Wahlkampf:Merkels eigenartiger Sieg

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Zum ersten Mal während Merkels Kanzlerschaft kann es der CDU gelingen, einen SPD-Ministerpräsidenten abzulösen. Doch hinter dem Triumph zeigt sich eine eigenartige Ambivalenz der CDU.

Von Robert Roßmann

Es war nur eine Landtagswahl in Schleswig-Holstein, und doch ist die Wahl eine Zäsur im deutschen Politikbetrieb. Bisher galt die Regel, dass Parteien, die im Bund den Kanzler stellen, in den Ländern sukzessive an Macht verlieren. Die Bürger haben ein feines Gespür für das, was man "checks and balances" nennt, also das Verteilen von Macht zur gegenseitigen Kontrolle. Seit Merkel vor zwölf Jahren Kanzlerin wurde, hat die CDU eine Staatskanzlei nach der anderen verloren, derzeit stellt sie nur noch vier der 16 Ministerpräsidenten. Doch jetzt wird aller Voraussicht nach Daniel Günther Nachfolger des Sozialdemokraten Torsten Albig. Zum ersten Mal in der Ära Merkel kann die CDU einen SPD-Ministerpräsidenten ablösen. Hieß es nicht gerade noch, Deutschland sei Merkel-müde? Nicht nur deshalb ist der Wahlausgang in Kiel für die Kanzlerin ein Triumph.

Es ist eine eigenartige Ambivalenz, die sich in der CDU gerade zeigt. Auf der einen Seite steht Merkel in ihrer Partei derart unter Druck, dass sie - etwa in der Flüchtlingspolitik - ihren Kurs ändern musste. Auch in den Debatten um den Doppelpass, die Leitkultur, ein Islamgesetz oder den Umgang mit der Türkei ist Merkel ins Hintertreffen geraten. So wird im Wahlprogramm der Union aller Voraussicht nach auch Kritik am Doppelpass stehen, obwohl Merkel eindringlich gefordert hat, die CDU möge damit keinen Wahlkampf machen.

Auf der anderen Seite hat die Wahl in Schleswig-Holstein gezeigt, wie groß die Bedeutung Merkels für die Union immer noch ist. Dort haben fast 30 Prozent der CDU-Wähler nur wegen Merkel der Partei ihre Stimme gegeben. Es handelt sich dabei aber nur um einen scheinbaren Widerspruch.

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Kommentar von Robert Roßmann

Ja, Jens Spahn und seine politischen Freunde rücken mit dem Wohlwollen von Granden wie Wolfgang Schäuble oder Horst Seehofer die Union gerade nach rechts. Aber sie haben die CDU damit auch für viele wieder wählbar gemacht, die Merkel allein nicht mehr vertrauen. Seit CSU, Spahn-CDU und Merkel-CDU ihre Streitereien, zumindest in der Öffentlichkeit, beendet haben, beflügelt die inhaltliche Breite die Union - und schadet ihr nicht mehr. Es gibt jetzt auch in der Union "checks and balances", für die einen ist Merkel der Garant, für die anderen Seehofer.

Dass die AfD dermaßen weit nach rechts gerückt ist, dass sie auch für die meisten Merkel-Gegner im Unionsspektrum unwählbar geworden ist, hilft der CDU zusätzlich. Darüber hinaus hat Günther auf die richtigen Themen gesetzt (innere Sicherheit, Bildung und Infrastruktur) und die Defizite Albigs in diesen Bereichen gebetsmühlenartig wiederholt. "Immer auf dieselbe Stelle, gibt am Ende doch 'ne Delle", sagte schon Joschka Fischer.

Und was heißt das alles nun? "Nur Person und kein Programm kann ich nicht empfehlen", hat Merkel am Montag gesagt. Das sollte demütig klingen, es war aber auch die blanke Wahrheit. Merkel allein wird - anders als 2013 - bei der Bundestagswahl nicht mehr reichen. Daran ändert auch der große Erfolg in Kiel nichts.

© SZ vom 09.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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