Supreme Court:Die alten weißen Männer sind nicht mehr in der Überzahl

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Gute Laune: US-Präsident Joe Biden und die von ihm nominierte Ketanji Brown Jackson während der Senatssitzung, in der die Ernennung der Richterin bestätigt wurde. (Foto: Kevin Lamarque/Reuters)

Der Senat hat zugestimmt: Ketanji Brown Jackson wird als erste Afroamerikanerin höchste Richterin der USA. Ein Erfolg für Joe Biden. Aber am Ausgang baldiger Grundsatzentscheidungen wird das kaum etwas ändern.

Von Fabian Fellmann, Washington

Lange, viele sagen viel zu lange, sahen die amerikanischen Gerichte nicht aus wie Amerika: zu weiß, zu männlich, zu alt. Mit dieser Feststellung nominierte Joe Biden, bekanntlich selbst ein alter weißer Mann, vor sechs Wochen Ketanji Brown Jackson für das Oberste Gericht, eine 51-jährige schwarze Frau. Nun hat der Senat entschieden, dass er die Zusammensetzung des höchsten Gerichts der USA an die gesellschaftliche Realität annähern will. Er hat Brown Jacksons Ernennung am Donnerstag mit 53 zu 47 Stimmen bestätigt.

Es ist ein historischer Schritt für das Land. Alte weiße Männer - oder, präziser: "White Anglo-Saxon Protestants", also Protestanten europäischer Abstammung, kurz WASP - stellten zuvor stets die Mehrheit der Richter, seit das Oberste Gericht 1789 gegründet wurde. Erst vor 55 Jahren erhielt mit Thurgood Marshall erstmals ein Nicht-Weißer Zugang zu dem exklusiven Club. Erst 41 Jahre ist es her, dass Sandra Day O'Connor als erste Frau ernannt wurde.

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Ketanji Brown Jackson soll als erste schwarze Frau ans Oberste Gericht der USA berufen werden. Sie sieht sich deshalb manch seltsamen Fragen ausgesetzt - auch von Frauen.

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Mit der weißen Männermehrheit ist es vorbei, wenn Brown Jackson voraussichtlich im Oktober ihre neue Arbeit an dem Gericht in Washington aufnehmen wird. Sie wird Nachfolgerin von Stephen Breyer, der mit 83 Jahren in den Ruhestand tritt und auch ein alter weißer Mann ist. Mit seinem Rückzug sitzen noch vier weiße Männer in dem Gremium, zwei ernannt von George W. Bush, zwei von Donald Trump. Ebenfalls ein Republikaner ist der fünfte Mann im Bunde, der Afroamerikaner Clarence Thomas. Das diverseste Bild geben die Richterinnen ab: Amy Coney Barrett ist weiß, Elena Kagan beschreibt ihre Herkunft als russisch-jüdisch, die Latina Sonia Sotomayor ist die erste nicht-weiße Frau an dem Gericht - und mit Ketanji Brown Jackson sind nun auch Afroamerikanerinnen präsent.

Allerdings bleibt das Oberste Gericht weiterhin eine ziemlich homogene Gruppe. Noch nie vertreten waren zum Beispiel Amerikaner asiatischer Abstammung, die rund sechs Prozent der Bevölkerung ausmachen. Eintönig wirkt auch der akademische Werdegang der Richter: Bis auf Amy Coney Barrett haben alle entweder in Harvard oder in Yale studiert, zwei Eliteuniversitäten, die lange Sinnbilder für das WASP-Netzwerk waren. Das wurde auch Brown Jackson teilweise vorgehalten: Sie ist Harvard-Absolventin und hatte für den Richter gearbeitet, dessen Sitz sie nun erbt; zuletzt war sie Berufungsrichterin an einem Bundesgericht.

An den Machtverhältnissen im Gericht ändert Brown Jacksons Ernennung nichts

Getrübt wird die Freude über die historische Ernennung auf der linken Seite zudem durch den Umstand, dass die zunehmende Diversität an den politischen Mehrheitsverhältnissen vorerst nichts ändern wird. Seit Donald Trump kurz vor seiner Abwahl die erzkonservative Coney Barrett in das Gremium bestellte, um das liberale Urgestein Ruth Bader Ginsberg zu ersetzen, ist die höchste Gerichtsinstanz der USA fest in der Hand der Konservativen. Einiges deutet darauf hin, dass sie diese Machtposition nutzen werden, wenn demnächst Grundsatzentscheide anstehen: Auf der Kippe stehen unter anderem das Recht auf Abtreibung, Einschränkungen des freien Waffenbesitzes sowie die Minderheitenförderung an Universitäten - alles heiße Themen des "Culture War", den Republikaner und Demokraten gegeneinander führen.

Das bekam Brown Jackson in den vergangenen Wochen deutlich zu spüren. Drei Tage lang fühlte ihr der Justizausschuss des Senats auf den Zahn, drei Tage lang versuchten Republikaner, sie in eine Falle zu locken. Sie musste sich rechtfertigen für Urteile gegen Pädophile, welche die Republikaner für zu milde hielten; sie wurde gebeten, das Wort "Frau" zu definieren; sie sollte Stellung beziehen zu Rassismus und ihrem Umgang damit.

Lange hielten die Republikaner die Spannung hoch, indem sie Ketanji Brown Jackson jede Unterstützung versagten. Schließlich stimmten aber drei moderate Republikaner für sie. Für Joe Biden ist das ein voller und dringend benötigter Erfolg. Mehrfach haben das Weiße Haus und die Führung der Demokraten in den vergangenen Monaten mit Fehlern ihre eigenen Anliegen torpediert. Bei Jackson Browns Ernennung haben sie eine heikle Prozedur nun binnen rund sechs Wochen abgeschlossen.

Biden hatte im Wahlkampf in Aussicht gestellt, eine Afroamerikanerin ins Rennen zu schicken; das hat er nun eingehalten, erst noch mit einer überparteilichen Mehrheit. Das ist umso wichtiger, weil es eines von wenigen Versprechen an die afroamerikanische Basis ist, denen Biden auch Taten folgen lässt. Andere ihrer Anliegen, etwa eine Wahlrechtsreform, brachte Biden nicht durch; er trug sich damit den Vorwurf ein, sich zu wenig für die Belange von Afroamerikanern einzusetzen. Bei den Zwischenwahlen im laufenden Jahr ist Bidens Partei aber darauf angewiesen, dass Schwarze den Urnen nicht enttäuscht fernbleiben.

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