatz verlaufen hat. Spielte diesmal das Spiel Nicht-Berühren. Schlängelte sich um Gegenspieler herum, ließ sich nicht fassen und nicht foulen. Kroos klaute ihnen geisterhaft den Ball vom Fuß und als die Franzosen keine Lust mehr hatten, sich ihm zu nähern, dann drosch er den Ball aus 20 Metern gegen den Pfosten. Wirkte bei seiner Auswechslung nach 66 Minuten kaum beansprucht.
Einzelkritik FC Bayern
Franck Ribéry
Franck Ribéry: Nach einer Minute schon stimmt die Nordtribüne ein erstes Ribéry-Stakkato an. Vielleicht wollten die Münchner Zuschauer den Franzosen im Stadion und am Fernsehen verdeutlichen, welch Herós ihr Landsmann hier ist. Franck Ribéry ist in Frankreich ja gerade kein Herós, sondern gilt als ungehobelter Kerl wegen seiner Sexaffäre und Beteiligung am Aufstand bei der WM. Ribéry wollte in diesem Spiel zeigen, welch famoser Spieler und Kämpfer er ist, glühte zu Beginn vor Ehrgeiz. Nachdem er das 1:0 mit einem unwiderstehlichen Diagonallauf vorbereitet hatte, zeigte er im Jubel seine starke Brust den Fans von L'OM. Versuchte danach mehrfach, ein paar Gegenspieler auf einem Raum einer handlichen Frankreich-Fahne auszuspielen. Die Demütigungs-Versuche der L'OM-Spieler befeuerten die Ribéry-Rufe im Stadion, seinen Ruf in der Heimat werden sie nicht verbessert haben.
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Ivica Olic
Ivica Olic: Im deutschen Fußball-Sprachgebrauch gibt es das Wort "rackern", das Substantiv heißt "Rackerer". Das Wort scheint erfunden für einen Spieler wie Ivica Olic. Der durfte wieder für Mario Gomez von Beginn an spielen. Olic rackerte nach links, Olic rackerte nach rechts, er rackerte ins Zentrum, er rackerte allen Gegenspielern hinterher und er rackerte zwei Tore ins Netz zum 1:0 und 2:0. Rackerte nach 74 Minuten abgekämpft auf die Ersatzbank - begleitet vom stehenden Applaus der 66.000 Zuschauer.
Einzelkritik FC Bayern
Einwechselspieler
Rafinha: Durfte mal wieder spielen. Ist ja der große Verlierer der Januar-Februar-Krise des FC Bayern und seitdem kein Thema für die Startelf. Diesmal also Einwechslung - aber nicht für seine Position rechts hinten, sondern für die Müller-Robben-Stelle vorne rechts. Diese Einwechslung ist kein Grund zur Freude für den Brasilianer, eher ein Beweis dafür, dass er wohl bald nicht mehr gebraucht wird in München. Danijel Pranjic:Kam für Kroos und rotierte zumeist auf die rechte Angriffsseite. Womit in der zweiten Halbzeit nicht Robben und Ribéry auf den bayerischen Außen spielten, sondern Rafinha und Pranjic. Womit zum Stellenwert dieser zweiten Halbzeit alles gesagt ist. Und auch zur Qualität der bayerischen Ersatzbank. Mario Gomez: Kam und sorgte dafür, dass Ivica Olic noch einmal einen ausgiebigen Abschiedsapplaus für sich bekam. Sonst völlig wirkungslos.