Von der Leyen und Hartz-IV-Reform:Nachhilfe für alle Kinder armer Eltern

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Nach Willen von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen sollen künftig auch Kinder von Geringverdienern Anspruch auf die umstrittenen Bildungsgutscheine haben. Doch Nachhilfe auf Staatskosten gibt es nur bei Leistung: Wer versetzungsgefährdet ist, bekommt keine Unterstützung.

Am Namen der sozialen Grundsicherung hätte Ursula von der Leyen gerne etwas geändert - und wurde mit ihrem Vorschlag "Basisgeld" anstatt des negativ belegten Begriffs "Hartz IV" vom Kanzleramt ausgebremst. Inhaltlich hätte die Arbeitsministerin die von ihrem Ressort überarbeite Grundsicherung vermutlich gerne unverändert durchgebracht, doch angesichts massiver Kritik und verfassungsrechtlicher Bedenken sieht sich von der Leyen zu Korrekturen gezwungen.

Auch Kinder von Geringverdienern sollen nach Willen von Arbeitsministerin von der Leyen (CDU) künftig Anspruch auf Nachhilfe bei schulischen Problemen haben. (Foto: dpa)

So will die CDU-Ministerin künftig nicht nur Kindern von Hartz-IV-Empfängern über Bildungsgutscheine Nachhilfe sowie Vereins- und Kulturangebote ermöglichen, sondern auch dem Nachwuchs armer berufstätiger Eltern. Das geht nach Informationen der Financial Times Deutschland aus dem Gesetzentwurf hervor, den von der Leyen zur Ressortabstimmung an ihre Kollegen verschickt hat.

"Durch diese Regelung ist das Bildungspaket voraussichtlich verfassungskonform", sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes Ulrich Schneider. "Allerdings in der denkbar schlechtesten Variante - denn die Kinder sind damit quasi Hartz-IV-Bezieher."

Insgesamt gibt es derzeit etwa zwei Millionen Kinder von Hartz-IV-Empfängern. Sie haben laut Bundesverfassungsgericht von Januar an einen rechtlichen Anspruch auf Bildung und Teilhabe. Der Wohlfahrtsverband hatte mehrfach darauf verwiesen, dass die Eingrenzung auf Kinder von Hartz-IV-Empfängern aber verfassungswidrig sein könnte. Wie viele Kinder von Geringverdienern mit dem überarbeiteten Gesetzentwurf nun zusätzlich diesen Anspruch erhalten könnten und wie viel mehr das den Bund kosten würde, ist unklar.

Für 290.000 Kinder von Geringverdienern gibt es schon den Kinderzuschlag von etwa 140 Euro im Monat - er wurde eingeführt, um diese Familien nicht zu Hartz-IV-Empfängern zu machen. Offen ist, ob diese Kinder von Geringverdienern daneben auch vom Bildungspaket profitieren würden.

Die Arbeitsministerin hatte mehrfach erklärt, dass langfristig auch die Kinder armer Eltern vom Bildungspaket profitieren sollen. Allerdings war bislang geplant, diese Mehrausgaben als freiwillige Leistung aus Wirtschaft, Vereinen und Kommunen zu finanzieren.

Von der Leyens Gesetzentwurf enthält dem Bericht der Financial Times zufolge weitere mögliche Streitpunkte: So erhalten Kinder von Hartz-IV-Empfängern keinen Zuschuss zur Nachhilfe, wenn ihre Versetzung gefährdet ist, oder wenn die Lernschwäche "aus unentschuldigtem Fehlen" resultiert und keine Anzeichen für eine nachhaltige Verhaltensänderung vorliegen.

Schon vor Bekanntwerden dieser Einzelheiten des Entwurfs war Kritik an den Reformplänen laut geworden: Zuletzt hatte die bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer in der Süddeutschen Zeitung gesagt, sie halte von der Leyens Gutscheinmodell für "diskriminierend". Haderthauer befürchtet zudem "eine Klagewelle", weil nach dem jetzigen Reformentwurf die staatliche Förderung der Teilnahme an Vereins- und Kulturangeboten vom Wohnort des Kindes abhänge.

Familienministerin plant "Elterngeldfreibetrag" für Geringverdiener

Pläne, den Anspruch auf staatliche Unterstützung an Leistung zu koppeln, gibt es indes auch im Familienministerium: Kristina Schröder, von der Leyens Nachfolgerin im Amt der Familienministerin, plant einem Zeitungsbericht zufolge, einen "Elterngeldfreibetrag" für werdende Eltern einzuführen, die einer Arbeit nachgehen, aber zusätzlich auf Hartz IV angewiesen sind.

"Wer vor der Geburt eines Kindes arbeitet, muss nach der Geburt besser dastehen als jemand, der nicht arbeiten geht", sagte die CDU-Politikerin der Tageszeitung Die Welt. Schröder will mit ihrem Vorschlag verhindern, dass Geringverdiener von der geplanten Streichung des Elterngeldes für Hartz-IV-Empfänger betroffen sind. Auch für Minijobber ist demnach eine Sonderregelung vorgesehen.

Wie die Zeitung unter Berufung auf den Vorschlag der Ministerin zur Änderung des Haushaltsbegleitgesetzes 2011 berichtet, ist vorgesehen, dass Empfänger von Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe und Kinderzuschlag, die einen Anspruch auf Elterngeld haben und vor der Geburt des Kindes erwerbstätig waren, einen Freibetrag von bis zu 300 Euro erhalten. Dieser Betrag soll sich demnach wie das Elterngeld auch an dem vor der Geburt des Kindes erzielten Einkommen orientieren.

Bei den Minijobs schlägt Schröder demnach vor, die bisherige Rechtslage beizubehalten und pauschal versteuerte Einkünfte bei der Berechnung des Elterngeldes einzubeziehen. Geplant war ursprünglich, Einkünfte aus Minijobs nicht mehr bei der Bemessung des Elterngeldes einzurechen.

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