Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow hat die Landtagswahl in Thüringen gewonnen - und ist erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft. Die CDU, die zuvor seit 1990 stets die meisten Stimmen bekommen hatte und bis 2014 den Regierungschef in Erfurt stellte, stürzt auf ihr historisch schlechtestes Ergebnis. Sie liegt nach dem vorläufigen Ergebnis des Landeswahlleiters hinter der AfD auf Platz drei. Die SPD fährt ein einstelliges Ergebnis ein. FDP und Grüne schaffen es knapp in den Landtag - die FDP nimmt nach einer stundenlangen Zitterpartie mit am Ende 5,0005 Prozent äußerst knapp die Fünf-Prozent-Hürde.
Die Linke gewinnt einen Sitz hinzu, die AfD elf. Die CDU verliert 13 Sitze. Der bisherigen Koalition aus Linkspartei, SPD und Grünen droht also der Verlust ihrer Sitzmehrheit.
Die absolute Mehrheit der 88 Sitze würde eine Viererkoalition mit der FDP erhalten. Eine Koalition mit der AfD, deren rechtsnationaler Flügel um den Thüringer Spitzenkandidaten Björn Höcke vom Verfassungsschutz als "Verdachtsfall" im Bereich des Rechtsextremismus eingestuft wird, haben alle Parteien vor der Wahl ausgeschlossen.
Der Spitzenkandidat der CDU, Mike Mohring, hat zudem angekündigt, nicht mit der Linkspartei zu koalieren. Am Wahlabend wiederholen CDU-Vertreter diese Ankündigung. Auch der FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich schließt nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse eine Koalition mit der Linkspartei aus. Damit ist eine Koalition, die eine Mehrheit hätte, vom Tisch: ein Vierparteienbündnis aus Linkspartei, SPD, Grünen und FDP.
Geht man davon aus, dass weiterhin niemand mit der AfD koalieren möchte, kommt ohne die Linke niemand auf die nötigen 45 Sitze - nicht einmal eine sogenannte Simbabwe-Koalition aus CDU, SPD, Grünen und FDP. Damit bleibt eigentlich nur noch eine Option: eine Minderheitsregierung von Rot-Rot-Grün.
In vier der 44 Wahlkreise hat nicht die Linkspartei, sondern die CDU die meisten Zweitstimmen erhalten. In zwei Wahlkreisen bekam die Landesliste der AfD die meisten Zweitstimmen.
Die in den Wahlkreisen gewählten Direktkandidaten sind aber keineswegs überwiegend Linke. Tatsächlich entsenden die meisten Wahlkreise AfD- oder CDU-Kandidaten nach Erfurt. Die wenigen linken Direktkandidaten kommen aus Erfurt, Jena, Gera, Nordhausen und Suhl/Schmalkalden-Meiningen. Im Wahlkreis Gotha II erhält ein Sozialdemokrat das Direktmandat.
Die neuesten Entwicklungen im Liveticker:
Das war's
Liebe Leserinnen und Leser,
damit verabschiedet sich der Liveticker von SZ.de in die Nacht. Eines kann man dem Wahlabend in Thüringen nicht vorwerfen: Das er nicht bis zum Schluss spannend gewesen wäre. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit und falls Sie noch einmal kompakt das Wichtigste zum Wahlabend lesen wollen, empfehle ich das Stück
"So hat Thüringen gewählt" sowie
die Analyse unserer Korrespondentin Ulrike Nimz 5,0005: Die FDP ist drin
Die Zitterpartie hat ein Ende: Die FDP erhält
dem Landeswahlleiter zufolge 5,0005 Prozent. Sie nimmt also äußerst knapp die Fünf-Prozent-Hürde und bleibt im Landtag.
Fünf Komma Null Null Null Vier
FDP-Politiker in Thüringen möchte man an diesem Abend nicht sein. Wäre man Raucher, wären wohl eine ganze Menge Nervositätszigaretten fällig gewesen. Stand aktuell: 5,0004 Prozent, drei Wahlbezirke noch. Ramelow und die Rentner
Welchen Bevölkerungsgruppen hat der Linke-Politiker sein gutes Ergebnis zu verdanken? Wie hat der Bildungsgrad die Wahlentscheidung beeinflusst und welche Partei kam bei den Frauen in Thüringen am besten an? All das hat meine Kollegin Jana Anzlinger analysiert und mein Kollege Michael Hörz mit Grafiken illustriert. Stimmauszählung unter widrigen Umständen
Zwei Feuer-Fehlalarme innerhalb von knapp zwei Stunden im Rathaus von Erfurt haben am Sonntagabend die Stimmenauszählung verzögert. Nach Angaben von Landeswahlleiter und Feuerwehr hatte die automatische Meldeanlage erst gegen 20 Uhr und dann noch einmal gegen 21.45 Uhr angeschlagen. Die Feuerwehr rückte an, gab aber in beiden Fällen Entwarnung. Elf Wahlbezirke fehlen noch
Das vorläufige amtliche Endergebnis in Thüringen dürfte gleich verkündet werden. 3006 von 3017 Wahlbezirke sind ausgezählt, heißt es auf der Seite des Landeswahlleiters. Kommt die FDP in den Landtag? Das ist immer noch nicht klar. Derzeit steht sie bei 4,9994 Prozent. Merz mahnt
