Reaktionen auf Bundesliga-Fortsetzung:"Angela Merkel schaltet die Fußballmaschine an"

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In Spanien will die Liga dem deutschen Vorbild folgen, damit Lionel Messi bald wieder Trikot statt Mundschutz und Handschuhen tragen kann. (Foto: AFP)

Die Entscheidung der Politik für den deutschen Profifußball findet in ganz Europa Widerhall - mit nicht wenigen neidvollen Untertönen. Die internationalen Reaktionen.

Von Javier Cáceres, Berlin

Falls die deutsche Nation einer Ego-Massage bedurfte, so war der Tag der Entscheidung pro Bundesliga-Neustart ein guter Tag. Ein entspannendes Labsal für die nationale Psyche (und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel von der CDU), die nicht nach ätherischen Ölen roch. Sondern nach Druckerschwärze. Denn natürlich fand das "grüne Licht" der Politik für den deutschen Profifußball in ganz Europa Widerhall, mit nicht wenigen neidvollen Untertönen.

Deutschland habe "die Gelegenheit, der Welt zu zeigen, dass man organisierter ist und, im Bewusstsein um die Risiken, auf den Respekt vor den Verhaltensregeln baut, nicht vergeudet", schrieb etwa die italienische Gazzetta dello Sport. "Die Bundesliga hebt ab", war in der englischen Daily Mail zu lesen. Und in Spanien schaffte es die Nachricht aus Berlin auf die Titelseite der El País, dem größten Generalistenblatt des Landes: "Angela Merkel schaltet die Fußballmaschine an." Deutschland habe "wieder einmal" den Platz eingenommen, den das Land "voller Natürlichkeit" beansprucht, wenn etwas umkämpft ist. "Voilà du Fußball!", artikulierte die französische Sportzeitung L'Équipe. Sogar in den USA war die Spannung groß: Die US-Plattform ESPN hatte bei der Nachricht zur Liga-Öffnung siebenstellige Klickzahlen.

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Auch in den Liga-Zentralen des europäischen Kontinents sorgte die Entscheidung von Berlin für Aufsehen. Und Hoffnung. "Das grüne Licht für die Bundesliga ist eine großartige Nachricht für die Fußballindustrie. Es markiert den Pfad zu einer gestaffelten Rückkehr des Fußballs in ganz Europa, der allerdings erst vollständig sein wird, wenn die Fans in die Stadien zurückkehren dürfen. Dies ist aber schon jetzt ein Schritt hin zu einer neuen Normalität. Wir arbeiten daran, ihm in Spanien zu folgen", sagte der Chef des spanischen Ligaverbandes LFP, Javier Tebas, noch am Mittwoch der SZ.

Klagen gegen den Saisonabbruch in Frankreich haben kaum eine Chance

In L´Équipe meldete sich am Donnerstag der Präsident von Champions-League-Teilnehmer Olympique Lyon zu Wort. Er könne sich nur wünschen, dass Präsident Emmanuel Macron die Entscheidung von vergangener Woche revidiere, die laufende Saison der französischen Ligue 1 endgültig zu stoppen, sagte Aulas: "So lange es Leben gibt, gibt es Hoffnung." Allein sein Verein werde wegen der "katastrophalen Entscheidung" des Saisonabbruchs zwischen 50 und 85 Millionen Euro verlieren, insgesamt gingen dem französischen Fußball 700 Millionen Euro "perdu". Doch ob die Hoffnung auf einen Neustart in Frankreich auch nur annähernd realistisch ist?

Wohl eher nicht. "Die Meisterschaft ist vorbei und wird nicht wieder aufgenommen", sagte der französische Sportrechtler Thierry Granturco mit Blick auf die Klagen, die Olympique Lyon und andere Vereine erwägen. Sie seien aussichtslos, erklärte Granturco: Die Empirie zeige, dass das Verwaltungsgericht in Paris fast immer den Verbänden folge, und diese hätten sich ohne erkennbare Formfehler für den Stopp des Wettbewerbs ausgesprochen.

