Verkehr:Wenn das Auto bremsen will

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Das Verwaltungsgericht Freiburg soll entscheiden, ob diese Schilder von Anwohnern erlaubt sind. (Foto: Grüne Höri)

Dürfen Anwohner Autofahrer mit selbstgemachten Schildern auffordern, freiwillig Tempo 30 zu fahren? Das soll nun ein Gericht entscheiden.

Von Thomas Hummel

Die L 192 führt herum um die Halbinsel Höri, immer nahe am Ufer des Bodensees ganz im Süden Baden-Württembergs. Es geht durch Ortschaften wie Moos, Iznang, Gaienhofen bis nach Öhningen. Eine normale Landstraße, Tempolimit 100 Kilometer pro Stunde (km/h), innerorts 50. Vor zwei Jahren tauchten dort plötzlich Schilder mit einer rot umrandeten 30 auf. Darüber das Wort "Freiwillig", darunter die Silhouetten fünf rennender Kinder. Bis zu 30 Anwohner hatten auf ihren Grundstücken neben der Straße die Zeichen angebracht und damit Autofahrer aufgefordert, innerhalb der Orte bitte langsamer zu fahren. Höchstens 30 km/h. Gaby Schneider, Mit-Organisatorin der Aktion und Vorstandsmitglied der örtlichen Grünen, berichtet: "Das hat echt polarisiert."

Kein Wunder, rührt die Frage doch augenscheinlich an das Selbstverständnis des Landes: Wie schnell darf oder soll man Auto fahren? Darüber werden in der Heimat von Porsche, BMW und Mercedes die hitzigsten Debatten geführt. In diesem Fall geht es sogar vor Gericht.

Gegner fordern per Lichthupe die Trödler zum Gasgeben auf

Befürworter der Aktion auf der Höri freuten sich darüber, dass gerade Kinder und Ältere nun sicherer über die Straße kamen. Dass Lkws etwas leiser durch die Dörfer donnerten, sich die Atmosphäre aus ihrer Sicht insgesamt entspannte. Es reichte ja schon einer, der sich freiwillig an Tempo 30 hielt, überholen ist innerorts kaum möglich. Was die Gegner indes nur umso mehr erregte, einige forderten per Lichthupe die Trödler zum Gasgeben auf. Oder beschwerten sich im Landratsamt Konstanz.

Insbesondere Lenker von Fahrzeugen mit modernen Assistenz-Systemen hätten sich gemeldet, teilt eine Sprecherin des Landratsamts mit. Die Systeme erkannten die "Freiwillig"-Schilder offenbar über ihre Kameras, reagierten darauf wie auf deren amtliche Pendants und wiesen die Fahrer auf Tempolimit 30 hin. Von "Selbstjustiz und Amtsanmaßung" sei die Rede gewesen, so die Sprecherin.

Die Behörde verschickte daraufhin Briefe an die Schildaufsteller mit der Aufforderung, ihre Tafeln binnen zwei Wochen abzubauen. Sonst drohe ein Zwangsgeld. Sie verwies auf die Straßenverkehrsordnung. Dort steht: Es ist verboten, Zeichen aufzustellen, die amtlichen Schildern gleichen, "mit ihnen verwechselt werden oder deren Wirkung beeinträchtigen können". Aber stehen nicht überall in der Republik Tafeln oder Pappschilder, auf denen Anwohner bitten, langsamer zu fahren? "Den Kindern zuliebe"?

Die Deutsche Umwelthilfe nahm den Fall auf und unterstützt nun drei Anwohner bei einer Klage gegen den Bescheid des Landratsamts. Das Verwaltungsgericht Freiburg verhandelt darüber am Montag, alle Seiten erhoffen sich Klärung in den Fragen: Dürfen Anwohner einer Straße die Verkehrsteilnehmer mit Schildern auf ihren Privatgrundstücken auffordern oder darum bitten, freiwillig langsamer zu fahren? Und falls ja: wie?

Umwelthilfe-Anwalt Remo Klinger meint, das sei im Grunde nichts anderes als ein Ausdruck der Meinungsfreiheit. Falls seine Klienten die Schilder abmontieren müssten, "würde sich das bundesweit auswirken, beispielsweise auch auf freiwillige Geschwindigkeitsmesser mit einem Smiley, wie man sie in vielen Dörfern sieht". Notfalls würde er durch die Instanzen klagen, um eine höchstrichterliche Regelung zu erzwingen. Doch egal, wie der Streit ausgeht: Sicher ist, dass sich im deutschen Autoland am Ende irgendjemand fürchterlich aufregen wird.

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