Alexander Zverev:Die Motivation der Silberkanne

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"Ich fühle mich gut, anders als im letzten Jahr", sagt Alexander Zverev. (Foto: Cameron Spencer/Getty Images)

Alexander Zverev übersteht die erste Runde der Australian Open, sucht aber noch seinen Rhythmus. Der Deutsche jagt weiter seinen ersten Grand-Slam-Pokal - doch ihn beschäftigt auch seine juristische Auseinandersetzung.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Im Eingangsbereich der Halle, in der Alexander Zverev am Dienstag sein Erstrundenmatch spielte, sind in einer Glasvitrine Memorabilia von Margaret Court zu besichtigen: Pokale, Teekannen und Saucieren als Trophäen sowie allerhand sonstiges Tafelsilber aus den 1960er Jahren. Männertennis hat mit Frauentennis generell nicht viel zu tun, aber auch männliche Profis treten bei den Australian Open in Melbourne in der Margaret-Court-Arena an. Die Rekordfrau des australischen Tennis, heute 81, hat das wichtigste Turnier der südlichen Erdhalbkugel elfmal gewonnen. Insgesamt sammelte sie 24 Grand-Slam-Titel. Zverev, seit Jahren ein Spieler der Kategorie Weltklasse, dagegen steht erstaunlicherweise noch immer bei null.

Damit sich die Bilanz ändert, hat Zverev sein Repertoire kontinuierlich verbessert. Und in der Partie gegen seinen deutschen Kollegen Dominik Koepfer (4:6, 6:3, 7:6, 6:3) zeigte sich, wie nötig das war. Denn Koepfer, 29 und somit drei Jahre älter als Zverev, verteilte die Bälle vor 7000 Zuschauern mit einer fast mechanischen Kraft und Präzision. Vor allem seinen Poweraufschlag, den er schnell und schnörkellos mit links übers Netz katapultierte, konnte Zverev kaum kontrollieren. Koepfer gelang ein frühes Break, er führte schnell 4:2, und Zverev, hilflos mit den Schultern zuckend, nahm erstmals Kontakt mit seinem Trainer, Vater Alexander, in der Spielerbox auf.

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Dabei hatte die Saison für den Olympiasieger, der nach seiner schweren Knöchelverletzung mittlerweile wieder auf Position sechs der Rangliste steht, so fantastisch begonnen mit dem Gewinn des United Cups, eines Nationenturniers, und vier Einzel-Siegen in fünf Spielen. "Ich fühle mich gut, anders als im letzten Jahr", hatte er in Melbourne erklärt.

Erst im vierten Satz zeigt sich phasenweise Zverevs Dominanz

Aber auch Koepfer, der ehemalige US-Collegespieler aus Furtwangen, hatte einen Triumph feiern können - wenn auch auf bescheidenerem Niveau. Er gewann das Finale eines Challenger-Turniers, eines Wettbewerbs der zweiten Kategorie, in Canberra und verspürte, was womöglich ebenso wichtig war, beim Aufschlag kaum noch Schmerzen in seinem Schlagarm. Seit mehr als einem Jahr quält ihn die linke Schulter. Die mysteriösen Probleme begannen mit einem Knochenödem, doch nach der Heilung setzte keine Linderung ein. Er sei kreuz und quer von einem Arzt zum nächsten gezogen, erzählte er am Dienstag; inzwischen kann er die Schulter mit speziellen Übungen stabilisieren. Es gehe ihm gut, sagte er, und dass er "auf einem ähnlichen Level wie Zverev" spielen könne, gibt ihm Zuversicht.

Schlägt die Vorhand bisweilen wie Novak Djokovic aus dem Sprung: Dominik Koepfer bietet Alexander Zverev bei den Australian Open Paroli. (Foto: Tracey Nearmy/Reuters)

In der Rangliste war Koepfer zwischenzeitlich wegen seines Handicaps fast auf Platz 200 abgestürzt. Jetzt ist er wieder die Nummer 62, Tendenz aufsteigend. Er verfügt über einen phänomenalen Schwung, schlägt die Vorhand bisweilen wie Novak Djokovic aus dem Sprung. Und er bot der Nummer sechs der Welt auch im weiteren Matchverlauf Paroli. Im zweiten Satz allerdings fabrizierte er ausgerechnet mit der Vorhand beim Stand von 2:3 drei Fehler in Serie, was Zverev zum entscheidenden Break nutzte. Im dritten Durchgang dann lieferten sich beide Kontrahenten einen faszinierenden Schlagabtausch: Koepfer hatte sich schon einen Satzball ergattert, ehe sich Zverev doch noch in den Tiebreak rettete, den er gewann. Erst im vierten Satz zeigte sich phasenweise Zverevs Dominanz.

"Ich bin nicht bekannt dafür, dass ich bei Turnieren gute Erstrundenmatches spiele", sagte Zverev später nach dem hart erkämpften Sieg: "Ich habe nicht gut gespielt, und das konnte jeder sehen." Allerdings vergaß er nicht, den Gegner für sein beherztes Angriffsspiel loben.

Zverev sagt, er bezweifle nicht, dass die Kollegen weiter Vertrauen in seine Rolle hätten

Er jagt weiter diesen ersten Grand-Slam-Pokal, dem er 2020 im verlorenen Finale der US Open schon sehr nahe gekommen war. Das Tennisspiel entwickle sich stetig weiter, hatte Zverev vor wenigen Tagen in einer Presserunde erklärt, "ich hoffe, dass ich das auch tue". Kritik, die er in dieser Hinsicht angeblich auch von Boris Becker vernommen hat, wies er zurück und erinnerte an seine schwere Fußverletzung: "Wenn ich an Krücken laufe, ist es klar, dass ich mich nicht weiterentwickle." Doch sein Spiel sei mittlerweile viel variabler geworden. "Als ich 20 war, bin ich zum Netz gegangen, um Hände zu schütteln", sagte er ironisch: "Und ich habe einen Slice gespielt, wenn ich Handgelenkschmerzen hatte." Inzwischen sei all dies Teil seines Trainings geworden.

Am späten Dienstagabend beschäftigte ihn dann auch die juristische Auseinandersetzung, in der er sich befindet. Am Vortag war bekannt geworden, dass die Causa Ende Mai in Berlin vor Gericht kommt. Es geht um den Vorwurf der Körperverletzung, den Zverev zurückweist; es gilt die Unschuldsvermutung. In Melbourne wurden mehrere Tennisprofis in den Pressekonferenzen gefragt, ob es angemessen sein, dass Zverev angesichts des laufenden Verfahrens weiter Mitglied im Player Council des Verbandes ATP bleibe. Auch Zverev wurde nach dem Sieg über Koepfer darauf angesprochen. "Warum solle es das nicht sein?", antwortete er auf die entsprechende Frage eines internationalen Journalisten. Er bezweifle nicht, dass die Kollegen weiter Vertrauen in seine Rolle hätten: "Zu mir hat niemand etwas gesagt. Ich habe keinen Grund, das nicht zu glauben", erklärte er.

Die Konzentration richtet sich nun auf das nächste Match. Am Donnerstag trifft er auf den slowakischen Qualifikanten Lukas Klein. "Die ersten Runden sind immer dafür da, den Rhythmus zu finden", findet Zverev. Zusätzliche Motivation wird er nicht brauchen. Und falls doch, findet er sie womöglich in der Margaret-Court-Arena: bei den Silberkannen in der Vitrine.

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