So oder so: Die französischen Klagedrohungen im Lichte der "Renaissance der deutschen Fußball-Elite" ( El Periódico) zeigen, dass im Elysée-Palast nicht ohne Grund Unbehagen herrschte, als man den Liga-Abbruch erzwang. Unmittelbar danach soll Präsident Macron seiner Sportministerin Roxana Maracineanu aufgetragen haben, dringend in anderen europäischen Hauptstädten darum zu werben, den Profifußball ebenfalls auf Monate hinaus zu untersagen. Das schrieb seinerzeit Le Parisien.

Maracineanu klingelte tatsächlich in London, Madrid und auch in Berlin durch, das bestätigte das französische Sportministerium und das deutsche Innenministerium der SZ. Aber, so hieß es unisono: nur um einen engeren Informationsaustausch in Sachen Sport zu verabreden. Genau das aber hatte man nur wenige Tage zuvor schon bei einer Sportministerkonferenz der Mitgliedsländer der Europäischen Union vereinbart. Über den wahren Grund, warum der französischen Sportministerin ein kontinentaler Rundruf aufgetragen wurde, darf man wohl spekulieren.

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Und dennoch: Wie es nun in den anderen europäischen Nationen weitergeht, war am Donnerstag noch offen. Die Angst ist in vielen Ländern, die härter von der Pandemie getroffen wurden als Deutschland, deutlich spürbar. In Spanien warnte die Belegschaft des Erstligisten SD Eibar vor einer überstürzten Einkehr der vielbesungenen neuen Normalität. "Wir haben Angst", schrieben die Fußballer dieser Tage in einem Kommuniqué. In Italien sorgte am Mittwoch ein Positivfall beim AC Turin für Aufsehen, er ist neben Brescia der einzige Klub, der für einen Saisonabbruch plädiert. Mit der Deckung des Präsidiums traute sich Brescias Kapitän Daniele Gastaldello, seinen Gemütszustand öffentlich zu machen, auch er sagte: "Wir haben Angst."

"Die deutsche Lokomotive zieht auch die Serie A"

In England wiederum stellten die Sportärzte dem Ligaverband der Premier League gleich hundert Fragen, es ging dabei unter anderem um Haftungsfragen bei Versicherungsfällen wegen Corona-Erkrankungen von Spielern oder deren Angehörigen. Am Wochenende will Premierminister Boris Johnson Lockerungen ankündigen, aber im Moment genießt die als sicher geltende Erlaubnis, Sonnenbäder zu genießen, eine größere Priorität als der Fußball. Zu hoch ist die Zahl derer, die nicht verstehen, dass das Gesundheitswesen über fehlende Corona-Tests klagt - während die eh skeptischen Fußballmillionäre massiv auf Infektionen geprüft werden.

Gleichwohl: Die Fußballindustrie freilich will am deutschen Wesen genesen, überall. "Die deutsche Lokomotive zieht auch die Serie A", schrieb die italienische Zeitung La Repubblica, und kommentierte, dass die Entscheidung von Berlin "nicht verantwortungslos, sondern menschlich" sei. Der Fußball sei, ja, eine Industrie, aber eben nicht nur: "Der Fußball ist kein Betäubungsmittel, keine Ablenkung vom Leben", sondern "Teil dieses Lebens", schrieb das Blatt.

Wobei es womöglich nicht schadet, zu wissen, dass immer alles mit allem zusammenhängt. Zum Beispiel: dass die Repubblica gerade erst von Andrea Agnellis Familie übernommen wurde, dem Präsidenten von Juventus Turin und der ECA, dem Verband der europäischen Topklubs, die davon ihrerseits träumen, die Champions League spätestens im August zu Ende zu spielen. Eine Entscheidung darüber soll Ende Mai fallen.

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