Die grau eingefärbte Deutschlandkarte auf der Internetseite des Verkehrsministeriums sieht harmlos aus. "Autobahnprojekte gesamt (vereinfachte Darstellung)" steht darüber, und "vereinfacht" trifft es in diesem Fall ziemlich gut. Denn während die Karte mit den durchnummerierten Bauprojekten übersichtlich daherkommt, ist der politische Konflikt dahinter äußerst komplex: Seit dem Frühjahr konnten sich die Ampelprotagonisten nicht darauf verständigen, ob die geplante Beschleunigung von Infrastrukturvorhaben auch für den Ausbau von Autobahnen gelten soll. Die Grünen waren dagegen, die FDP strikt dafür.
Nun aber, zum Auftakt der aktuellen Sitzungswoche im Bundestag, haben sich die Ampelfraktionen doch noch geeinigt: Der Bundestag soll am Freitag das Gesetz "zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren im Verkehrsbereich" verabschieden - und gleich noch ein ganzes Paket weiterer Verkehrsgesetze dazu.
Die Einigung fiel nach den Wahlen in Hessen und Bayern offenbar leichter
Eigentlich war man sich ja schon im Frühjahr einig gewesen, dass es das Beschleunigungsgesetz geben solle. Genauso lange liegt auch die Liste mit den Autobahnprojekten vor, die genau wie Schienen und Wasserwege mit mehr Tempo vorangetrieben werden sollen. Doch trotz einer Einigung im Koalitionsausschuss, trotz eines Kabinettsbeschlusses und einer ersten Lesung im Bundestag ging es lange nicht voran. Vor allem die Grünen hatten Bedenken, was den Ausbau von Autobahnen angeht. Warum der Knoten ausgerechnet jetzt geplatzt ist? Klare Aussagen bekommt man dazu am Dienstag nicht. Zu hören ist aus Ampelkreisen allerdings, dass eine Einigung nach den Landtagswahlen in Hessen und Bayern jedenfalls leichter gewesen sei als davor.
Inhaltlich sieht das Genehmigungsbeschleunigungsgesetz von FDP-Verkehrsminister Volker Wissing rechtliche Anpassungen vor, damit Verkehrsprojekte schneller geplant und genehmigt werden können. Mit dem Gesetz werden weitere Gesetze, die verschiedene Verkehrsträger betreffen, geändert. Wenn marode Brücken nicht nur saniert, sondern bei der Gelegenheit auch gleich erweitert werden, soll das nicht extra genehmigt werden müssen. Beschleunigt werden sollen auch 312 Schienenprojekte mit einer Gesamtlänge von 4500 Kilometern.
Was die umstrittenen Autobahnausbauten angeht, sind beispielsweise zusätzliche Fahrstreifen geplant, wo es heute wegen Engpässen häufig zu Staus kommt. Die aktuelle Liste umfasst 138 Autobahnprojekte, etwa die Hälfte davon in Nordrhein-Westfalen, die anderen in Baden-Württemberg, Bayern, Bremen, Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz. Diese Vorhaben sollen künftig im "überragenden öffentlichen Interesse" liegen. Für die Grünen war das lange ein nur schwer zu verdauender Punkt, für die FDP dagegen eine Notwendigkeit.
FDP beklagt "Langsamkeit" bei Großprojekten
"Unser Land erstickte bei Großprojekten bisher in Langsamkeit", sagte Johannes Vogel, Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion am Dienstag. Wenn man jetzt von der Bremse gehe, sei das wichtig für die Zukunft und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Kritik kam dagegen von Umweltverbänden. Grünen-Co-Fraktionschefin Britta Haßelmann wiederum betonte, dass mit dem Gesetz 45 Milliarden Euro an Investitionen in die Deutsche Bahn vorgesehen seien. "Das ist ein klares und wichtiges Signal, eine der größten Investitionen der Zeit."
Die Einigung beim Beschleunigungsgesetz führt dazu, dass es jetzt auch bei anderen Verkehrsgesetzen vorangeht, die immer als Teil einer Gesamtlösung verhandelt worden waren. Einen gewissen Druck gab es bei der geplanten Novelle des Mautgesetzes: Die Lkw-Maut soll um eine CO₂-Komponente erweitert werden, und die damit verbundenen Mehreinnahmen hat die Ampel längst verplant - unter anderem für den gestiegenen Investitionsbedarf der Deutschen Bahn. Ohne Einigung bei der Planungsbeschleunigung aber steckte auch die Maut-Reform fest.
Ebenfalls geeinigt hat die Ampel sich nun auf die geplante Änderung des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), was sich wiederum auf die Straßenverkehrsordnung (StVO) auswirkt. Bislang war für Bundesländer und Kommunen bei verkehrspolitischen Entscheidungen vor Ort ausschließlich die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer maßgeblich - und dass der Verkehr möglichst gut fließen kann. Künftig sollen die Behörden nun auch Umwelt-, Klima- und Gesundheitsschutz berücksichtigen, ebenso die "städtebauliche Entwicklung". Die Grünen-Fraktion bewertet diesen Schritt in einem Papier so, dass die "seit Jahrzehnten geltenden alleinigen Vorrangregeln für den Autoverkehr" nun "passé" seien.
Vor allem die Grünen erhoffen sich dadurch Möglichkeiten, auf lokaler Ebene den Fokus verstärkt auf Radfahrer und Fußgänger legen und zum Beispiel mehr Tempo-30-Zonen einrichten zu können. Den Kommunen allerdings geht der Gesetzentwurf noch nicht weit genug. So beklagt etwa der Deutsche Städtetag, dass es Städten und Gemeinden weiterhin nicht erlaubt sein soll, auf ihrem Gebiet überall Tempo 30 einzuführen. Obwohl sich inzwischen fast tausend Kommunen einer Initiative angeschlossen haben, die genau das fordert. Zudem beklagen alle kommunalen Spitzenverbände und der Deutsche Verkehrssicherheitsrat, dass die "Vision zero" - also das Ziel von null Verkehrstoten - nicht wie vom Bundesrat gefordert in das neue Gesetz als Leitbild aufgenommen wurde.