Wie wirkt sich das schlechte Ergebnis in Thüringen auf CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer aus? Friedrich Merz, vergangenes Jahr der unterlegene Konkurrent im Kampf um den Parteivorsitz, positioniert sich auf Twitter schon mal sachte. Höcke ohne Direktmandat
Thüringens AfD-Spitzenkandidat mag sich über das Abschneiden seiner Partei in dem Bundesland freuen, ihm ganz persönlich ist allerdings kein Erfolg vergönnt: Björn Höcke hat es nicht geschafft, in seinem Wahlkreis Eichsfeld I das Direktmandat zu erringen. Als Zweitplatzierter liegt er nach Auszählung fast aller Stimmbezirke mit 21,4 Prozent weit abgeschlagen hinter dem CDU-Kandidaten Thadäus König.FDP zittert noch immer
Auch Stunden nach Schließung der Wahllokale ist unklar, ob die Freien Demokraten die Fünf-Prozent-Hürde überspringen. Um 21.30 Uhr steht die Partei in der Live-Auszählung des Landeswahlleiters bei 4,9990 Prozent - 2978 von 3017 Wahlbezirke sind zu diesem Zeitpunkt erfasst. Wenige Minuten später sind es einige Wahlbezirke mehr und 5,0065 Prozent. Die Hochrechnungen von ARD und ZDF sehen die Partei bei 5,0 Prozent. FDP-Chef Christian Lindner hatte schon kurz vor 19 Uhr auf den Ex-Vorsitzenden Otto Graf Lambsdorff verwiesen, der einmal gesagt habe: "FDP, das ist nichts für Leute mit schwachen Nerven." Erstes Direktmandat für die AfD in Thüringen
René Aust, Pressereferent der AfD im Thüringer Landtag, holt für seine Partei ein Direktmandat, das erste in Thüringen bei einer Landtagswahl. Er gewinnt im Wahlkreis Schmalkalden-Meiningen II mit 24,2 knapp vor dem SPD-Kandidaten Frank Ullrich, der 23,3 Prozent der Stimmen bekommt. Aust war selbst früher SPD Mitglied und wechselte 2017 zur AfD.Gauland: "Herr Höcke ist die Mitte der Partei"
Die AfD-Bundesspitzen versuchen gern, ihre Partei als nationalkonservativ zu positionieren. Als eine Partei, die zwar rechts steht, aber doch ein geeigneter Koalitionspartner für die Unionsparteien wäre. Garantiert mehr als nationalkonservativ ist allerdings Thüringens Spitzenkandidat Björn Höcke, nämlich völkisch-national, ja, einem Gerichtsurteil zufolge darf man ihn einen "Faschisten" nennen. Und dass Höcke damit die Partei repräsentiert, räumt am Wahlabend sogar AfD-Parteichef Alexander Gauland ein: "Also, Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts. Herr Höcke ist die Mitte der Partei", sagt er dem Fernsehsender Phoenix.Mazyek sieht in Abschneiden der AfD "viel mehr als ein 'Alarmzeichen'"
Auch der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, zeigt sich beunruhigt:Knobloch: "Wo eine solche Partei Erfolge feiert, da gibt es ein Problem"
Vertreter jüdischer Organisationen äußern sich besorgt über das starke Abschneiden der AfD in Thüringen. Die ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch, sagt, das Ergebnis der AfD zeige, "dass in unserem politischen System etwas grundlegend aus den Fugen geraten ist". "Wo eine solche Partei Erfolge feiert, da gibt es ein Problem, sagt die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern." Mit ihrer Stimme hätten viele Wahlberechtigte eine Partei unterstützt, die seit Jahren die NS-Zeit verharmlose, offen nationalistisch agiere, Hass gegen Minderheiten wie etwa die jüdische Gemeinschaft schüre und damit den Nährboden für Ausgrenzung und rechtsextreme Gewalt bereite. Christoph Heubner, Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees spricht von einem "erneuten Signal des Schreckens, das eine weitere Verfestigung rechtsextremer Grundeinstellungen und Tendenzen in Deutschland befürchten lässt."
CDU und Linke - einer will doch
Niemand hat die Absicht, Gespräche mit den Linken zu führen. Jedenfalls nicht in der CDU in Thüringen und darüber hinaus. Mit einer Ausnahme. Ingo Senftleben, CDU-Landeschef in Brandenburg, der schon in seinem Landtagswahlkampf vor einigen Monaten auf vorsichtigen Annäherungskurs zur Linken ging. "Ideologische Gräben wollen die Menschen nicht, deshalb sollten Linke und CDU auch Gespräche führen können“, sagte der Politiker dem Handelsblatt. Das Ergebnis in Thüringen sei eine Entscheidung der Wähler. "Dies ist zu akzeptieren und sollte nicht zu einer gegenseitigen Blockade führen." Was wird 2020?
Schlussrunde im Stile von Frank Plasberg bei "Hart, aber fair". "Drehen Sie die Uhr ein Jahr voraus: Welche Regierung werden wir haben?", fragt der Moderator. Nur der Grüne Michael Kellner schafft es, eine kurze Antwort zu geben. Die jetzige Regierung werde dann noch im Amt sein. Alle anderen nutzen die Runde, um nochmal ihre Wahlkampfbotschaften unterzubringen.