Reise nach Israel:Biden auf heikler Nahost-Mission

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Politische und persönliche Nähe: Israels Premier Benjamin Netanjahu (links) holt US-Präsident Joe Biden am Mittwoch persönlich am Flughafen ab. (Foto: BRENDAN SMIALOWSKI/AFP)

Der US-Präsident sichert Israel großzügige Unterstützung zu, zieht aber rote Linien für den Krieg in Gaza. Der Raketeneinschlag in einer Klinik mit vielen Opfern verstärkt die Spannungen in der Region.

Von Peter Münch, Tel Aviv

US-Präsident Joe Biden hat Israel am Mittwoch einen Blitzbesuch abgestattet. "Ich möchte, dass das israelische Volk und die Welt weiß, wo wir stehen", sagte er in Tel Aviv, und damit das auch jeder sogleich sehen konnte, trug er eine Krawatte in den Farben Israels, in Blau und Weiß. Ein eindrückliches Zeichen der Solidarität also will Washington aussenden mit dieser Reise, einerseits. Andererseits geht es um konkrete militärische Hilfe - und darum, welchen Preis Israel dafür zu zahlen hat.

Biden ist der erste US-Präsident, der Israel mitten in einem Krieg besucht. In den wenigen Stunden seines Aufenthalts traf er Premierminister Benjamin Netanjahu, Präsident Isaac Herzog und nahm im Hauptquartier der israelischen Armee an einer Sitzung des sogenannten Kriegskabinetts teil. Netanjahu dankte ihm überschwänglich, dass er Israel zur Seite stehe "heute, morgen und immer". Zugleich machte er Biden klar, warum sein Land nun einen Kampf mit voller Härte führen müsse. "Zwanzigmal 9/11", so hoch sei die Zahl der israelischen Toten durch den Terrorüberfall der Hamas, hochgerechnet auf die Bevölkerung der USA. "Wir werden die Hamas besiegen und diese schreckliche Bedrohung aus unserem Leben entfernen", erklärte er.

Dafür wird er von Biden volle Unterstützung bekommen - nicht nur in Gaza, sondern auch an der möglichen zweiten Front zu Libanon und darüber hinaus gegenüber Iran. Der US-Präsident hat diese beiden Staaten bereits knapp und deutlich vor einem Kriegseintritt gewarnt: "Tut's nicht." Auf Worte folgte Waffenhilfe: Große Mengen Munition werden bereits von den USA nach Israel geliefert. Berichten zufolge hat Israel eine zusätzliche US-Militärhilfe in Höhe von zehn Milliarden Dollar erbeten. Überdies wurden zwei amerikanische Flugzeugträger in die Region entsandt. Für die Hisbollah und Iran soll dies eine Abschreckung sein. Für Israel ist es eine Rückversicherung, die auch mögliche Gedanken an einen Präventivschlag verdrängen soll.

Biden will den Verlauf des Konflikts beeinflussen

Doch all die amerikanische Unterstützung bedeutet nicht, dass Washington seinem Verbündeten eine Carte blanche erteilt in diesem Krieg. Biden geht es nicht nur darum, Israel in unvergleichlicher Weise zu helfen. Er will dadurch auch Einfluss gewinnen auf den Verlauf des Konflikts. Schließlich geht es in Nahost immer auch um US-Interessen. Man kann daraus aber auch ein deutliches Misstrauen gegen Israels Führung ablesen. Biden kennt Netanjahu lange und gut genug, um ihm auch Destruktives zuzutrauen.

Die amerikanische Unterstützung ist deshalb großzügig, aber nicht grenzenlos. Biden zieht gleich mehrere rote Linien für den Krieg um Gaza. Schon vor Beginn einer Bodenoffensive warnt er die israelische Regierung, dass eine Wiederbesetzung des palästinensischen Küstenstreifens "ein schwerer Fehler" wäre. Zudem richtet er den Blick auf die vom Krieg betroffene Zivilbevölkerung. "Die Hamas repräsentiert nicht das gesamte palästinensische Volk", sagte er in Tel Aviv und fordert von Israel "lebensrettende Maßnahmen, um all den Palästinensern zu helfen, die unschuldig mitten in diesem Konflikt gefangen sind".

Das Drama in einem Krankenhaus in Gaza wirkt sich auf Bidens Mission aus

Welchen Gefahren die 2,3 Millionen Bewohner des Gazastreifens ausgesetzt sind, war auf dramatische Weise klar geworden, kurz bevor Biden zu dieser Reise aufbrach: Fast 500 Tote wurden durch die Explosion in einem Krankenhaus in Gaza-Stadt gemeldet. Die Hamas beschuldigt Israel. Israel weist jede Verantwortung zurück und erklärt die Katastrophe mit einer fehlgeleiteten Rakete, die vom Islamischen Dschihad in Gaza abgefeuert worden sei. Biden unterstützte in Tel Aviv zwar die israelische Sichtweise. "Es sieht so aus, als ob es vom anderen Team gemacht wurde, nicht von Ihnen", sagte er. Aber er schränkte auch ein, "es gibt eine Menge Leute da draußen, die sich nicht sicher sind".

Eine Frau steht trauernd mit einem Kissen vor dem getroffenen Ahli-Arab-Krankenhaus in Gaza. (Foto: Mahmud Hams/AFP)

Die politische Sprengkraft des blutigen Vorfalls bekam Biden sogleich zu spüren: Der geplante zweite Teil seiner Nahost-Reise - ein Vierer-Gipfeltreffen in Amman mit Jordaniens König Abdullah II., dem ägyptischen Staatschef Abdel Fattah al-Sisi und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas - wurde abgesagt. Aus einer möglichen Verhandlungsmission auf verschiedenen Seiten des Konflikts wurde damit lediglich ein Kurzbesuch in Israel.

Kurz nach dem Treffen mit Biden kündigte Netanjahu an, sein Land werde humanitäre Hilfslieferungen aus Ägypten in den Gazastreifen nicht behindern. Dies betreffe Lieferungen wie Lebensmittel, Wasser und Medikamente für die Zivilbevölkerung, teilte sein Büro mit. "Jede Lieferung, die zur Hamas gelangt, wird verhindert." Gleichzeitig machte Netanjahu deutlich, Israel werde "keine humanitäre Hilfe von seinem Territorium in den Gazastreifen zulassen, solange unsere Entführten nicht zurückgebracht werden."

Diese Mission kann schwierig werden für Washington. Denn bei aller politischen und auch persönlichen Nähe des US-Präsidenten zu Israel muss dieser stets auch seine arabischen Verbündeten von Amman über Kairo bis nach Riad im Blick behalten. Dort heizt der Krieg um Gaza die Stimmung auf den Straßen auf. Der Zorn auf Israel setzt die Herrscher unter Handlungsdruck. Biden hat nun mit seiner Reise demonstriert, dass von einem Rückzug der USA aus Nahost keine Rede sein kann. Doch er muss auch erkennen, auf welch schmalem Grat er dort balanciert.

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