Australian Open:Trainieren, bis der Boden brennt

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Freudentanz: Laura Siegemund nach ihrem verwandelten Matchball in Runde eins der Australian Open. (Foto: Frank Molter/dpa)

Im Alter von 35 Jahren glaubt Laura Siegemund, dass sie das beste Tennis ihres Lebens spielt. Nun hofft sie auch auf Olympia - und ein Mixed-Doppel mit Alexander Zverev.

Von Barbara Klimke, Melbourne

Am Montag, dem zweiten Tag der Australian Open, hat es in den 56 angesetzten Tennispartien im Melbourne Park 56 Sieger gegeben, aber niemand führte ein Tänzchen auf wie die Frau auf Platz Nummer drei in der größten Mittagshitze: Vier- oder fünfmal hüpfte sie auf der Stelle in die Höhe, boxte dabei in die Luft wie beim Kirmeskampf und beendete das Ganze mit einer Faust und einem tiefen Ausfallschritt. Mit dem Element, das man in Ermangelung eines eingeführten Fachbegriffs den "eingesprungenen Siegemund" nennen könnte, zelebrierte Laura Siegemund aus Metzingen ihr Ass zum Matchgewinn - und nebenbei den Umstand, dass sie nach eigener Einschätzung "wahrscheinlich gerade das beste Tennis meines Lebens" spielt.

Laura Siegemund hat im Einzel die Auftaktrunde eines Grand-Slam-Turniers überstanden, indem sie die Nummer 17 der Weltrangliste, die Russin Jekaterina Alexandrowa, 6:2, 3:6, 7:6 (9) schlug. Emotionslos betrachtet, zählt das nicht zu den epochemachenden Triumphen im internationalen Spitzensport. Doch Laura Siegemund ist 35 Jahre alt, eher eine Spezialistin für die Doppel-Disziplinen und außerdem eine Athletin, deren Spiel von den Emotionen lebt.

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Und weil sie ein Psychologiestudium abschloss (Abschlussarbeit zum Thema: "Versagen unter Druck"), ein Buch über mentale Herausforderungen veröffentlichte und als scharf denkende Persönlichkeit gilt, ist davon auszugehen, dass ihre positive Selbsteinschätzung nicht dem Hochgefühl des Augenblicks, sondern der Langzeitanalyse entspringt.

Doppel spielt sie in Zukunft mit Barbora Krejcikova

Dazu ein paar Fakten: Im November hat sie beim WTA-Finale in Mexiko mit ihrer russischen Tennispartnerin Wera Swonarjowa die Doppel-Konkurrenz für sich entschieden. Sie ist die erste Deutsche, die diese Trophäe gewonnen hat; Claudia Kohde-Kilsch hatte in den 1980er-Jahren viermal mit zwei unterschiedlichen Partnerinnen das Finale erreicht, aber jedes Mal verloren. Vor zwei Wochen dann folgte der Sieg des deutschen Tennisteams in Sydney beim Nationenturnier United Cup: Die Souveränität, mit der Siegemund ihre Aufritte im Mixed-Doppel an der Seite von Alexander Zverev meisterte, war von entscheidender Bedeutung.

Ohne eine beständige Verbesserung auf dem Platz, sagt Siegemund, wären solche Erfolge nicht möglich: "Die Aggressivität, mit der ich spiele, wie ich Tempo mache und Tempo absorbiere: Das ist viel besser als früher." Sogar 2017, als sie den Titel des Stuttgarter Turniers gewann, bis heute der größte Solo-Erfolg ihrer Karriere, habe sie kein Tennis von solch technischer Qualität gespielt. Andererseits, auch das gibt sie zu bedenken, habe sie natürlich einiges wettzumachen - einfach deshalb, weil mit 35 die körperlichen Kräfte nachlassen.

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Und dennoch hätte sie nicht erwartet, dass sie nun gerade im Einzel noch einmal in der Lage ist, den Besten die Bälle um die Ohren zu schlagen - zumal sie im Herbst gerade erst beschlossen hatte, sich vorzugsweise als Doppelspielerin zu betätigen. In dieser Kategorie ist sie die Nummer fünf der Weltrangliste. Die äußerst erfolgreiche Partnerschaft mit Swonarjowa, mit der sie 2020 die US-Open gewann, ist beendet, weil die 39-Jährige andere Ziele im Leben setzt. Deshalb wird Siegemund nun mit der früheren Paris-Siegerin Barbora Krejcikova aus Tschechien ein Duo bilden.

In Melbourne hat sie zunächst als Solistin die nächste Hürde genommen. Auch die in den USA lebende Teamkollegin Tatjana Maria, 36, ist eine Runde weiter nach einem strapaziösen Dreisatzsieg gegen Camila Osorio aus Kolumbien (7:5, 6:7, 6:4), in dem sie im ersten Satz einen 1:5-Rückstand ausglich und später an Kreislaufproblemen litt. Und weil am Sonntag bereits Tamara Korpatsch, 28, aus Hamburg ihr Auftaktmatch positiv gestaltete, bleibt festzuhalten, dass es vor allem die älteren deutschen Spielerinnen sind, die den Widerständen trotzten. Die erst 18 Jahre alte Qualifikantin Ella Seidel hatte das Pech, als Debütantin gleich auf Titelverteidigerin Aryna Sabalenka zu treffen, gegen die sie erwartungsgemäß ohne Chancen war. Talente wie Jule Niemeier, 24, und Eva Lys, 22, dagegen hatten sich in Melbourne gar nicht erst ins Hauptfeld durchgeschlagen.

Bildet Siegemund das Olympia-Doppel mit Zverev?

Laura Siegemunds Enthusiasmus für das Spiel mit den gelben Bällen in allen seinen Formen, im Einzel und Doppel, bleibt dagegen ungebrochen. Bei ihrem Training, so hat es Barbara Rittner, die Cheftrainerin des Deutschen Tennis-Bundes, dieser Tage erzählt, könne man spüren, "wie der Boden brennt". An die Zukunft, sagt Siegemund, denke sie wenig: "Es macht mir richtig Spaß. Ich weiß aber seit meinen Verletzungen der Vergangenheit, dass alles sehr schnell vorbei sein kann."

Und so will sie die nächsten Monate genießen - einschließlich des Pariser Olympiaturniers. Am liebsten würde sie nach den guten Erfahrungen im United Cup mit Alexander Zverev im Mixed spielen. "Wir wären eine richtig gefährliche Paarung", sagt sie. "Es ist auf jeden Fall sehr viel Potenzial drin." Allerdings hat Zverev bisher angekündigt, dass er bereits mit Angelique Kerber über Paris geredet habe. Es wird also spannend bleiben im Tennisalltag von Laura Siegemund. Der Sprung mit Luftboxen könnte noch häufiger zur Aufführung kommen.

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