Rückkehr bei den Australian Open:Kerber erlebt hochprozentiges Unbill

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Raus in Melbourne: Angelique Kerber ist zurück, aber sie scheiterte direkt in Runde eins der Australian Open. (Foto: David Gray/AFP)

Es hätte ihr Comeback auf der großen Tennisbühne werden sollen, doch nun bleibt nur der Frust: Nach eineinhalb Jahren Pause muss Angelique Kerber im Anschluss an ihre Erstrundenniederlage gegen Danielle Collins ein paar bittere Erkenntnisse verdauen.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Tage, Wochen und Monate lang hatte Angelique Kerber auf diesen Tag hingearbeitet. Am Dienstag in der Mittagshitze von Melbourne war nach 1:52 Stunden dann zunächst wieder alles vorbei. Ihre Rückkehr auf die große Tennisbühne bei den Australian Open, die sie 2016 gewonnen hatte, endete mit einer Niederlage in drei Sätzen gegen die US-Amerikanerin Danielle Collins in Runde eins des Turniers: 2:6, 6:3, 1:6. Die Enttäuschung konnte sie nicht verbergen: "Ich hätte mir gewünscht, ein oder zwei Matches mehr zu spielen", sagte Kerber danach.

Nur eine Handvoll Partien beim United Cup vor zwei Wochen in Sydney hatte Angelique Kerber gespielt nach einer insgesamt eineinhalbjährigen Abwesenheit von der Tennistour und der Geburt von Tochter Liana im vergangenen Februar. Aber Sydney hatte Kerber höchstens als Generalprobe angesehen: Das große Comeback der dreimaligen Grand-Slam-Siegerin, inzwischen 35 Jahre alt, war auf der großen Bühne, auf den blauen Plätzen am Yarra River in Melbourne, geplant. "Es war das erste richtige Turnier für mich", sagte Kerber, und sie musste einsehen, dass sie dort nicht, wie erhofft, auf Anhieb wieder die Routine, die Sicherheit, ihren "Rhythmus" fand.

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Nicht die große Rod-Laver-Arena, aber immerhin einen Court für 3000 Zuschauer hatten die Organisatoren für sie ausgesucht - der Platz trägt den interessanten Namen "Guojiao 1573", benannt nach einem chinesischen Sponsor, einer Schnapsbrennerei. Ein paar deutsche Fans hatten sich versammelt, DTB-Trainerin Barbara Rittner war zur Unterstützung erschienen und hatte Nachwuchsspielerin Ella Seidel, 18, mitgebracht. Kerbers Mutter Beata saß hinter Trainer Torben Beltz in der zweiten Reihe.

Angelique Kerber hatte eine relativ klare Vorstellung davon, was sie erwarten würde, trotz einiger unbekannter Faktoren wie der Auswirkung der australischen Hitze, mehr als 30 Grad am Mittag, sowie des Stresslevels nach Betreten des Courts. Denn die Auslosung hatte ihr, passend zum "Guojiao 1573", hochprozentiges Unbill beschert: eine alte Bekannte mit ungebremstem Offensivdrang - nicht ihr liebstes Gegnerinnenprofil. "Ich hätte mir eine bessere Auslosung gewünscht", gab sie später zu. Denn Danielle Collins aus Florida war sie schon 2019 bei den Australian Open begegnet, damals war sie untergegangen, 0:6, 2:6. Drei Jahre später schlug sich Collins dann bis ins Finale von Melbourne durch, das sie gegen Ashleigh Barty verlor. Damals gehörte sie zu den Top-Ten-Spielerinnen der Welt.

Kerber kann ein paar Unsicherheiten von Collins nutzen

Inzwischen ist Collins im Ranking bis auf Platz 62 zurückgefallen, aber ihre demonstrative Aggressivität, die geballte Faust nach jedem gelungenen Schlag, die Anfeuerungsrufe hat sie sich bewahrt. Sie gewann gleich die ersten beiden Punkte, ehe Kerber ihrerseits ein paar Unsicherheiten der Gegnerin zum Break nutzen konnte. Relativ schnell aber wurde Kerbers derzeit noch größte Schwäche klar: Sie brachte im ersten Satz nur einmal ihren eigenen Aufschlag durch.

Erst im zweiten Satz ging sie zum Angriff über, erhöhte das Tempo ihres bis dahin zu harmlosen Aufschlags, wagte Volleys, drosch den berühmten Kerber-Vorhandschlag schnurgerade die Linie entlang. Als sich bei Collins die Unkonzentriertheiten häuften, erspielte sich Kerber mit zwei langen Passierschlägen beim Stand von 5:3 zwei Satzbälle. "Komm jetzt", rief sie sich deutlich vernehmbar zu, als ihr der Satzausgleich gelang.

Auch im dritten Durchgang kämpfte sie um jeden Ball, aber als Collins erneut sehr früh ihren Aufschlag attackierte, hatte sie dem Dauerangriff von der anderen Netzseite nur noch wenig entgegenzusetzen - auch weil manchem Konterpunch noch Präzision fehlte.

Dass ein halbes Dutzend Matches - fünf beim United Cup zu Monatsbeginn in Sydney, ein weiteres nun bei den Australian Open - nicht genügen würden, um eine anderthalbjährige Wettkampfpause elegant zu überspielen, war Angelique Kerber und Trainer Beltz von vorneherein klar. Es sei das Wichtigste für sie, "von Runde zu Runde zu schauen, Matches einzufangen, auch mal eine Niederlage einzustecken" hatte sie im Dezember gesagt: "Ohne Geduld wird es nicht gehen."

Die Tage in Australien haben ihr auch gezeigt, dass das Umfeld des Turniers noch dasselbe ist - der Tennissport aber hat sich in den anderthalb Jahren ihrer Abwesenheit weitergedreht. "Es ist alles schneller, athletischer geworden", sagte sie. Nach ihrer Rückkehr wartet Arbeit auf Angelique Kerber. Allerdings: Arbeit hat sie immer als Ansporn gesehen.

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