BVB in der Champions League:Dortmunder Durcheinander

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Und auch dieser Ball verfehlt das Ziel: Marco Reus scheitert gegen Mailand aus zwei Metern. (Foto: Ralf Treese/Imago)

Nach zwei Spieltagen steht der BVB in der Champions League noch ohne Tore da und ist Gruppenletzter. Gegen den AC Mailand wird abermals das Fehlen von Ordnung und Struktur offenbar. Trainer Terzic bemüht erste Durchhalteparolen.

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Man kann es spitzfindig nennen, aber BVB-Trainer Edin Terzic traf mit seiner ersten Spielanalyse den Kern des Problems: "Wir hatten Tormöglichkeiten, aber keine Torchancen." Und so bleibt auch nach dem 0:0 von Borussia Dortmund am zweiten Champions-League-Spieltag gegen den AC Mailand die Frage im Raum, wo die Mannschaft von Terzic eigentlich steht.

Niclas Füllkrug, Dortmunds neuer Mittelstürmer, befand nachher, dass seine Mannschaft "eher zwei Punkte verloren als einen gewonnen" habe. Füllkrug glaubte auch, der BVB habe gegen Milan "eine gute Leistung gezeigt, teilweise sogar schönen Fußball", aber man konnte sich nicht verkneifen innerlich anzumerken: Es war erst das zweite Champions-League-Spiel in der Karriere des 30-Jährigen. Und vor etwas mehr als einem Jahr spielte Nationalspieler Füllkrug noch in der zweiten Liga. Für andere im Team und im wie immer prall gefüllten Stadion fühlte es sich eben wie ein Spiel ohne Torchancen an. Und das war das eigentlich alarmierende Fazit der Abends.

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Milan musste nicht einmal an seinem Limit spielen, kam aber durch Konter immer wieder zu Torchancen, etwa durch den immergrünen Olivier Giroud oder den superschnellen Rafael Leão. Vielleicht hatte die Mailänder Mannschaft sogar ein bisschen zu viel Respekt vor dem Ruf, den Auswärtsspiele in Dortmund immer noch genießen. In der komplizierten Gruppe, mit Paris Saint-Germain, das sich beim mit saudischen Öl-Milliarden aufgemotzten Newcastle United gleichzeitig mit 1:4 geschlagen gab, steht nach zwei Spieltagen Dortmund jedenfalls mit nur einem Punkt da und hat vor allem noch kein Tor geschossen.

In der Bundesliga lässt sich mangelnde spielerische Qualität dank sehr guter Ergebnisse noch kaschieren

Edin Terzic hatte das nach der Partie fein erkannt: "Wir haben ein ordentliches Spiel gemacht im Bereich Einsatz, Willen und Laufbereitschaft. Was gefehlt hat, war die Durchschlagskraft im letzten Drittel." Das mag gegen italienische Mannschaften noch schwieriger sein als gegen manche Bundesligisten. Aber neben dem schwachen, oft zerfahren wirkenden Offensivspiel leistete sich Terzics Mannschaft auch viele Ballverluste. Bei Linksverteidiger Ramy Bensebaini allein, der an sich sogar sein bisher bestes Spiel für den BVB machte, will man 16 gezählt haben. Auch sonst aber landete oft schon der vorletzte Pass beim Gegner. Auf Champions-League-Niveau, das der eloquente Niclas Füllkrug gerade erst kennenlernt, reichen die Offensivideen und die Offensivstruktur bisher nicht aus. Zumal gegen die Hochkaräter, die das Lospech dem BVB zugeteilt hat.

"Man sieht jetzt, dass man das Schlusslicht ist, man sieht aber auch, dass der Erste nur drei Punkte entfernt ist", sagt BVB-Trainer Edin Terzic. (Foto: Ina Fassbender/AFP)

In der Bundesliga hat Dortmund noch kein Spiel verloren. Darauf weisen Terzic und Sportchef Sebastian Kehl gerne hin. Aber hinter der sehr guten Punktausbeute in der Liga, zuletzt mit Siegen immerhin gegen Hoffenheim und Freiburg, blieb die spielerische Qualität bisher deutlich zurück. In der Liga lässt sich das bisher kaschieren. Da trafen zuletzt gerade die älteren Spieler wie Mats Hummels, Marco Reus oder auch Füllkrug. Auf dem Level des AC Mailand oder in der ersten Runde in Paris werden der neu zusammengebauten Dortmunder Mannschaft Defizite aufgezeigt.

Gegen Mailand konnte der BVB tatsächlich das Spiel eine Zeitlang kontrollieren, wenn auch keine Torchancen heraussprangen (und Mailand auch da schon dem Führungstor deutlich näher war). Doch mit der Zeit frustrierten die Italiener die Borussen mehr und mehr. Spielmacher Julian Brandt gelang es kaum mehr, ein bisschen Struktur in die Aktionen nach vorne zu bringen. Nach einer Stunde nahm Terzic dann seinen einzigen überlegt lenkenden Spieler Brandt aber vom Platz und brachte dafür den bemühten, aber irrlichternden Karim Adeyemi. Einen grundsätzlich sehr anderen Spielertypus.

Nach seiner Einwechslung lädt Felix Nmecha Milan zu Kontern ein

Spätestens ab diesem Zeitpunkt setzte Dortmund wohl eher auf das Prinzip Lucky Punch, den Glückstreffer aus irgendeiner unübersichtlichen Situation heraus. Keine so schlechte Möglichkeit, wie man vom großen Jürgen Klopp lernen konnte. Gegenpressing erfordert aber die richtigen Spielertypen und eine genaue Abstimmung und Impulssetzung, wer wann gemeinsam attackiert. Das ist bei Dortmund derzeit nicht wirklich sichtbar. Der eingewechselte Dribbler Jamie Bynoe-Gittens kam über gute Ansätze kaum hinaus, ebenso wie vorher der schnelle Donny Malen zwar immer wieder mit seinen rasenden Antritten erst einmal Räume öffnete - aber dann keine Abnehmer für Hereingaben fand.

So wirkte Dortmund immer mehr wie eine Baustelle, auf der es in den letzten zehn Minuten nur noch wild auf und ab ging. Terzic konnte von Glück sagen, dass seine Einwechslung von Felix Nmecha nicht nach hinten losging, weil der sich, nicht zum ersten Mal, beinahe schon arrogant wirkende Ballverluste leistete und Milan zu Kontern einlud. Auch in der Bundesliga spielt Dortmund ohne gute Balance zwischen Defensive und Offensive. Und Terzic könnte, wenn er wollte, ständig darauf verweisen, dass der BVB in den vergangenen Jahren, etwa seit dem Pokalsieg 2021 mit Terzic als Trainer, einfach zu viele hochtalentierte Spieler abgegeben hat: Jadon Sancho, Erling Haaland, Jude Bellingham, Raphael Guerreiro. Was das spielerische Potenzial angeht, ist da Raubbau betrieben worden. Oft erzwungen, und auch aus finanziellen Notwendigkeiten.

Aber beim geplanten Umbau auf - vermeintlich - mehr Physis und Mentalität steckt Dortmund irgendwie noch tief in der Klemme. Der AC Mailand liefert nur den aktuellsten Nachweis. Ob die spielerische Qualität des Dortmunder Kaders wirklich ausreicht, um eine Gruppenphase in der Champions League zu überstehen, ist nach dem Mittwochabend mit einem weiteren Fragezeichen versehen worden. Trainer Terzic ist aber zu Optimismus verpflichtet: "Es werden noch vier Spiele in dieser Gruppe gespielt und zwölf Punkte verteilt, und wir werden um jeden Punkt kämpfen. Man sieht jetzt, dass man das Schlusslicht ist, man sieht aber auch, dass der Erste nur drei Punkte entfernt ist." Nach einem Abend ohne alle Torchancen ist das eine Durchhalteparole.

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